Ein ganztägiger Warnstreik der Flughafenbodenarbeiter legte am gestrigen Freitag sieben Flughäfen lahm. Neben Dortmund, Stuttgart, Hamburg, Hannover und Bremen wurden mit München und Frankfurt/Main zwei internationale Flugdrehkreuze 24 Stunden lang bestreikt. Insgesamt mussten rund 3000 Flüge für über 300.000 Passagiere abgesagt werden.
In Frankfurt beteiligten sich neben der Flughafensicherheit die Belegschaften aller Abteilungen des Flughafenbetreibers Fraport AG an dem Streik. Als auch die Feuerwehr unter Tatü-Tata das Flughafenvorfeld verließ, um sich einer Streikkundgebung anzuschließen, musste der Flugverkehr eingestellt werden. Ausgenommen vom Streik waren nur die Flieger nach Syrien und in die Türkei, die Hilfsgüter für die Erdbebenopfer transportierten.
Lahmgelegt war an diesem Tag auch der Regionalflughafen Bremen, und auch in Hannover, Stuttgart und Dortmund hob kein Flugzeug ab. Auch in München wurde der komplette Passagierflugbetrieb eingestellt. Allerdings bezog sich das nicht auf die mehr als 50 Privatflüge, die Gäste zur Münchner Sicherheitskonferenz brachten. Bezeichnenderweise hatten Verdi und der Beamtenbund in einer besonderen Absprache zugestimmt, diese von dem Warnstreik auszunehmen.
In Frankfurt, wie auch in Leipzig, wurden gleichzeitig am Freitag der öffentliche Nahverkehr, die Stadtreinigung, die Kitas, der Pflegebereich und andere Dienstleistungen bestreikt. Mehr als 6000 beteiligten sich an diesem Tag allein in Hessen an Streiks, die auch Offenbach und Wiesbaden einschlossen.
In den Tagen davor hatte es schon Streiks in mehreren anderen Städten gegeben. In NRW schlossen sich in Köln und 15 weiteren Städten tausende Beschäftigte von Bus und Bahn, Kitas, Müllabfuhr, Sparkassen, der Stadtverwaltung und der Kfz-Zulassungsstellen jeweils für einen Tag dem Warnstreik an.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die auch für den Deutschen Beamtenbund (dbb) und andere Gewerkschaften verhandelt, fordert eine Lohnerhöhung von 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro monatlich, mit einer Laufzeit von einem Jahr. An den Flughäfen verhandelt Verdi gleich mehrere Tarifrunden gleichzeitig: Neben dem Tarif der öffentlichen Dienste sind das die jeweils lokalen Verhandlungen für die Bodenverkehrsdienste wie z.B. Fraport, sowie die Tarifrunde für die Luftsicherheit, die bundesweit verhandelt wird.
Die Vertreter der Flughäfen und Kommunen äußerten sich entsetzt über das Ausmaß des Streiks. So sprach Ralph Beisel, Sprecher des Fraport-Vorstands, schon von einem „Generalstreik gegen den gesamten deutschen Luftverkehr“. Die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge, Vertreterin der Kommunen in den Verhandlungen, bezeichnete die Streiks als „unverhältnismäßig“ und behauptete, die Tariflöhne im öffentlichen Dienst der letzten zehn Jahre seien „stärker gestiegen als die Inflation“.
Aber den Flughafenarbeitern ist völlig klar, dass die Unternehmer und Politiker ihre Krise auf den Rücken der Beschäftigten abwälzen. Sie sind streikbereit, und tatsächlich sind die Verdi-Warnstreiks das Produkt des großen Drucks der Arbeiter auf die Funktionäre.
Dies wurde in Stuttgart besonders deutlich, wo es zwar dem Streik der zwei Luftsicherheitsdienstleister FraSec und Securitas Aviation gelang, den Flughafen lahmzulegen, aber Verdi keine Streikkundgebung organisierte, obwohl sich streikende Arbeiter am Eingang des Flughafens aufhielten.
Zwei Beschäftigte der Stuttgarter Fahrgastkontrolle, Sabina und Fatima, waren der Ansicht, es sei höchste Zeit, dass nach mehr als zwei Jahren Verhandlungen ihre Forderungen erfüllt würden. Sie streiken für die Erhöhung der Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und Samstagsarbeit sowie eine bessere tarifliche Regelung zur Entlohnung von Überstunden.
Beide Frauen erklärte, dass sie und ihre Kollegen zum Streik bereit seien. „Die Arbeit, die wir machen, ist sehr schwierig“, sagten sie. „Es ist unmöglich, sein Privatleben daneben zu planen. Wir müssen im Monat drei Wochenenden arbeiten, das ist eine große Belastung. Auch dürfen wir oft nicht in den Ferien Urlaub nehmen, und wer Kinder hat, kann nicht die Schulferien mit ihnen verbringen.“
Savas, der ebenfalls in der Fahrgastkontrolle arbeitet, äußerte sich mit Verdi unzufrieden. Er sagte: „Wenn die Forderung 10 Euro beträgt, dann wissen wir schon im Voraus, dass alles mit dem Arbeitgeber abgesprochen ist. Am Ende bekommen wir 3 Euro mehr. Bei der letzten Lohnerhöhung haben wir weniger als einen Euro für eine Stunde bekommen.“
Savas meinte auch, er sei vollkommen gegen den Krieg in der Ukraine, vor allem gegen die militärische Unterstützung durch Deutschland. Es sei notwendig, dass die Kriegsflüchtlinge untergebracht und betreut werden. „Aber Panzer bringen keinen Frieden, die töten nur noch mehr Zivilisten.“ Er sagte auch, das Erdbeben in der Türkei könne nicht einfach als Naturkatastrophe bezeichnet werden. „So viel Tod und Zerstörung, das hätte man verhindern müssen.“
In Frankfurt beteiligten sich neben den Fraport- und FraCares-Beschäftigten besonders viele Bodenarbeiter von FraGround an dem Streik. Sie sind es, die bei Wind und Wetter zu Niedriglöhnen die Knochenarbeit auf dem Rollfeld erledigen. Viele von ihnen sagten der WSWS, dass sie für Benzin, Heizkosten, Lebensmittel und anderes mittlerweile deutlich mehr als die offiziell 10 Prozent Inflation bezahlen müssten.
In der Pandemie hatten sie auf Tariferhöhungen verzichtet, und viele von ihnen waren in Kurzarbeit versetzt worden, während am Flughafen Tausende entlassen wurden. Mehrere Arbeiter sagten uns, dass ihnen die 10,5 Prozent, die Verdi fordert, nicht ausreichen würden. Allerdings unterstützten einige der Geringverdiener die 500-Euro-Forderung: „Das brauchen wir unbedingt, und zwar sofort“, sagte ein Arbeiter, „um unsere Rechnungen zu bezahlen“.
Usman, der seit über fünf Jahren bei FraCares arbeitet, erklärte dazu: „Momentan steigen alle Preise – und die Löhne sollen so bleiben wie bisher? Dieser Abstand, der da entstanden ist, der muss endlich ausgeglichen werden. 500 Euro mehr im Monat ist für uns das Mindeste, aber einfach nur zehn Prozent wäre nicht genug.“ Er hoffe, so Usman, „dass der Streik sich hier jetzt auch so gut wie in Frankreich entwickelt“.
Usman und Mohammed erklärten, sie glaubten nicht, dass allein die Russland-Sanktionen die Preise antreiben. „Das mag zum Teil stimmen, aber alles wird ja teurer. Das heißt: Hier wird die Situation einfach ausgenützt. Das kann nicht sein.“ Ein weiterer Kollege fragte: „Wachsen die Bananen etwa in Russland? Oder der Blumenkohl? Warum ist das alles jetzt doppelt so teuer?“
Eine Fraport-Arbeiterin, berichtete, dass sie seit 33 Jahren am Flughafen sei. „Ich habe noch die Zeiten der FAG hier erlebt, als die Bedingungen hier relativ stabil waren“, sagte sie. „Seither hat sich vieles zum Schlechten verändert.“ Besonders wütend sei sie über die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre. „Dagegen könnte ich sofort in Streik treten“. Bei ihr rapple der Wecker frühmorgens um 01:45, und sie wisse nicht, wie lange sie diese harte Arbeit am Flughafen noch machen könne. „Wenn wir besser bezahlt würden, dann würden auch mehr Junge hier anfangen. Was wir mitmachen, davon hat der Vorstand keine Ahnung – oder besser: Es ist ihm egal.“
Zwei FraGround-Arbeiter, die sich mit ihren Spitznamen „Memo“ und „Eno“ vorstellten, berichteten: „Zehn Prozent, das reicht überhaupt nicht aus.“ Wenn sie wirklich mindestens 500 Euro monatlich mehr herausbekommen würden, dann könnte man darüber reden.
„Wir Boden-Verkehrsdienste, die die Maschinen beladen und entladen, arbeiten unter ständiger körperlicher Belastung. Ich bin verheiratet, habe Steuerklasse 4 und kriege im Monat maximal 2100 Euro raus. Dafür muss ich aber 180 oder 190 Stunden arbeiten. Wir kriegen 12,50 oder 13 Euro netto, aber ich zahle tausend Euro allein für die Miete – wie soll das gehen?“ Ein Kollege berichtete, er habe täglich rund 2000 Koffer zu schleppen.
Memo war in der Corona-Krise gekündigt und erst im letzten Jahr wieder bei FraGround neu eingestellt worden. Eno erklärte: „Die ganzen letzten Jahre hat sich bei uns kaum was geändert. Wir müssten wirklich besser bezahlt werden! Man hat ja kaum Privatsphäre, wenn man so viele Überstunden macht: Wir arbeiten fünf Tage, haben ein Tag frei, dann arbeiten wir sieben Tage und haben zwei Tage frei. Es ist oft sehr unregelmäßig. Wir sehen unsere Familie kaum, sind dauernd auf Arbeit. Ob sich diesmal was ändert?“
Für die kommenden Tage sind weitere Warnstreiks unter anderem in NRW, Hessen und Baden-Württemberg angekündigt. Dann soll auch an den zwei großen Flughäfen in NRW, Düsseldorf und Köln/Bonn, die Arbeit niedergelegt werden.
Danach findet am 22. und 23. Februar in Potsdam die zweite Verhandlungsrunde statt. Dort treffen sich Verdi-Vorstandschef Frank Werneke (SPD) und Christine Behle (SPD) mit der Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge und mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser, beide ebenfalls langjährige SPD-Mitglieder. Alle vier kennen sich seit vielen Jahren und wissen vermutlich bereits, was ungefähr herauskommen soll.
In einem ntv-Interview sagte Verdi-Sekretär Mathias Venema: „Im öffentlichen Dienst gibt es Rituale. Ich hoffe, dass wir nächste Woche ein schönes Angebot bekommen, und dann werden wir das auch annehmen.“
In einem Flugblatt für den Flughafen Frankfurt schrieb Verdi: „Bund und Kommunen [haben] noch immer nicht verstanden, wie die aktuelle finanzielle Lage ihrer Beschäftigten insbesondere in den unteren und mittleren Entgeltgruppen aussieht.“ Das ist natürlich Unsinn. Führende Politiker, Wirtschafts- und Bankenchefs und auch die Verdi-Führer selbst haben diese Zustände herbeigeführt und tun alles, um sie festzuschreiben.
Dies wird besonders durch die Tatsache deutlich, dass die Chefs von Verdi, wie auch der IG Metall und des DGB sich seit dem Ukrainekrieg an der Konzertierte Aktion beteiligen, in der sie sich über alle wesentlichen Fragen mit den Unternehmerverbänden, den Banken und dem Wirtschaftsministerium absprechen. Das Ziel besteht darin, die horrenden Kosten der Aufrüstung und die Folgen der Nato-Offensive und der Sanktionen gegen Russland auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. Die Gewerkschaften spielen mit ihrem Netz von Funktionären, Betriebsräten und Vertrauensleuten eine entscheidende Rolle dabei, die Arbeiterklasse unter Kontrolle zu halten.
Die World Socialist Web Site (WSWS) schlägt deshalb vor, dass Arbeiter sich unabhängig von Verdi und den anderen Gewerkschaften in eigenen Aktionskomitees organisieren, die das Leben über die Profite stellen. Sie werden aus den vertrauenswürdigsten Kolleginnen und Kollegen bestehen und sich international zusammenschließen, um auf der Grundlage eines sozialistischen Programms die Ausbeutungs- und Kriegspolitik zu beenden.
