Macrons Angriff auf die Renten schafft Voraussetzungen für Showdown mit der französischen Arbeiterklasse

Am 10. Januar kündigte die französische Premierministerin Elisabeth Borne Pläne für umfassende Kürzungen der staatlichen Renten an. Mit dem Gesetzesentwurf, der die Erhöhung des offiziellen Rentenalters um zwei Jahre vorsieht, nimmt Präsident Emmanuel Macron seine Rentenkürzungspläne wieder auf, die er 2019-2020 nicht durchpeitschen konnte.

Macrons Angriff auf die französischen Arbeiter ist Teil einer globalen Offensive gegen die Arbeiterklasse, deren Ziel es ist, den Arbeitern die Kosten der Krise des Kapitalismus aufzubürden. Die großen Wirtschaftszeitungen in Großbritannien und den USA veröffentlichten begeisterte Leitartikel über Macrons Plan.

Demonstranten in Lyon am 16. Januar 2020 (AP Photo/Laurent Cipriani)

Da eine eindeutige Mehrheit von 68 Prozent der französischen Bevölkerung die Rentenkürzung ablehnte, musste Macron 2019/20 von dem Plan abrücken. Er und das Parlament saßen einen sechswöchigen Eisenbahnerstreik aus und verabschiedeten die Reform nach dem Ende Streiks. Allerdings musste Macron die Reform im Frühjahr 2020 abbrechen, obwohl sie im Parlament bereits bewilligt wurde, da Massenstreiks in Italien, Frankreich und ganz Europa gegen die staatliche Untätigkeit gegenüber Covid-19 ihn dazu zwangen, die Forderungen der Ärzte nach einem strengen Lockdown zu beachten.

Dass der ehemalige Investmentbanker Macron, der auch als „Präsident der Reichen“ bekannt ist, diesen Plan wieder aufnimmt, macht deutlich, was die Finanzaristokratie für das neue Jahr plant. Ihr Vorgehen zeigt ihre unverhohlene Verachtung gegenüber den sozialen Rechten der Arbeiter. Frankreich und andere Nato-Staaten investieren rücksichtslos Milliarden Euro in die Entsendung von Panzern und Artillerie in die Ukraine, um Krieg gegen Russland zu führen, womit sie einen allumfassenden dritten Weltkrieg riskieren. Den Krieg wollen sie durch die Senkung des Lebensstandards der Arbeiter finanzieren.

Borne kündigte mehrere große Angriffe auf das Rentensystem an, das von 1945 bis 1946 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Untergang des Naz-Kollaborationsregimes von Vichy errichtet worden war:

  • Erhöhung der Beitragsjahre für eine volle Rente auf 43 Jahre, d.h. um ein volles Jahr.
  • Erhöhung des Mindestalters für eine vollständige Rente um zwei Jahre auf 64.
  • Die Abschaffung von gesonderten Altersvorsorgen, die bestimmten Beschäftigten im öffentlichen Dienst bessere Bedingungen bieten.
  • „Pensionierten“ Arbeitern soll bei der Arbeitssuche geholfen werden, damit sie ihre unzureichenden Renten aufstocken können.

Die Erhöhung der Beitragsjahre und des Mindestalters für Pensionierungen ermöglichen es dem Staat, die Rentenausgaben zu kürzen. Große Teile der körperlich Arbeitenden sind zu ausgelaugt, um noch bis 64 arbeiten zu können. Arbeiter, die sich eine höhere Bildung angeeignet haben oder eine Zeitlang arbeitslos waren, müssen deutlich länger als bis 64 arbeiten, wenn sie 43 Jahre einzahlen müssen. Der französische Staat kann ihnen so empfindliche Strafen aufbürden, indem er bis zu fünf Prozent weniger Rente für jedes fehlende Beitragsjahr und für jedes Rentenjahr vor dem 64. Lebensjahr auszahlt.

Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, durch die Reform würden bis 2030 Rentenzahlungen im Gesamtwert von 17,7 Milliarden Euro eingespart werden, d.h. etwa 1.000 Euro pro Rentner pro Jahr. Das sind mehr als fünf Prozent der Gesamtausgaben Frankreichs für Renten im Jahr 2020 von 332 Milliarden Euro.

Bornes Forderung, Rentnern bei der Arbeitssuche zu helfen, um ihre Renten aufzustocken, heißt nichts anderes, als dass die Finanzaristokratie das soziale Recht auf eine staatliche Rente, von der man leben kann, ganz und gar abschaffen will. Schon im Jahr 2019 mussten 400.000 Rentner in Frankreich arbeiten, um ihre staatlichen Renten von nur 772 Euro pro Monat zu ergänzen.

Die von Macron und Borne geplanten Rentenkürzungen sind so unpopulär, dass noch nicht klar ist, ob sie es durch die Nationalversammlung schaffen, in der Macrons Partei Renaissance nur 170 der 577 Sitze kontrolliert. In vielen Berichten war von einem Deal zwischen Macron und den rechten Republicains (LR) zur Unterstützung der Kürzungen die Rede. Allerdings bestehen angesichts der Tatsache, dass Macron die Kürzungen 2020 zurückgenommen hat, noch immer Bedenken, dass Teile der LR ihm in letzter Minute die Unterstützung entziehen könnten.

Deshalb wendet Borne einen zynischen und undemokratischen Trick an. Sie will die Kürzung in das Gesetz zur Finanzierung von Engpässen bei den Sozialausgaben einarbeiten. Auf diese Weise kann sie eine uralte Regelung der französischen Verfassung nutzen, die es dem Präsidenten erlaubt, den Sozialetat nur mit Unterstützung des französischen Senats durchzusetzen. Dieses wird nicht durch allgemeine Wahlen, sondern durch 150.000 Abgeordnete und Lokalpolitiker bestimmt, und die LR stellen darin die Mehrheit.

Die herrschenden Klassen in Frankreich und der Welt sind sich durchaus bewusst, dass die Macron-Regierung durch dieses Vorgehen explosive Streiks und sozialen Widerstand provozieren könnte. Letzte Woche erschien eine Umfrage von IFOP im Auftrag des Radiosenders SUD, laut der 79 Prozent der Franzosen eine soziale Explosion in den kommenden Monaten für „möglich“ halten. 52 Prozent wollen sogar, dass es zu einer solchen Explosion kommt.

Vor allem entwickeln sich, während Macron die Rentenkürzungen plant, in ganz Europa und der Welt Streiks gegen Sparpolitik, Inflation, die Durchseuchung mit Covid-19 und Krieg. Vor allem in Großbritannien gab es eine Welle von Urabstimmungen für Streiks im Transportgewerbe, unter Hafenarbeitern, im Bildungs- und Gesundheitswesen und im öffentlichen Dienst. In Deutschland und Portugal finden weiterhin Arbeitskämpfe bei Post oder Eisenbahn statt, in der Türkei in der Metallbranche. In den USA mehren sich die Streiks im Gesundheitswesen und die Forderungen nach Streiks in der Eisenbahn, der Autobranche und in anderen Schlüsselindustrien.

Macrons Kürzungen werden sich nur verhindern lassen, wenn sich der Widerstand der französischer Arbeiter und Jugendlichen mit diesem wachsenden globalen Widerstand gegen Inflation und Krieg verbindet und sich die Arbeiter in von der Gewerkschaftsbürokratie unabhängigen Aktionskomitees zu einer Bewegung gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus zusammenschließen.

Die französischen Gewerkschaftsbürokratien haben dagegen auf die von Borne angekündigten Rentenkürzungen mit einer gemeinsamen Sitzung reagiert und für den 19. Januar einen eintägigen nationalen Proteststreik angekündigt. Sie werden von Jean-Luc Mélenchons Partei Unbeugsames Frankreich unterstützt, der Bornes Rentenkürzungen auf Twitter als „schweren sozialen Rückschritt“ bezeichnete.

Der Vorsitzende der stalinistischen Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT) Philippe Martinez behauptete, die Einheit der Gewerkschaften würde die Möglichkeit zum Aufbau einer mächtigen nationalen Bewegung durch die bestehenden Bürokratien schaffen: „Die Tatsache, dass sich alle Gewerkschaftsorganisationen einig sind... wird den Gewerkschaften Bündnisse in Unternehmen, Berufen und Institutionen ermöglichen.“ Er fügte hinzu, die CGT sei „entschlossen, die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs zu verhindern.“

Die Gewerkschaft Confédération française démocratique du travail (CFDT), die historisch der kapitalistischen Parti Socialiste (PS) nahesteht, erklärte, sie habe Macron in ihrer Diskussion über die Kürzungen gewarnt, keine andere Wahl zu haben als sie abzulehnen. CFDT-Präsident Cyril Chabanier erklärte: „Wir haben gewarnt, dass wir auf die Straße gehen könnten, wenn das Rentenalter erhöht wird. Und das werden wir auch.“

Diese Perspektive nationaler Proteste unter der Kontrolle der Gewerkschaftsbürokratien ist für Jugendliche und Arbeiter, die gegen Macrons Kürzungen kämpfen wollen, nichts anderes als eine Falle. Die CGT-Bürokratie hatte bereits ihre Unterstützung für die billionenschweren Rettungsaktionen für die Superreichen zu Beginn der Corona-Pandemie erklärt, sowie für den Krieg in der Ukraine. Weltweit unterstützen die Gewerkschaftsbürokratien rechte Politik und werden jede Initiative zur Mobilisierung der Arbeiter hintertreiben, die unabhängig von ihrem korrupten „sozialen Dialog“ mit der Macron-Regierung stattfindet.

Tatsächlich reagierte Martinez im Jahr 2018 auf die Entstehung der „Gelbwesten“-Proteste für soziale Gleichheit, indem er die Bewegung als rechtsextremen Mob verurteilte, sie isolierte, indem er die von Lastwagenfahrern organisierten Solidaritätsstreiks absagte. Das Ergebnis des Verrats der CGT zeigte sich in den Jahren 2019-2020: die CGT hatte einen mächtigen sechswöchigen Eisenbahnerstreik gegen Macrons Rentenkürzungen isoliert und beendet. Sie ermöglichte Macron so, die Kürzungen zunächst in Gesetzesform zu fassen.

Die Diktatur dieser reaktionären nationalen Bürokratien über den Klassenkampf muss beendet werden. Der Widerstand gegen Sparpolitik und Krieg ist unter Arbeitern und Jugendlichen stark ausgeprägt und wächst rapide an. Doch nur durch den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees in einer Bewegung, die sich gegen die Gewerkschaftsbürokratien und ihre pseudolinken politischen Verbündeten stellt, kann diese Opposition als unabhängige und bewusste Kraft mobilisiert werden, um den sozialen Rückschritt und den Kriegsaufmarsch zu stoppen, der jetzt in ganz Europa stattfindet.

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