Lützerath und die reaktionäre Fratze der Grünen

Zehntausende Umweltschützer haben in den letzten Tagen und Wochen versucht, die Zerstörung des Weilers Lützerath und das Abbaggern weiterer Braunkohle zu verhindern, die die Umwelt in den nächsten acht Jahren mit zusätzlichen 280 Millionen Tonnen CO2 verpesten wird. Das ist etwa so viel, wie sämtlich Autos in Deutschland im Verlauf von zwei Jahren ausstoßen.

Sie haben ihr Ziel nicht erreicht. Der Weiler ist geräumt und zerstört, die Kohlebagger rücken an. Doch den Braunkohlegegnern wurde eine Lektion erteilt, aus der politische Schlussfolgerungen gezogen werden müssen. Lützerath hat die reaktionäre Fratze der Grünen gezeigt.

Polizeigewalt in Lützerath [AP Photo/Frank Jordans]

Es gibt kein Verbrechen, zu dem sie nicht fähig wären, wenn es um die Verteidigung der Interessen der Reichen und Mächtigen geht. Die Partei, die einst mit Blumenkränzen und Friedenstauben in den Bundestag einzog, schreit nicht nur am lautesten nach Panzern für die Ukraine und nach der Eskalation des Kriegs mit Russland, sie zählt auch in der Umwelt- und Innenpolitik zu den Hardlinern.

Die Protestteilnehmer, unter ihnen viele Wähler und Mitglieder der Grünen, waren auf jeder Ebene ihres Kampfs mit grünen Politikern konfrontiert. Wie in der berühmten Fabel vom Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel riefen die Grünen stets, „Wir sind schon da“, wenn die Verteidiger von Lützerath gegen ein neues Hindernis anrannten.

Zwei grüne Wirtschaftsminister – Robert Habeck (Bund) und Mona Neubaur (Nordrhein-Westfalen) – haben den Deal vereinbart, der dem Energieriesen RWE bis 2030 den Abbau und die Verstromung viel höherer Kohlemengen erlaubt, als ursprünglich geplant. Das Verhältnis zwischen RWE und der schwarz-grünen Landesregierung von NRW ist inzwischen derart innig, dass viele nur noch von NRWE sprechen.

Habecks Behauptung, RWE lege im Gegenzug seine Kohlekraftwerke bereits 2030 still, acht Jahre früher als ursprünglich vorgesehen, ist falsch, denn die entsprechenden Gesetze und Regelungen können von zukünftigen Regierungen jederzeit wieder geändert werden. Die Braunkohlekraftwerke im Osten Deutschlands bleiben ohnehin bis 2038 am Netz.

Die Grünen brachten gemeinsam mit der SPD und der FDP auch die Gesetzesänderung im Bundestag ein, die notwendig war, um den Braunkohleabbau auszuweiten. Sie wurde mit einer überwältigenden Mehrheit von 523 zu 92 Stimmen verabschiedet. Sie haben die Ausweitung des Kohleabbaus mit den verheerenden Folgen der Russlandsanktionen gerechtfertigt, auf die sie selbst am heftigsten gedrängt haben. Der Abbruch von Lützerath ist mithin der Preis für die Kriegspolitik der Grünen.

Die Grünen beließen es aber nicht dabei, die politischen und gesetzlichen Weichen für die zusätzliche Kohleförderung zu stellen. Sie unterdrückten auch gewaltsam den Widerstand dagegen. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach, der den Polizeieinsatz in Lützerath leitete, ist langjähriges Mitglied der Grünen und verdankt ihnen sein Amt.

Weinspach setzte tausende Polizisten aus ganz Deutschland ein, die friedliche Demonstranten mit Pfefferspray und Schlagstöcken traktierten und Dutzende verletzten. Demonstrationsteilnehmer sprachen von einem „unglaublichen Maß an Polizeigewalt“. Laut einer Sanitäterin wurde „eine hohe zwei bis dreistellige Zahl“ verletzt, einige davon lebensgefährlich.

Die Verwandlung der Grünen in eine Kriegs- und Law-and-Order-Partei, die Umweltproteste im Interesse der Energiekonzerne unterdrückt, lässt sich nicht mit Gemeinplätzen wie „Macht korrumpiert“ erklären. Sie wirft grundlegende Fragen der Perspektiven und der Klassenorientierung auf. Sie zeigt, dass sich die Klimakrise – wie alle großen gesellschaftlichen Probleme des 21. Jahrhunderts – nur durch eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft lösen lässt.

1980 schrieben die Grünen in ihr Gründungsprogramm, die Ökologie sei keine Klassenfrage, sondern eine Gattungsfrage. „Folglich lässt sich die Krise des modernen Kapitalismus nicht mehr nur mit Kategorien der ökonomischen Widersprüche begreifen. Sie ist in zunehmendem Maße durch die natürlichen Grenzen unserer Umwelt bedingt.“

Fünf Jahre später griff der neue Staatschef der Sowjetunion, Michael Gorbatschow, diese Parole auf. Er erklärte die marxistische Lehre vom Klassenkampf für überholt, verwarf „Kapitalismus“ und „Imperialismus“ als Propagandabegriffe, verscherbelte das gesellschaftliche Eigentum an Privatleute und warf sich den imperialistischen Mächten im Namen der Lösung von „Menschheitsfragen“ an den Hals.

Doch Klassenkampf und Imperialismus verschwanden nicht. Sie meldeten sich mit Wucht zurück. Die westlichen Großmächte, angeführt von den USA, verloren alle Hemmungen, führten Kriege um Öl, Märkte und Macht und zerstörten dabei auf dem Balkan, im Irak, in Afghanistan, in Libyen, in Syrien und anderswo ganze Gesellschaften.

Die russischen Oligarchen und ihr politscher Führer, Wladimir Putin, waren im Westen hochwillkommen, solange sie Luxusimmobilien, Jachten und Fußballclubs kauften, doch die gewaltigen Bodenschätze Russlands wollte man ihnen nicht überlassen. Das ist der Grund für das stetige Vorrücken der Nato Richtung Osten, auf das Putin mit seiner reaktionären Kriegsentscheidung reagierte.

Nun wird der Krieg so lange eskaliert, bis in Moskau ein Regime an der Macht ist, das zwar nicht demokratisch, dafür aber eine willige Marionette der imperialistischen Mächte ist. Das Risiko einer nuklearen Eskalation nimmt die Nato dabei bewusst in Kauf.

Auch sozial haben die Kapitalisten alle Hemmungen verloren. Die letzten drei Jahrzehnte waren Jahrzehnte der Umverteilung. Wer Geld und Besitz hatte, wurde reicher, wer nichts hatte, wurde ärmer.

Die jüngsten Zahlen von Oxfam sprengen alle Dimensionen. Seit 2020 flossen zwei Drittel des Vermögenszuwachses an das reichste Prozent der Weltbevölkerung; die restlichen 99 Prozent mussten sich mit einem Drittel begnügen. Das Vermögen der Milliardäre wächst täglich um 2,7 Milliarden Dollar, während die Löhne von 1,7 Milliarden Arbeitern aufgrund der Inflation sinken.

Die soziale Basis der Grünen, die wohlhabende städtische Mittelschicht, zählt zu den Gewinnern dieser Bereicherungsorgie. Das erklärt ihre stetige Rechtsentwicklung, die umso aggressiver wird, je mehr Widerstand sich gegen die soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Katastrophe regt.

Bereits als sie 1998 erstmals in die Bundesregierung eintraten, hatten die Grünen den Jugoslawien- und Afghanistankrieg und die Agenda 2010 unterstützt, die die größte soziale Umverteilung zugunsten der Reichen in der deutschen Nachkriegsgeschichte einleitete.

Inzwischen grenzt ihre Kriegswut an Wahnsinn. Sie sind bereit, den Krieg gegen Russland bis zum letzten ukrainischen Soldaten zu führen. Heute schicken sie Panzer, morgen die Bundeswehr. Die Erben der 68er Protestbewegung, die gegen alte Nazis an den Universitäten, in Justiz, Verwaltung und Wirtschaft rebellierte, marschieren heute in den Spuren Hitlers gegen Moskau.

Es gibt nur einen Weg, diesen Wahnsinn zu stoppen und dem Krieg, der sozialen Ungleichheit und der Klimakrise Einhalt zu gebieten: Die Mobilisierung der Arbeiterklasse – d.h. der großen Mehrheit der Bevölkerung – für ein sozialistisches Programm zum Sturz des Kapitalismus.

Die objektiven Voraussetzungen dafür entwickeln sich schnell. Überall auf der Welt steigt die Zahl der Arbeitskämpfe und Proteste. Im Gesundheitswesen, an den Schulen, im Dienstleistungsbereich und in großen Fabriken rebellieren Arbeiterinnen und Arbeiter gegen unhaltbare Ausbeutungsbedingungen und niedrige Löhne.

Doch sie brauchen eine politische Perspektive und eine eigene Partei. Diese Partei bauen die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Schwesterorganisationen in der Vierten Internationale auf. Die SGP hat den Kampf gegen Krieg ins Zentrum ihres Berliner Wahlkampfs gestellt. Wer nicht bereit ist, eine Zukunft von Krieg, Armut und Umweltkatastrophen hinzunehmen, sollte sich ihr jetzt anschließen.

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