Auswirkung des Mangels an russischem Gas: Frankreich bereitet sich auf Stromabschaltungen im Winter vor

Am Donnerstag wies die französische Premierministerin Elisabeth Borne die regionalen politischen Führungskräfte an, das Land auf regelmäßige Stromabschaltungen in den kommenden Wochen und Monaten vorzubereiten. Diese Vorbereitungen umfassen auch eine Notfallplanung für einen vollständigen Blackout des französischen Stromnetzes.

Dass die Regierung das entsprechende Dokument verbreitet, ist ein stillschweigendes Eingeständnis, dass die Kampagne für „Besonnenheit“ in Energiefragen, die Präsident Emmanuel Macron am 14. Juli ausgerufen hat, gescheitert ist. Großen Teilen Frankreichs drohen in diesem Winter Abschaltungen von Strom und Heizung mit erheblichen Folgen.

Das Kohlekraftwerk im ostfranzösischen Saint Avold am 8. September 2022. Es wird in diesem Winter wieder in Betrieb genommen, nachdem es zuvor abgeschaltet worden war. (AP Photo/Jean-Francois Badias) [AP Photo/Jean-Francois Badias]

Die hohen Energiepreise in Europa sind hauptsächlich eine Folge des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine. Während die EU-Regierungen versuchen, Putin für Europas Energieknappheit in diesem Winter verantwortlich zu machen, war es ihre eigene Entscheidung, auf Druck der USA und der Nato die Importe von russischem Gas und Öl im Frühling einzustellen.

Die Anweisungen wurden ausgegeben, während sich Macron zu einem Staatsbesuch in den USA aufhielt. Obwohl er sich über die verheerenden Auswirkungen der nationalistischen Wirtschaftspolitik der USA auf die französischen Energiepreise beklagte, bekräftigte er, dass seine Regierung weiterhin an ihrem Engagement für den Nato-Krieg in der Ukraine gegen Russland festhält. Dazu gehört auch die Fortsetzung der Sanktionen gegen Russland, selbst wenn die französische Bevölkerung deshalb im Winter frieren muss.

Rationierungen der Energie in dem Ausmaß, in dem es die französische Regierung plant, hat es seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben.

Sechzig Prozent der Bevölkerung lebt in Gebieten, in denen während der Spitzenzeiten abwechselnd der Strom abgestellt würde. Jeden Tag wäre eine andere Region betroffen, doch wird der Stromausfall schätzungsweise jeweils vier Millionen Menschen betreffen. Die Abschaltungen werden der betroffenen Bevölkerung am Vortag um 17 Uhr angekündigt.

Regierungssprecher Olivier Véran erklärte zwar: „Wir befinden uns nicht in einem Katastrophenfilm.“ Er gab jedoch zu, dass es in diesem Winter vermutlich Perioden geben wird, in denen die Menschen „kein Bargeld abheben können“ und die Ampeln nicht funktionieren werden.

Am Mittwoch warnte Christel Heydemann, die Geschäftsführerin des größten französischen Telekommunikationsunternehmens Orange, dass während der Stromabschaltungen alle Telefon- und Internetzugänge außer Betrieb sein würden, so dass nicht einmal Notrufe möglich seien.

Die Regierung weist die lokalen Behörden an, wichtige Infrastruktur wie Krankenhäuser, Feuerwachen und Gefängnisse mit Notstromgeneratoren auszustatten, damit sie auch während der Stromabschaltungen den Betrieb fortsetzen können.

Auch die Schulen in den von Abschaltungen betroffenen Regionen sollen geschlossen werden. Hier zeigt sich die Scheinheiligkeit der Unterstützung der Macron-Regierung für den imperialistischen Krieg gegen Russland in der Ukraine. Die gleiche Regierung hat Schüler und Lehrer zur Rückkehr in überfüllte Klassenzimmer gezwungen, in denen sich Covid-19 ungehindert ausbreiten konnte, angeblich damit der Unterricht der Schüler nicht unterbrochen und ihre psychische Gesundheit geschützt wird. Jetzt sollen Schüler zu Hause bleiben und frieren, um den Krieg in der Ukraine zu unterstützen.

Der interministerielle Krisenstab bereitet außerdem Notfallpläne für einen vollständigen Blackout vor, der möglich ist, wenn der durchschnittliche Energieverbrauch nicht noch weiter gesenkt werden kann oder in längeren Kälteperioden Nachfragespitzen entstehen.

Angesichts der Dichte und der Vernetzung der Stromleitungen in Paris haben Regierungsvertreter erklärt, es werde in der Hauptstadt vermutlich nicht zu regelmäßigen Stromabschaltungen kommen. Ein Regierungsvertreter erklärte: „Wenn man [dem Kaufhaus] Le Bon Marché den Strom abstellt, stellt man ihn auch dem Necker-Krankenhaus ab.“ Das bedeutet, dass kleinere Städte, Dörfer und ländliche Gebiete am stärksten von den Abschaltungen betroffen wären.

Obwohl die Maßnahmen der Regierung erst für die Zeiten mit dem höchsten Energieverbrauch im Januar und Februar vorgesehen sind, wirkt sich die Energiekrise bereits jetzt auf die französische Wirtschaft aus. Im Vergleich zum November letzten Jahres wurde in Frankreich sieben Prozent weniger Strom verbraucht. Laut dem Netzwerk für Stromtransport geht dies hauptsächlich auf die Drosselung der Industrieproduktion zurück, da die Strompreise steigen.

Im neuen Jahr werden auch die Rechnungen der französischen Verbraucher um 15 Prozent steigen. Dies ist größtenteils auf die Preistreiberei der Energiekonzerne zurückzuführen, die russisches Gas durch teure Importe von US-Flüssiggas nach Europa und Frankreich ersetzen.

Die Hauptursache der Energieknappheit in Frankreich ist zwar der Wegfall der russischen Gas- und Ölimporte, allerdings wurde die Krise durch die völlig unzureichende Wartung der französischen Atomkraftwerke verschärft. Anfang November waren nur 30 der 56 Reaktoren an das Stromnetz angeschlossen. Reparaturen und Sicherheitskontrollen in den restlichen Reaktoren werden voraussichtlich erst 2025 abgeschlossen sein.

In Deutschland erklärte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, es sehe die „Wahrscheinlichkeit als gering“ an, „dass es regional und zeitlich begrenzt zu erzwungenen Abschaltungen kommt“. Allerdings könnten große Steigerungen bei der Nachfrage in Kälteperioden zu ähnlichen Maßnahmen in Deutschland und anderen Teilen Europas führen, die bisher von russischen Energieimporten abhängig waren.

Die Energiekrise in Frankreich und Europa ist letztlich ein Produkt der Klassenherrschaft. Die europäische Bourgeoisie will sich einen Anteil an der Beute des Siegs über Russland in der Ukraine sichern und den Krieg als Vorwand für ihre eigene Remilitarisierung nutzen. Deshalb hat sie beschlossen, die Gesundheit und das Wohlergehen der arbeitenden Bevölkerung ihren geostrategischen Zielen unterzuordnen.

Im September wurden die EU-Mächte durch die Explosion der Nord-Stream-Pipeline zur Fortsetzung des Kurses gezwungen, den sie zuvor freiwillig verfolgten. Die Explosion, für die die russische Regierung Großbritannien, den wichtigsten Verbündeten der USA in Europa, verantwortlich macht, war für den US-Imperialismus von strategischem Nutzen, da die Zerstörung der Pipeline sicherstellte, dass Europa dauerhaft von amerikanischen Gaslieferungen abhängig bleibt.

Trotz allem erzielen die Energiekonzerne in Frankreich und ganz Europa dieses Jahr durch Preiserhöhungen Rekordprofite, während keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen wurden, um die Energieversorgung der breiten Masse der Bevölkerung im kommenden Winter zu sichern.

Genau wie die EU in der Pandemie den Banken und Konzernen Billionen zur Verfügung gestellt und fast zwei Millionen Menschenleben geopfert hat, um die Märkte zu beschwichtigen, überlässt sie auch jetzt der ukrainischen Regierung Milliarden und zwingt ihre Bevölkerung, diesen Winter zu frieren.

Der Kampf gegen Inflation und Energiearmut ist eng mit dem Kampf zur Beendigung des imperialistischen Kriegs in der Ukraine verbunden, der die Hauptursache für Energieknappheit und den Anstieg der Lebensmittelpreise ist. Arbeiter und Jugendliche, die Widerstand gegen den Kriegskurs der Kapitalistenklasse und ihre Offensive gegen den Lebensstandard leisten wollen, laden wir ein, am 10. Dezember an der Online-Veranstaltung der IYSSE „Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine“ teilzunehmen.

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