Warnstreik legt Berliner Flughafen lahm

Mit einem ganztägigen Warnstreik legten am Mittwoch die Beschäftigten den Hauptstadtflughafen BER lahm. Alle 300 Starts und Landungen von Passagiermaschinen fielen aus. Die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste, der Flughafengesellschaft und der Luftsicherheit waren dem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt und hatten von 3 Uhr nachts an die Arbeit niedergelegt.

Streikende vor dem Hauptstadtflughafen BER

Auf einer Streikkundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Terminalgebäude betonten Verdi-Sprecher, der Streik sei die Antwort auf die Verweigerungshaltung der Unternehmensleitung. „Wir erwarten ein gutes Angebot, sonst machen wir hier weiter,“ rief die Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne Feldkötter. Anschließend zogen die Streikenden in einer Demonstration durch den Flughafen und forderten ein Ende der Billiglöhne und Reallohnsenkung. Der Ruf „Arbeit muss sich lohnen!“ schallte durch die leeren Flughafenhallen.

Verdi fordert für die Beschäftigten der Flughafengesellschaft und der Bodenverkehrsdienste 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Unternehmensleitung verlangt dagegen wesentlich längere Vertragslaufzeiten und bietet nur eine sehr geringe stufenweise Erhöhung plus einen einmaligen Inflationsausgleich von 2000 Euro für Vollzeitbeschäftigte an. Die Tarifkommission lehnte dieses Angebot ab und bezeichnete es als inakzeptabel, unzureichend und enttäuschend.

Ulrich Rippert, Kandidat der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl, nahm an der Kundgebung teil und diskutierte mit den Arbeitern.

Wie der Warnstreik der Berliner Müllwerker in der vergangenen Woche und die anschließenden Warnstreiks der Postbeschäftigten zeigte der Streiktag der Flughafenbeschäftigen, welch große Stärke und Macht die Arbeiter haben. Die kurzfristige Arbeitsniederlegung hatte trotz Vorankündigung große Auswirkungen und legte einen der wichtigsten europäischen Verkehrsknotenpunkte komplett lahm.

Doch obwohl die Beschäftigten der Berliner Stadtreinigung (BSR), die Arbeiter und Angestellten der Post, die Flughafenbeschäftigen und viele andere Beschäftigte des öffentlichen Diensts Mitglied ein und derselben Gewerkschaft sind und sich gegenwärtig in gemeinsamen Tarifverhandlungen befinden, organisiert Verdi nur vereinzelte, kurzfristige und isolierte Warnstreiks.

Verdi nutzt den Gewerkschaftsapparat nicht, um einen gemeinsamen Kampf aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu organisieren, sondern einen solchen gemeinsamen Kampf im Gegenteil zu verhindern. Diese Spaltung und Nadelstich-Politik ermutigt die Unternehmensleitungen in ihrer arroganten und provokativen Haltung.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der vor der Pandemie 5 Millionen Euro Jahresgehalt kassierte und für die Pandemiejahre 2021 und 2022 trotz milliardenschwerer Staatshilfen nachträgliche Boni erhält, kritisierte den Streiktag als unangemessen. Spohr erklärte, die Hauptstadt dürfe sich nicht erpressen lassen.

Auch Vertreter des Flughafenverbandes ADV wetterten: Der Warnstreik sei unverhältnismäßig und entbehre jeder akzeptablen Grundlage. „Statt die unterschiedlichen Tarifvorstellungen an einem gemeinsamen Verhandlungstisch auszutragen, wird der Hauptstadtflughafen als öffentlichkeitswirksame Bühne missbraucht,“ kritisierte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel laut Medienberichten.

In den Diskussionen mit Arbeitern standen zwei Fragen im Zentrum.

Erstens betonten viele Streikende, dass die enormen Preissteigerungen der vergangenen Monate eine unerträgliche Situation geschaffen hätten. „Man kann sich nichts mehr leisten. Selbst beim Einkaufen von Lebensmitteln muss man ständig überlegen, geht das oder geht das nicht“, sagte eine Arbeiterin, die in der Abfertigung beschäftigt ist. Sie habe früher am Flughafen Tegel gearbeitet und habe jetzt einen viel längeren Arbeitsweg. Weil sie oft schon in den frühen Morgenstunden arbeiten müsse, brauche sie ein Auto und bekäme die extrem teuren Parkgebühren auf dem BER-Gelände vom ohnehin niedrigen Gehalt abgezogen.

Die Forderung nach 500 Euro mehr im Monat sei mehr als angemessen. „Im Grunde ist es immer noch zu wenig. Denn wer glaubt schon, dass die Preise wieder sinken,“ sagte sie.

Die zweite wichtige Frage betraf die Kriegsentwicklung und militärische Aufrüstung. Der Zusammenhang zwischen den Sanktionen gegen Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs, dem Öl- und Gasstopp, den explodierenden Energiepreisen und der hohen Inflation war für viele Streikende sehr deutlich.

Die Bundesregierung nutzt den Ukraine-Krieg, um seit langem vorbereitete Pläne der militärischen Aufrüstung in die Tat umzusetzen. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist nur der Anfang. Jetzt wird bereits über eine Verdreifachung des Betrags diskutiert. Diese enormen Summen werden der Bevölkerung aufgebürdet und durch Einsparungen in allen Sozialbereichen und durch Lohnsenkung finanziert.

SGP-Kandidat Ulrich Rippert diskutiert mit einem streikenden Arbeiter

Ein Arbeiter, der beim Bodendienstleister Airline Assistant Switzerland (AAS) arbeitet, berichtete, wie anstrengend und gesundheitlich belastend seine Arbeit ist, und sagte: „Es ist schon sehr seltsam, wo plötzlich diese Milliardensummen herkommen, während bei allen Lohnforderungen immer erklärt wird, es sei kein Geld da.“

Am Dienstag hat die Bundesregierung entschieden auch, den Kampfpanzer Leopard 2 an die Ukraine zu liefern, was eine aggressive Verschärfung der Kriegsentwicklung in der Ukraine bedeutet. Darauf angesprochen, machten viele Streikende deutlich, wie besorgt sie über diese Entwicklung sind.

Doch Verdi reagiert darauf ganz anders. Unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr schloss sie, gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften, einen Pakt mit der Bundesregierung. Diese „Konzertierte Aktion“ dient der Unterstützung der Kriegspolitik. Verdi arbeitet eng mit der Regierung zusammen und unternimmt alles, um eine breite Streikbewegung zu verhindern. Die Warnstreiks dienen vor allem dazu, den Druck unter den Beschäftigten abzubauen und die Kontrolle aufrecht zu erhalten. Am Ende ist Verdi – wie so oft schon – bereit die Beschäftigten mit einem Almosen abzuspeisen.

Die Berliner Flughafenarbeiter haben in dieser Hinsicht bereits reichlich Erfahrung.

Viele Bodendienstarbeiter erinnern sich noch an das Frühjahr 2017. Damals war der BER noch nicht fertig, und die Beschäftigten an den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld lehnten das Verhandlungsergebnis von Verdi in der Urabstimmung mehrheitlich ab. Trotzdem setzte Verdi den Abschluss durch, obwohl er für die meisten Beschäftigten der Bodendienste Niedriglöhne und zugleich drei Jahre Streikverzicht bedeutete.

Im Monat zuvor hatten Gepäckabfertiger, Vorfeldarbeiter, Check-in- und Boarding-Personal mit großer Entschlossenheit drei Tage lang gestreikt und die beiden Flughäfen weitgehend lahmgelegt, um gegen Billiglöhne zu kämpfen. Viele Beschäftigte, darunter Leiharbeiter, die nicht Mitglied bei Verdi waren, hatten sich am Streik beteiligt. Fast 99 Prozent hatten für einen unbefristeten Ausstand gestimmt.

Aber Verdi brach schon am dritten Tag den Streik ab und führte geheime Verhandlungen mit einem „Vermittler“, dem ehemaligen SPD-Innensenator der rot-roten Regierungskoalition Ehrhart Körting. Ausgerechnet dieser SPD-Politiker hatte gemeinsam mit dem damaligen Wirtschaftssenator der Linkspartei, Harald Wolf, die Privatisierung der Berliner Bodendienste im Jahr 2008 durchgesetzt. Schon damals hatte Verdi an den Flughäfen auf das Engste mit der rot-roten Regierung zusammengearbeitet.

Als Ergebnis gab es damals fünf private Unternehmen an den beiden Flughäfen, die unter üblen Ausbeutungsbedingungen die Bodenverkehrsdienste betreiben. Die größte darunter ist die vom SPD-Funktionär Claus Wisser gegründete WISAG mit ihren Tochter- und Subunternehmen. Ein großer Teil der Beschäftigten arbeiten in Teilzeit, mit befristeten Verträgen, oder als Leiharbeiter und müssen die massiv gestiegenen Passagierzahlen in Berlin unter mörderischer Arbeitshetze und mit absoluten Niedriglöhnen bewältigen.

Die üblen Arbeitsbedingungen und schlechten Löhne dauern bis heute an und sind das Ergebnis der engen Verflechtung aller Berliner Senatsparteien mit Verdi.

Deshalb ist der gegenwärtige Wahlkampf der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) so wichtig. Mitglieder und Unterstützer der SGP verteilten das Wahlprogramm auf der Kundgebung. Sie erklärten, dass die SGP den Tarifkampf mit dem Kampf gegen Krieg und militärische Aufrüstung verbindet, und riefen die Streikenden auf, zur Kundgebung gegen Krieg und kapitalistische Ausbeutung zu kommen, die am 4. Februar auf dem Potsdamer Platz stattfindet.

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