Rede zur IYSSE-Kundgebung gegen Krieg, 10. Dezember 2022

Um für die Zukunft zu kämpfen, müssen wir für den Sozialismus kämpfen!

Dies sind die einleitenden Bemerkungen von Gregor Link zur Kundgebung vom 10. Dezember „Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine“, die von der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) organisiert wurde. Link ist Mitglied der IYSSE in Deutschland. Informationen dazu, wie ihr bei den IYSSE mitmachen könnt, findet ihr unter iysse.de.

Willkommen zur internationalen Online-Kundgebung der International Youth and Students for Social Equality „Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine“.

Mein Name ist Gregor Link, ich bin Mitglied der IYSSE in Deutschland. Die IYSSE ist die Jugendbewegung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, der trotzkistischen Partei der sozialistischen Weltrevolution.

Gregor Link | Einleitung der IYSSE-Kundgebung gegen Krieg

Ziel dieser Kundgebung ist es, Jugendliche und arbeitende Menschen auf der ganzen Welt gegen den Krieg in der Ukraine zu vereinen, der zu einem dritten Weltkrieg zu eskalieren droht. Das Aufeinandertreffen des imperialistischen Militarismus der Nato, die ihre globale geopolitische Agenda ohne Rücksicht auf Verluste vorantreibt, und der zunehmenden Verzweiflung des kapitalistischen Oligarchenregimes in Russland droht zu einem nuklearen Weltenbrand zu eskalieren. Die in dieser Woche erfolgten Drohnenangriffe auf zwei russische Luftwaffenstützpunkte stellen eine weitere schlimme Eskalation dar.

Der Stellvertreterkrieg, den USA und Nato in der Ukraine führen, muss sofort gestoppt werden, bevor er zu einer globalen Katastrophe führt, die das Ende der menschlichen Zivilisation bedeuten würde.

Das bekannte Sprichwort: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“ bestätigt sich gerade. Jeder Aspekt dieses Krieges, wie er von den Nato-Mächten und den von ihnen kontrollierten Medien gerechtfertigt wird, beruht auf Lügen. Es findet keinerlei Auseinandersetzung mit den historischen Ursprüngen des Krieges statt, geschweige denn mit den geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Regierungen, die ihn führen. Die Nachrichten bestehen aus nichts als Propaganda.

Unsere Kundgebung wird erklären, wie der Krieg in der Ukraine vorbereitet und begonnen wurde. Führende internationale Mitglieder der IYSSE werden die Wurzeln des sich entfaltenden Konflikts aufdecken. Sie werden die gesellschaftlichen Kräfte bloßlegen, die für ihn verantwortlich sind, und die politischen und wirtschaftlichen Motive, die der ständigen Eskalation zugrunde liegen. Referenten aus der ganzen Welt werden für Jugendliche und Arbeiter eine vereinte sozialistische Perspektive ausarbeiten, um gegen Krieg zu kämpfen. Sie werden sich dabei auf die Lehren der Geschichte und das gesamte Erbe des revolutionären Internationalismus stützen.

Standpunkt dieser Kundgebung ist bedingungslose Opposition gegen alle Regierungen, die diesen Krieg führen. Die Tatsache, dass die IYSSE aufdecken, wie der amerikanische Imperialismus diesen Krieg angezettelt hat, schmälert nicht unsere Opposition gegen die russische Invasion der Ukraine, die von der Putin-Regierung nicht zur Verteidigung der russischen Arbeiterklasse, sondern im Interesse der Oligarchen des Landes geführt wird.

Wir verurteilen die mutwillige Tötung ukrainischer Zivilisten, die nicht für die kriminelle Politik der Kiewer Regierung und ihrer Nato-Hintermänner verantwortlich sind. Wenn das Putin-Regime an den russischen Nationalismus appelliert, so weisen wir dies als Wiederbelebung einer reaktionären Ideologie zurück, die von der Arbeiterklasse bereits verworfen wurde, als sie in der sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 den Kapitalismus stürzte.

Die Opposition der IYSSE gegen die russische Invasion der Ukraine kommt daher von der sozialistischen Linken, nicht von der imperialistischen Rechten.

Ziel dieser Kundgebung ist es, euch das nötige Verständnis zu vermitteln, um eine Bewegung gegen den Krieg aufzubauen, dem Sterben ein Ende zu setzen und die Eskalation des Konflikts zu einem atomaren dritten Weltkrieg zu verhindern. Es geht um nichts weniger als den Fortbestand des Planeten und die Zukunft der jungen Generation.

Die zentrale Botschaft dieser Kundgebung ist, dass der Krieg nicht durch Appelle an die herrschenden Kapitalistenklassen gestoppt werden kann. Die Nato will keinen Frieden. Sie will Krieg. Die imperialistischen Mächte, die den Konflikt durch die jahrzehntelange Expansion der Nato in Richtung der russischen Grenzen und die massive Aufrüstung ihres korrupten Satellitenregimes in Kiew bewusst provoziert haben, sind entschlossen, die Fehlkalkulation des Kremls samt seiner politisch reaktionären und katastrophalen Invasion der Ukraine bis zum Äußersten auszunutzen.

Die Propaganda, wonach der Krieg für Freiheit und Menschenrechte geführt wird – eine Behauptung, die von den gehorsamen kapitalistischen Medien endlos wiederholt wird – ist ein Haufen Lügen. Die USA und die Nato scheren sich kein bisschen um das Leben der Arbeiter und Jugendlichen in der Ukraine und betrachten sie als bloße Bauernopfer in ihrem mörderischen Stellvertreterkrieg gegen den Kreml.

Das Ziel des amerikanischen Imperialismus ist die Zerschlagung und Unterwerfung Russlands, der ungehinderte Zugang zu den riesigen strategischen Ressourcen des Landes und damit die entscheidende Kontrolle über die eurasische Landmasse. Nach 30 Jahren US-geführter Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien – Kriege, die Millionen Menschen das Leben gekostet und Dutzende Millionen vertrieben haben – nehmen die Wall Street und des Pentagon zunehmend die strategischen Rivalen der USA ins Visier. In den Augen von Washingtons Kriegsplanern ist das Gemetzel in der Ukraine lediglich das Vorspiel für einen Krieg gegen China und künftige „Großmachtkonflikte“.

Die europäischen Mächte verfolgen aggressiv ihre eigenen imperialistischen Pläne. Ebenso wie die USA und Kanada haben sie alle Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sabotiert, lehnen jeden Waffenstillstand ab und treiben den Krieg aktiv voran. Sie planen, die Ukraine unter den Einfluss von EU und Nato zu bringen, und zeigen dabei völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der ukrainischen Bevölkerung. Die deutsche Regierung nutzt den Krieg, um die größte Aufrüstungskampagne seit Hitler einzuleiten – etwas, das sie lange vorbereitet hat – und strebt an, Europas größte Militärmacht zu werden. Achtzig Jahre nach dem Vernichtungskrieg der Nazis gegen die Sowjetunion schickt der deutsche Imperialismus im Krieg gegen Russland erneut Panzer in die Ukraine.

Die deutsche herrschende Klasse ist im 20. Jahrhundert zweimal in die Ukraine eingefallen und hat Millionen ihrer Bürger ermordet. Insgesamt brachte der völkermörderische Feldzug der faschistischen Armeen Nazideutschlands 27 Millionen Bürgern der Sowjetunion und mehr als sechs Millionen Juden den Tod. Die aktuelle Kriegskampagne steht in dieser Tradition – die Kämpfe finden teilweise an den gleichen Orten statt wie damals. Gemeinsam mit seinen amerikanischen, kanadischen und britischen Verbündeten bewaffnet Berlin in der Ukraine die politischen Erben der Wehrmacht-Kollaborateure und verbindet dies mit einer atemberaubenden Kampagne zur Verharmlosung der Nazi-Verbrechen.

Die herrschenden Klassen Europas sind entschlossen, ihre Territorien, Marktanteile und ihren globalen Einfluss zu vergrößern, was die Spannungen zwischen den Nato-Mächten selbst weiter verschärft. Vom Baltikum bis zum östlichen Mittelmeer bricht die interimperialistische Rivalität, die zu zwei Weltkriegen geführt hat, wieder auf – in Europa und auf der ganzen Welt.

In unserer Erklärung erinnern wir daran, dass die kapitalistischen Oligarchen im 20. Jahrhundert zweimal klar gemacht haben, dass sie bereit sind, für ihre Profite Millionen Menschen zu opfern. In weiten Teilen der Welt wurden die Menschen Zeugen einer Barbarei, wie es sie in der Geschichte noch nie gegeben hatte. Wir schreiben:

Der Erste Weltkrieg brach 1914 aus und sollte mehr als 20 Millionen Menschen das Leben kosten. Der Imperialismus brachte das Grauen der Schützengräben und der Giftgasangriffe über die Welt und schuf mörderische technische Neuerungen wie Luftangriffe, torpedobewaffnete U-Boote und Panzer.

Doch die Schrecken dieses globalen Konflikts erwiesen sich lediglich als Vorspiel für die Barbarei des Zweiten Weltkriegs, der 1939 – nur 21 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – begann. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Massenvernichtung der Zivilbevölkerung zur offiziellen und bewussten Politik. Dazu gehörten der industrialisierte Völkermord des Holocaust, die Brandbombenangriffe auf Großstädte (...) und schließlich der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki durch die Vereinigten Staaten. Das Ausmaß des Massensterbens überstieg nahezu jede Vorstellungskraft.

Ein dritter Weltkrieg – der sich rasch entwickelt – würde mit hochentwickelten Atomwaffen geführt werden und nicht Millionen, sondern Milliarden Menschenleben kosten. Er würde jeden bestehenden Konflikt unmittelbar entzünden und alle Länder der Erde umfassen. Megastädte wie Shanghai, New York, Berlin und Moskau würden innerhalb von Minuten ausgelöscht. In unserer Erklärung warnten wir:

Wer glaubt, dass die herrschende Klasse davor zurückschreckt, zur Durchsetzung ihrer geopolitischen Interessen Dutzende Millionen Menschenleben zu opfern, muss sich nur die Erfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre anschauen. Als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie lehnte die Konzern- und Finanzoligarchie die elementarsten öffentlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ab, weil diese den Profit beeinträchtigten. Infolgedessen starben mehr als 20 Millionen Menschen.

Diese kapitalistische Massenmord-Politik, die der Treibstoff der Pandemie war, wird nun in fast unvorstellbare Höhen getrieben. Nachdem die Nato-Mächte und ihre Verbündeten es für notwendig erklärt haben, „mit einem Virus zu leben“, das Millionen Menschen tötet, bestehen sie nun darauf, dass sie sich nicht „einschüchtern“ lassen werden von der Aussicht auf einen Atomkrieg, der Milliarden von Menschen töten würde.

Spitzenpersönlichkeiten der Nato wie US-General a.D. Ben Hodges erklären offen, dass die weitere Eskalation des Krieges auf den „totalen Zusammenbruch der russischen Föderation“ hinausläuft – d.h. auf das gewaltsame Auseinanderbrechen des Landes mit dem weltweit größten Atomwaffenarsenal.

Diese Gefahr auszusprechen bedeutet jedoch keinerlei Anpassung an das Putin-Regime. Wie ich bereits erklärt habe, lehnen wir die russische Militärintervention, die den Krieg weiter verschärft und keinerlei fortschrittlichen Charakter hat, unzweideutig ab. Der militärische Einmarsch des Kremls geschieht im Interesse der kapitalistischen Oligarchie in Russland. Ein Genosse aus Russland wird zu dieser Frage ausführlicher sprechen.

Als der große Sozialist und Revolutionär Leo Trotzki im Jahr 1934 die Lehren aus dem monumentalen Verrat der Zweiten und Dritten Internationale zog, die den imperialistischen Sturz in den Ersten und Zweiten Weltkrieg ermöglichten, schrieb er: „Sollen die Völker leben, muss das Haus des Nationalstaats bis auf den Grund niedergerissen werden.“ Er fuhr fort:

Ein „Sozialist“, der die nationale Verteidigung predigt, ist ein kleinbürgerlicher Reaktionär im Dienste des niedergehenden Kapitalismus. Sich im Kriege nicht an den Nationalstaat zu binden, nicht der Logik des Krieges zu folgen, sondern sich von den Prinzipien des Klassenkampfs leiten zu lassen – das vermag nur eine Partei, die dem Nationalstaat schon in Friedenszeiten kompromisslos den Krieg erklärt hat. Nur wenn sie die objektiv reaktionäre Rolle des imperialistischen Staates wirklich begreift, kann sich die proletarische Avantgarde gegen alle Arten von Sozialpatriotismus immunisieren. Das heißt: Ein wirklicher Bruch mit der Ideologie und der Politik der „nationalen Verteidigung“ ist nur unter dem Gesichtspunkt der internationalen proletarischen Revolution möglich. 

Dies ist die internationalistische, sozialistische Perspektive der IYSSE und des IKVI, für die jetzt gekämpft werden muss. Die Sozialistische Gleichheitspartei stellt diesen Kampf in den Mittelpunkt ihres kommenden Wahlkampfes in Berlin, der Welthauptstadt imperialistischer Verbrechen. Wir stützen uns auf die Tradition des revolutionären sozialistischen Internationalismus, die Tradition von Luxemburg und Liebknecht, von Lenin und Trotzki.

Die einzige Kraft, die den dritten Weltkrieg verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse – die breite Masse der Menschen auf diesem Planeten, die zunehmend in Kämpfe eintritt. Ohne das unabhängige Eingreifen dieser mächtigsten gesellschaftlichen Kraft wird dieser Krieg weitergehen und immer schlimmer werden. Die herrschende Klasse wird ihn nicht beenden – sie hat ihre Entscheidung getroffen. Wir müssen ihm ein Ende setzen, weil die Zukunft der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht. In unserer Erklärung schreiben wir:

Vor vierhundert Jahren stellte Shakespeare in Hamlet die grundlegende existenzielle Frage: „Sein oder nicht sein?“ In der heutigen Welt stellt sich diese Frage nicht als philosophische Spekulation, sondern als die größte politische Herausforderung, der sich die Menschheit stellen muss. Neben der Gefahr eines Atomkriegs bedrohen der Klimawandel und künftige Pandemien in den nächsten Jahrzehnten das Leben von Hunderten Millionen Menschen. Die Arbeiterklasse muss dem Kapitalismus ein Ende setzen, bevor der Kapitalismus der Welt ein Ende setzt.

Dies sind die fundamentalen Fragen, vor denen unsere Generation steht. Die IYSSE rufen Jugendliche in allen Ländern auf, sich der Arbeiterklasse zuzuwenden und diese internationale Antikriegsbewegung in allen Fabriken, an allen Arbeitsplätzen, Schulen und Universitäten aufzubauen.

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