Perspektive

Schlusswort zur Online-Kundgebung am 10. Dezember 2022

Die International Youth and Students for Social Equality und der Kampf gegen Krieg

Dies sind die abschließenden Bemerkungen des Vorsitzenden der internationalen WSWS-Redaktion David North zur Online-Kundgebung vom 10. Dezember: „Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine!“ Die Veranstaltung wurde von den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) organisiert.

Auf der Kundgebung sprachen Mitglieder der IYSSE und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) aus aller Welt. Informationen dazu, wie ihr bei den IYSSE mitmachen könnt, findet ihr unter iysse.de.

Die heutige Online-Kundgebung ist ein Meilenstein im Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg in der Ukraine. Die Redner haben nicht nur die historischen Ursprünge, die heutigen Ziele und die möglichen Folgen des Krieges erläutert. Sie haben auch den verbrecherischen Charakter dieses Krieges aufgedeckt und sämtliche Regierungen angeprangert, die für seine Planung, Anstiftung und Durchführung verantwortlich sind. Die Redner haben die Lügen widerlegt, die den Kern der Propaganda ausmachen, mit der Regierungen und Medien das öffentliche Bewusstsein zu betäuben und Kriegsunterstützung zu erzeugen versuchen.

In ihrer Gesamtheit können aus den heutigen Reden eindeutige Schlussfolgerungen über den Charakter des US-Nato-Krieges in der Ukraine gezogen werden – und darüber, was getan werden muss, um ihn zu beenden. Diese Schlussfolgerungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Der Krieg in der Ukraine ist seinem sozioökonomischen und politischen Wesen nach ein imperialistischer Krieg, der von den Vereinigten Staaten und den anderen kapitalistischen Großmächten angezettelt wurde, die dem Nato-Bündnis angehören.
  2. Das Ziel der Nato – angeführt von den Vereinigten Staaten – besteht darin, Russland eine militärische Niederlage beizubringen. Sie soll zur Auflösung der Russischen Föderation, der Aufspaltung dieses riesigen Landes und der Aufteilung seiner immensen natürlichen Ressourcen unter den imperialistischen Mächten führen.
  3. Wenn Russland als Hindernis für die militärische Ostexpansion der Nato nach Eurasien ausgeschaltet wird, so wird dies nach der Hoffnung der Imperialisten eine Einkreisung Chinas nach sich ziehen und das Land dazu zwingen, sich dem Diktat des Imperialismus zu unterwerfen – entweder als Ergebnis eines Krieges oder, wie im Falle des Aufgebens der Zero-Covid-Politik durch das chinesische Regime, als Zurückweichen vor dem unerbittlichen wirtschaftlichen Druck des Weltkapitalismus.
  4. Letztlich ist das politische Ziel des Krieges – wie in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts – eine Neuaufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten. Die Logik dieses Prozesses geht sogar über den Konflikt mit Russland und China hinaus. Das Nato-Bündnis und die zusätzlichen Militärpakte, die Länder in Asien und im asiatisch-pazifischen Raum einschließen, sind keine versöhnliche Bruderschaft, sondern eine Bande von imperialistischen Räubern und Halsabschneidern. Die Logik der interimperialistischen Rivalität wird in nicht allzu ferner Zukunft zu erbitterten Konflikten zwischen den vorübergehenden Verbündeten von heute führen. Die Feindschaften der Vergangenheit, wie z.B. zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, werden unweigerlich wieder hervortreten.
  5. Wenn die Arbeiterklasse diesen Prozess nicht stoppt, wird er zu einer globalen Katastrophe führen, die die Gewalt der Vergangenheit in den Schatten stellt. Seit Ausbruch des Krieges ist der mögliche Einsatz von Atomwaffen im politischen Diskurs zur Normalität geworden.
  6. Ungeachtet der zentralen Verantwortung der USA und des Nato-Bündnisses für den Anstoß des Krieges war der russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 eine reaktionäre und verzweifelte Tat des Putin-Regimes. Es handelte im Namen der herrschenden kapitalistischen Oligarchie, die nach der Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 an die Macht kam.
  7. Das Bestreben des Putin-Regimes, den Krieg durch die Beschwörung des reaktionären Erbes des Zarismus und des neostalinistischen nationalen Chauvinismus zu rechtfertigen, stellt einen verachtenswerten historischen Rückschritt dar. Die Nato hätte mit ihren Provokationen keinen Erfolg gehabt, wenn das Putin-Regime nicht das Ergebnis der völligen Zurückweisung der weitsichtigen demokratischen Prinzipien wäre, auf denen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken im Jahr 1922, fünf Jahre nach der Oktoberrevolution, gegründet wurde. Die bolschewistische Regierung unter der Führung von Lenin und Trotzki gründete die UdSSR als freiwilligen Zusammenschluss und war ihrer Verfassung nach der demokratischen Gleichstellung aller nationalen und ethnischen Gruppen verpflichtet. Die bewusste Förderung von nationalem Chauvinismus in Russland – der in der Ukraine sein offen faschistisches Pendant findet – schuf die ideologischen Voraussetzungen für den brudermörderischen Konflikt zwischen den Massen beider geschundener Länder.
  8. Betrachtet man den US-Nato-Krieg in der Ukraine in seinem grundlegenden historischen Zusammenhang, so beweist er erneut die Notwendigkeit, den Kapitalismus und das Nationalstaatensystem zu beseitigen, in das er eingebettet ist. Tatsächlich äußert sich im Krieg gerade die fatale Unvereinbarkeit des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln und der Aufteilung der Welt in feindliche Nationalstaaten mit der weiteren Entwicklung – und sogar dem Überleben – der Menschheit.
  9. Aus all diesen vorherigen Aspekten ergibt sich schließlich die Folgerung: Der Kampf gegen den Krieg erfolgt durch die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse und die Beendigung der kapitalistischen Herrschaft durch die sozialistische Weltrevolution.
  10. Um diese welthistorische Aufgabe zu erfüllen, ist es notwendig, innerhalb der Arbeiterklasse eine neue revolutionäre Partei aufzubauen. Die Arbeit an dieser Aufgabe muss jedoch nicht bei Null beginnen. Die Grundlagen der revolutionären Partei sind bereits in der von Trotzki gegründeten Vierten Internationale vorhanden, die heute vom Internationalen Komitee geführt wird. Seine Arbeit beruht auf der immensen historischen Erfahrung der trotzkistischen Bewegung, die ein ganzes Jahrhundert umfasst.

Auf der heutigen internationalen Kundgebung haben wir die Perspektive und das Programm der sozialistischen Revolution und der Machteroberung der Arbeiterklasse vorgetragen. Doch sie richtete sich in erster Linie an die Jugend der Welt. Dies steht nicht im Widerspruch zu unserem Programm. Es handelt sich vielmehr um ein wesentliches und unverzichtbares Element der Perspektive des Weltsozialismus. Die Jugend kann die Welt nicht ohne das mächtige und gesellschaftlich entscheidende Handeln der Arbeiterklasse verändern. Doch ohne die Kampfkraft, den Enthusiasmus und den Idealismus junger Menschen hat es nie eine echte revolutionäre Bewegung gegeben und kann es sie auch nicht geben.

Die Weltbevölkerung hat jüngst den Meilenstein von acht Milliarden Menschen überschritten. Die große Mehrheit dieser Milliarden sind junge Menschen, die meisten von ihnen im Teenageralter und ihren Zwanzigern. Was hat ihnen der Kapitalismus zu bieten außer Ausbeutung, Armut, Krankheit, Faschismus und Krieg?

Viele Redner haben heute erklärt, dass die Jugend für ihre Zukunft kämpfen muss. Das ist im buchstäblichen Sinne wahr. Denn Krieg, Pandemie und Klimawandel bedeuten die völlige Negierung des Rechts auf eine Zukunft. Ohne Leben gibt es keine Zukunft.

Doch um der Jugend das Recht auf eine Zukunft zu nehmen, muss die herrschende Klasse sie zunächst ihrer Hoffnung berauben. Das heißt, die kapitalistischen Eliten, die die Regierungen und die Medien kontrollieren, tun alles in ihrer Macht Stehende, um Jugendliche davon zu überzeugen, dass sie nichts tun können, um die Welt zu verändern – dass die heute bestehenden Ungerechtigkeiten für immer bestehen werden, die Ursachen des menschlichen Elends in der Natur des Menschen und seiner mystischen Psyche selbst liegen und nicht in den wirtschaftlichen Interessen und Beziehungen, die den Lauf der Gesellschaft eigentlich bestimmen.

Die Gegner der trotzkistischen Bewegung und der International Youth and Students for Social Equality – insbesondere unter den pseudolinken Parteien und Organisationen aus der wohlhabenden Mittelschicht – werden behaupten, dass die IYSSE ihre Arbeit auf einem zu hohen theoretischen Niveau durchführen. Es sei besser, sich auf radikal klingende Phrasen und Slogans ohne komplexe historische Bezüge zu beschränken.

Wir weisen derartige Kritik, die von Zynismus und einer unausgesprochenen, aber reaktionären Agenda motiviert ist, mit Verachtung zurück.

Wenn die Jugend die Welt verändern will, muss sie sie verstehen. Im Jahr 1924, vor fast einem Jahrhundert, schrieb Leo Trotzki in einem Aufsatz mit dem Titel „Junge Leute, studiert die Politik“ Folgendes:

Junge Menschen leben in der Gesellschaft, sie werden in bestimmte Verhältnisse hineingeboren, sie treten unter bestimmten historischen Umständen in die Arena des Lebens ein – und je früher diese jungen Menschen ihre Augen für die Welt um sie herum öffnen, je besser und tiefer sie die Verhältnisse begreifen, in denen sie leben, desto leichter wird ihnen der Weg durchs Leben fallen.

Diese Worte gelten auch heute uneingeschränkt. Die Welt von ihrer gegenwärtigen reaktionären Entwicklung auf den Weg des Sozialismus zu bringen, ist ein gewaltiges historisches Unterfangen. Dies zu erreichen erfordert ein ernsthaftes Studium der Politik – und zwar einer Politik, die auf der marxistisch-materialistischen Geschichtsauffassung beruht, denn sie ermöglicht eine wissenschaftliche Untersuchung der Gesetze, die das kapitalistische System und den Klassenkampf bestimmen.

Aus Angst vor der revolutionären Aufklärung der Jugend tut die herrschende Klasse alles in ihrer Macht Stehende, um junge Menschen von jeglichem Kontakt mit dem Marxismus und Trotzkismus fernzuhalten. Sie fördert Unkenntnis gegenüber der Geschichte, Feindseligkeit gegenüber der Wissenschaft, Verachtung für die objektive Wahrheit und zahllose Formen kultureller Rückständigkeit. Sie weiß sehr wohl, dass die Verherrlichung des imperialistischen Militarismus durch gesellschaftskritisches Denken unterminiert wird. Die Jugend auf Kanonenfutter für imperialistische Kriege herabzuwürdigen erfordert blinden Gehorsam, getreu dem alten militaristischen Grundsatz: „Ihr sollt nicht denken, sondern gehorchen und sterben.“

Die International Youth and Students for Social Equality sind jedoch entschlossen, jungen Menschen die politische Ausbildung zu vermitteln, die sie im Kampf für ihre Zukunft und die Zukunft der arbeitenden Bevölkerung auf der ganzen Welt benötigen.

Zum Abschluss dieser Kundgebung rufen wir euch auf: Trefft die Entscheidung, den IYSSE beizutreten, baut eine Massenbewegung für die Beendigung des Ukrainekrieges auf und nehmt den Kampf für die sozialistische Weltrevolution auf.

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