StuPa der Humboldt-Universität zu Berlin

IYSSE weisen antidemokratische Kampagne von Jusos und RCDS zurück

Am Dienstag brachte die Juso-Fraktion im Studierendenparlament (StuPa) der Humboldt-Universität zu Berlin einen Antrag ein, der jeden „gemeinsamen Kampf“ von palästinensischen und jüdischen Arbeitern gegen den israelischen Staatsapparat als „antisemitisch“ denunziert. Die SPD-Nachwuchspolitiker nahmen dabei Bezug auf einen Text der Online-Publikation „Klasse gegen Klasse“.

Bei dem Antrag handelte es sich ursprünglich um einen antidemokratischen Versuch, die parlamentarische Bestätigung eines Votums der studentischen Ausländer-Vollversammlung zu verhindern. Diese hatte für das Amt des AntiRa-Referenten – ein antirassistisches Referat der studentischen Selbstverwaltung – einen Studenten gewählt, der Texte für die Plattform veröffentlicht hatte. Nachdem sich die Bestätigung seines Mandats über einen Zeitraum von mehreren Monaten verzögert hatte, zog der Student seine Kandidatur schließlich zurück.

In einer Neufassung ihres Antrags erklärte die Juso-Fraktion daraufhin „Tätigkeit bei ‚Klasse gegen Klasse‘“ pauschal für „nicht vereinbar“ mit der Arbeit in studentischen Gremien. Der Antrag wurde mit den Stimmen von Jusos und RCDS (Unionsparteien), sowie einigen Ja-Stimmen anderer Fraktionen angenommen.

Bereits im Jahr 2018 hatte das StuPa auf Initiative der beiden Parteilisten den reaktionären Beschluss gefasst, sämtliche Personen aus hochschulpolitischer Tätigkeit auszugrenzen, die vermeintlich mit der sogenannten „Boykott-Divest-Sanction“-Kampagne sympathisieren.

Wir dokumentieren hier die Rede des IYSSE-Abgeordneten Gregor Kahl, der das demokratische Recht der Studierenden auf Meinungsfreiheit verteidigte und erläuterte, weshalb die IYSSE-Fraktion den Antrag auf das Schärfste zurückweist.

Die IYSSE-Fraktion lehnt den Antrag der Juso-Fraktion ab. Wir rufen alle Abgeordneten des Studierendenparlaments dazu auf, ebenfalls mit „nein“ zu stimmen.

Der Antrag leistet keinen Beitrag zur Bekämpfung von Antisemitismus, sondern missbraucht die Fahne des Kampfs gegen Antisemitismus für eine rechte Kampagne. Er richtet sich gegen alle, die einen Weg suchen, um die ethnische und nationalistische Spaltung der arbeitenden Bevölkerung in Israel, Palästina und der ganzen Region zu überwinden.

Jeder weiß, dass uns tiefe Differenzen von „Klasse gegen Klasse“ trennen. Aber der Vorwurf des Antisemitismus ist absurd und muss zurückgewiesen werden.

Der Antrag der Juso-Fraktion behauptet explizit, es sei antisemitisch, einen „gemeinsamen Kampf“ von „Palästinenser*innen und Juden und Jüdinnen“ gegen den „proimperalistischen Staat Israel“ zu fordern, um ein „friedliches und geschwisterliches Zusammenleben von Palästinensern und Juden und Jüdinnen“ zu garantieren.

Dieser Antrag ist eine unerträgliche Verharmlosung des Antisemitismus und stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Ein gemeinsamer Kampf von arabischen und jüdischen Arbeitern gegen die imperialistische Militärmacht ist nicht antisemitisch, sondern das genaue Gegenteil von Antisemitismus.

Wenn ein gemeinsamer Kampf von Juden und Palästinensern gegen den israelischen Staatsapparat und dessen brutale Kriegspolitik antisemitisch sein soll, dann werden damit weite Teile der israelischen Linken und Holocaust-Überlebende wie die verstorbene Esther Bejarano als Antisemiten verunglimpft.

Am Tag unserer letzten Sitzung fanden zum 5. Mal in unter vier Jahren Parlamentswahlen statt. Die 5,5 Millionen Palästinenser, die unter militärischer Besatzung im Westjordanland leben, durften damals nicht wählen – die rund 700.000 israelischen Siedler, die dort wohnen, allerdings schon. Mittlerweile arbeitet Benjamin Netanyahu an der Bildung einer offen rechtsextremen und rassistischen Regierung.

Die Wochen vor der Wahl waren von einem nationalistischen Kriegsklima geprägt. Kaum ein Tag verging ohne neue Berichte von getöteten Palästinenserinnen und Palästinensern durch rechtsradikale religiöse Nationalisten oder IDF-Streitkräfte. Mindestens 175 Palästinenser wurden allein dieses Jahr getötet, die Arrestzentren sind überfüllt. Anfang August hat die israelische Regierung mit Luftangriffen auf den Gaza-Streifen 16 Kinder getötet. Insgesamt wurden dabei 400 Menschen verwundet und 45 Menschen starben.

Linke Kritik an dieser Politik ist nicht antisemitisch. In Wirklichkeit ist die Vorstellung, dass die israelischen Streitkräfte und die rechte Regierung Israels Ausdruck des Judentums seien, selbst aus dem Arsenal des Antisemitismus entlehnt.

Die sozialistische Arbeiterbewegung hat den Antisemitismus hingegen immer auf das Schärfste bekämpft. Viele Arbeiter, Jugendliche und Intellektuelle jüdischer Herkunft spielten in ihr eine herausragende Rolle. Hunderttausende Sozialisten bezahlten ihren Widerstand gegen Hitler und die Nazis mit ihrem Leben.

Der marxistische Revolutionär Leo Trotzki warnte bereits nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 vor der drohenden Vernichtung der Juden. In einem Brief an amerikanische Freunde schrieb er: „Es ist ohne Schwierigkeit möglich, sich vorzustellen, was die Juden beim bloßen Ausbruch des künftigen Weltkrieges erwartet. Aber sogar ohne Krieg wird gewiss die nächste Entwicklung der Weltreaktion die physische Ausrottung der Juden bedeuten.“

Trotzki trat für die internationale Einheit der Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus ein. Das nationalistische zionistische Projekt lehnte Trotzki von diesem Standpunkt ab und bezeichnete es als „blutige Falle für hunderttausende Juden“. Im Jahr 1937 erklärte er: „Ich glaube auf keinen Fall, dass die jüdische Frage im Rahmen des verfaulenden Kapitalismus und unter der Kontrolle des britischen Imperialismus gelöst werden kann“. Wie richtig diese Einschätzung war, ist jetzt für jeden offenkundig.

Der Juso-Antrag ist Teil der bekannten rechten Kampagne, die sich unter anderem auf die Faschisten und Antisemiten der AfD stützt. Bereits im Jahr 2019 stimmten alle Bundestagsfraktionen einstimmig für eine Resolution, die Kritik an der rechten Politik der israelischen Regierung als antisemitisch bezeichnet. Darunter auch Alexander Gauland, der den Holocaust als „Fliegenschiss“ der deutschen Geschichte verniedlichte.

Mit den Stimmen der Nazis wurde unter anderem Kritik von Jüdinnen und Juden an der israelischen Regierung durch den deutschen Bundestag untersagt!

Jetzt bringt die Juso-Fraktion einen Antrag ein, der ebenfalls darauf hinausläuft, auch an unserer Uni linke Kritik an der israelischen Regierung zu verbieten. Und das an einer Universität, an der der Holocaust relativiert und Hitler verharmlost wird!

„Hitler war nicht grausam“, hat Professor Jörg Baberowski – der nach wie vor Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte ist! – 2014 im größten Nachrichtenmagazin Der Spiegel behauptet. In demselben berüchtigten Artikel hat Baberowski den Holocaust auf eine Stufe mit „Erschießungen während des russischen Bürgerkriegs“ gestellt und erklärt: „Im Grunde war es das gleiche: Industrielle Tötung“.

Diese Holocaust-Relativierung ist antisemitisch! Aber obwohl Baberowski als führender Ideologe der extremen Rechten berüchtigt ist und mittlerweile dazu übergegangen ist, studentische Kritiker gewaltsam anzugreifen, wird er von der Universitätsleitung nach wie vor gedeckt. Das gilt auch für den SPD-geführten Berliner Senat und die ehemalige Humboldt-Präsidentin und SPD-Politikerin Sabine Kunst.

Der Antrag der Juso-Fraktion verharmlost Antisemitismus und kriminalisiert linke Kritik an der israelischen Kriegspolitik. Er verunglimpft israelische Regierungsgegner und verhöhnt Überlebende des Holocausts. Seine Gleichsetzung von linker Kritik am Zionismus mit Antisemitismus ist Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten. Der Antrag muss unbedingt abgelehnt werden.

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