Bis am Dienstag kam es in den USA durch eisige Temperaturen und massive Schneefälle zu mindestens 57 Todesfällen. Da die Temperaturen tagelang weit unter dem Gefrierpunkt lagen und viele Menschen, die in ihren zugeschneiten Autos festsaßen, nicht erreicht werden konnten, wird die Zahl der Erfrorenen voraussichtlich noch steigen.
Der Wintersturm hat seit letzten Freitag ein Gebiet mit mehr als 200 Millionen Einwohnern betroffen, das sich von Maine im Nordosten bis hinunter zum Golf von Mexiko und im Westen bis zu den Rocky Mountains erstreckt. Mehr als 1,7 Millionen Menschen hatten zeitweise keinen Strom mehr.
In Buffalo (Bundesstaat New York) wütete einer der schlimmsten Winterstürme aller Zeiten, und mindestens 27 Menschen kamen dort ums Leben. Der dortige Flughafen meldete am Montag mehr als einen Meter Schnee, und bis Dienstag kamen weitere 20 bis 30 Zentimeter hinzu.
Wind von der Stärke eines Hurrikans führte für Tausende zu massiven Stromausfällen und extrem schlechten Sichtverhältnissen („Whiteout“), so dass auch die Rettungskräfte nicht durchkamen und viele Hilfesuchende sich selbst überlassen waren.
Viele Todesopfer saßen in ihren Autos oder Häusern fest, in denen es keinerlei Heizung mehr gab. Eine Person wurde tot in einer Schneewehe entdeckt, und mehrere brachen beim Schneeschaufeln tot zusammen. Mindestens zwei Menschen starben aufgrund medizinischer Notfälle, weil die Rettungskräfte nicht zu ihnen durchkamen.
William Clay wurde am Heiligabend mit dem Gesicht nach unten im Schnee liegend gefunden. Verwandte erklärten, es sei sein 56. Geburtstag gewesen; er habe möglicherweise in einem nahegelegenen Supermarkt einkaufen wollen.
Menschen baten in Social-Media-Posts verzweifelt um Hilfe, um Lebensmittel und in einem Fall auch um Windeln.
Beispielhaft für die unorganisierte Reaktion des kapitalistischen Systems auf die extremen, aber vorhersehbaren Stürme waren die Facebook-Kommentare eines verzweifelten Nutzers aus dem Westen von New York: „Weiß jemand etwas Neues, wann die Leute im Raum Parkside wieder Strom haben werden? Meine Familie, einschließlich meiner 94-jährigen Großmutter, lebt in dem kleineren Stadtviertel neben dem Medaille College, und seit Freitagmorgen haben sie keinen Strom mehr. Die Stromnetz-Karten sind völlig fehlerhaft, und bisher ist hier niemand von der Instandsetzung aufgetaucht. Es wurde kein Schnee geräumt, sodass niemand rein oder raus kann. Sie haben die Notfallnummer 858 gewählt, aber bisher ohne Ergebnis.“
In einem weiteren Hilferuf hieß es, der Brennstoff für das Anzünden der Kerzen gehe zur Neige und die Handys seien fast leer: „Kann jemand nahe Rhode Island meiner Familie helfen? Seit über 24 Stunden funktionieren Strom und Heizung nicht, wir können nur sehr begrenzt Essen zubereiten. Unsere Telefone stehen kurz vor dem Aus, und wir haben nichts mehr für Notfälle. Wir haben kaum noch Butan für unser Feuerzeug, um Kerzen anzuzünden! Wer helfen kann, melde sich bitte. Danke – wir frieren.“
Ein anderer schrieb am Montag um 10 Uhr morgens: „In der Minnesota Avenue 120 haben wir seit 72 Stunden keinen Strom und keine Heizung. Ein Bewohner soll gestorben sein. Ich konnte mit meiner Familie rauskommen, aber die anderen Bewohner sind nicht in der Lage, das Haus zu verlassen und durch den Schnee zu gehen. Viele sind alt und können nicht mehr laufen. Wir müssen schnellstmöglich Schneemobile zur Minnesota Avenue 120 schicken. Ein Nachbar sitzt im dritten Stock fest und kann nicht ohne Hilfe die Treppe runtergehen. Wir haben per SMS mit ihm kommuniziert, er ist mittlerweile verwirrt und sagt, er werde sterben. Wer ein Schneemobil hat, soll uns bitte helfen, ich bezahle dafür!“
Später berichteten sie, dass sie evakuiert worden seien.
In dieser Saison ist es bereits das zweite Mal, dass der Westen New Yorks unter Schnee begraben wurde. Im November fielen während eines gewaltigen Sturms 1,52 Meter Schnee, was für die Region ein Rekord war.
Der jüngste Sturm hat zwar etwas weniger Schnee gebracht, aber wegen der extrem starken Winde und seines deutlich größeren Ausmaßes hatte er viel schwerwiegendere Auswirkungen.
Laut den Behörden gibt es in Buffalo jede Nacht zwischen 2.500 und 4.000 Menschen, die obdachlos sind und entweder bei Bekannten, in Notunterkünften oder auf der Straße übernachten. Sie sind den tödlichen Auswirkungen des Winterwetters am stärksten ausgesetzt und laufen am meisten Gefahr, zu erfrieren.
Maruce, der in der Obdachlosenunterkunft Faith Based Fellowship in der Nähe des Stadtzentrums von Buffalo arbeitet, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site, sie seien völlig ausgebucht und müssten Hilfesuchende an eine Hotline des Sozialdienstes verweisen: „Wir sind alle eingeschneit, alle sind im Haus, schön und warm. Wir haben in den letzten Tagen viele Anrufe bekommen, wir sind voll. Ich verweise sie an die 211, die bringen sie dann woanders unter.
Es ist schwer. Sie rufen an und wir wissen, dass sie in Not sind, aber wir können ihnen nicht helfen. Irgendwo findet sich Hilfe, und ich tue, was ich kann.“
Die Obdachlosigkeit und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sind in Buffalo wie auch im Rest des Landes ein großes Problem.
Maruce wies darauf hin, dass die Stadt viele leerstehende Immobilien besitze, die sie zu Unterkünften für Obdachlose renovieren könnte: „Es gibt einige seit Jahren leer stehende Wohnprojekte, die für die Obdachlosen hergerichtet werden könnten.“
Maruce verwies darauf, dass im ganzen Land nicht genug für die Obdachlosen getan werde. Mit Blick auf eine aktuelle Entscheidung des Staats Kalifornien erklärte er: „Obdachlosencamps zu verbieten ist keine Lösung. Wo sollen sie denn hin? Man versucht damit nur, sie woanders hinzuverfrachten.“
Der Direktor der Notunterkunft, Thomas Green, erklärte, Wohnraum sei für viele Menschen, die sich die Miete nicht leisten könnten, unbezahlbar geworden, und die Corona-Pandemie habe das Problem der Obdachlosigkeit deutlich verschlimmert.
„Wir sehen, dass die Obdachlosigkeit zugenommen hat. Viele haben ihre Arbeitsplätze verloren, viele Kleinunternehmer mussten schließen, die kleineren Geschäfte konnten sich nicht halten. Außerdem sind Leute krank geworden und ins Krankenhaus gekommen; sie haben ihre Arbeitsplätze verloren und konnten ihren Lebensstandard nicht halten. Viele mussten ihre Häuser verlassen, als das Moratorium für Zwangsräumungen beendet wurde.“
Green fügte hinzu, dass auch schon während des Moratoriums „viele ihre Wohnung verloren haben, wenn sie für längere Zeit ins Krankenhaus mussten oder nicht die notwendige psychologische Unterstützung erhielten“.
Am Samstag blieben in Buffalo fast alle Feuerwehrfahrzeuge im Schnee stecken. Von den überlasteten Beschäftigten des Gesundheitswesens und der Notdienste, die bereits durch drei Jahre Pandemie erschöpft sind, werden erneut Opfer zur Bewältigung der Krise verlangt. Ein Krankenpfleger von Buffalo schrieb in einem sozialen Netzwerk, sie hätten 48 Stunden durchgearbeitet. Er flehte darum, dass jemand ins Krankenhaus komme, um ihn abzulösen.
Die derzeitige Kälte und der Sturm werden von einer massiven Kaltluftfront verursacht, die sich von der Arktis über Kanada und nach Süden bis nach Texas erstreckt.
Das Ausmaß und die Schwere des Sturms sind weitere Ergebnisse der Erderwärmung. Wissenschaftler erklären, dass die sich erwärmende Atmosphäre mehr Wasserdampf speichern könne, der wiederum die Stürme anheize und für mehr Schnee und Eis sorge.
Die Erwärmung in der Arktis schwächt den von Westen nach Osten verlaufenden Jetstream ab, der in der Regel als Barriere für die kältere arktische Luft auf dem Weg nach Süden dient.
Wenn sich die Welt weiter erwärmt, wird es solche Stürme häufiger geben, und sie werden stärker werden.
Der Sturm hat im ganzen Land zu tödlichen Bedingungen geführt. Von Freitag bis Sonntag herrschten in weiten Teilen des Landes eisige Temperaturen. Selbst in so weit südlichen Gegenden wie Louisiana, Alabama und Texas gab es Temperaturen im einstelligen Bereich oder sie sanken unter den Gefrierpunkt.
Eine Mutter aus Georgia schrieb auf Twitter, die Temperatur sei am Montagabend auf -8,3 Grad gesunken, und sie hätten keinen Strom. Weil ihr vierjähriger Sohn auf ein Beatmungsgerät angewiesen sei, müssten sie ihn ins Krankenhaus bringen.
Überall hatten besonders die Obdachlosen schwer unter dem schnellen Temperatursturz zu leiden.
In Pittsburgh (Pennsylvania) fielen die Temperaturen von -2,2 Grad am Freitagmorgen um 5:30 Uhr innerhalb von nur vier Stunden auf -18,9 Grad und mit dem Windchill (Frostwind) auf -32 Grad.
Terry, ein Obdachloser, der oft in der Innenstadt von Pittsburgh bettelt, erklärte, er werde jeweils um 7 Uhr morgens in der Innenstadt zum Betteln abgesetzt. Abgeholt werde er erst wieder um 19 Uhr abends. Er schilderte, welche Bedingungen für Leute wie ihn herrschten: „Es wurde sehr schnell sehr kalt. Wir hatten keinen Ort, wo wir hinkonnten. Wir konnten nirgendwo hingehen, wir bekamen ein paar Dollar und konnten vielleicht in einem 7-11-Laden einen Kaffee kaufen. Aber dort wollten sie nicht, dass man herumsteht.“
Der Bürgermeister von Pittsburgh, Ed Gainley, der versprochen hatte, etwas gegen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die Obdachlosigkeit zu unternehmen, hat vor kurzem eine Unterkunft mit 122 Betten eingeweiht; aber sie ist schon voll belegt. Gleichzeitig hat er Obdachlosenlager unter Überführungen und Brücken räumen lassen, damit das Problem weniger sichtbar ist.
Wasser ist im Süden für viele Menschen ein großes Problem geworden, da bei den eisigen Temperaturen ungeschützte Leitungen platzen.
In Jackson (Mississippi) müssen die Bewohner ihr Trinkwasser abkochen, da die Wasserleitungen bei den eisigen Temperaturen geplatzt sind. Anfang des Jahres hatten die Bewohner wochenlang kein Wasser, weil das Leitungssystem so marode ist.
Laut Associated Press (AP) hatten Teile der Einwohner von Shreveport (Louisiana) am Montag kein Wasser. In Selma (Alabama) hat der Bürgermeister den Notstand ausgerufen, weil die Stadt befürchtet, dass ihr das Wasser ausgeht.
Die Mitarbeiter einer Lebensmitteltafel in South Carsolina versuchen, Lebensmittel im Wert von einer Million Dollar zu retten, nachdem am Wochenende die Wasserleitungen eingefroren und geplatzt sind. Laut AP sind die Notfallzentralen in ganz Atlanta mit Anrufen wegen geplatzter Rohre überlastet.