Stimmen französischer Studenten gegen Nato-Russland-Krieg in der Ukraine

WSWS-Reporter sprachen vor kurzem in Paris mit Studierenden über den Ukraine-Krieg und über den Kampf gegen die Rentenreform in Frankreich. Die Interviews zeigen, was die Parteien und die bürgerlichen Pro-Nato- und Pro-Kriegs-Medien ignorieren: Breite Schichten junger Menschen betrachten den imperialistischen Krieg mit tiefem Misstrauen und lehnen ihn ab.

Caroline sagte über den Krieg: „Wir haben das satt. Frankreich schickt Milliarden und Abermilliarden in die Ukraine, während für das französische Volk nicht genug Geld vorhanden ist. Gerade was die Jugend angeht, so hat man die preiswerten Mahlzeiten in den CROUS [Studentenspeisesälen], die 1 Euro gekostet haben, abgeschafft. Gleichzeitig werden Milliarden in die Ukraine geschickt.“

Sie verwies auf den starken Kontrast zwischen der Nato-Militäreskalation in der Ukraine, für die Macron mehrere Milliarden Euro ausgibt, und der Situation der Arbeiter, denen er Milliarden vorenthält. Caroline betonte, dass sie gegen eine Anhebung des Rentenalters sei: „Man arbeitet das ganze Jahr, hat fünf Wochen Urlaub, und ich denke, wenn man sein ganzes Leben lang so gearbeitet hat, hat man es am Ende verdient, sich auszuruhen und es wirklich zu genießen.“

Caroline

Sie wies das Argument zurück, die Nato führe in der Ukraine einen Verteidigungskrieg, und erinnerte an die Zusagen, die die Nato in der Nato-Russland-Grundakte von 1997 gemacht hatte: „Für mich trägt die Nato die volle Verantwortung, denn sie drängt immer näher an Russland heran, obwohl Russland Nein gesagt hatte. Sie haben ein Abkommen unterzeichnet, dass beinhaltet, dass sie mit der Nato nicht weiter auf Russland vorrücken dürfen. An diesen Vertrag haben sie sich aber nicht gehalten, und das war's.“

In der Tat versprach die Nato sechs Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten im Jahr 1991, mit ihren Truppen nicht bis an den Grenzen Russlands vorzurücken. Aber in den 1990er, 2000er und 2010er Jahren, als Washington und seine europäischen Verbündeten in den Irak, in Somalia, in Jugoslawien, in Afghanistan, in Libyen und in Syrien einmarschierten, nahmen sie in Osteuropa ein Land nach dem anderen in die Nato auf. Heute behauptet die Nato, sie verteidige sich gegen Russland. Tatsächlich stehen jedoch französische Truppen an der russischen Grenze, und nicht umgekehrt.

Konga, ein kongolesischer Student, sprach ebenfalls über den Krieg: „Waffenlieferungen an die Ukraine sind wirklich keine gute Sache“, sagte er. „Sie schüren nur die Konflikte. Das macht die Zukunft sehr gefährlich.“

Er erinnerte an die blutigen Erfahrungen Afrikas mit den neokolonialen Nato-Kriegen: „Anfangs war ich [im Libyen-Krieg 2011] für den Sturz Gaddafis. Die Medien bombardierten uns mit der Behauptung, es handle sich um ein diktatorisches Regime, das Demonstrierende unterdrücke. Aber ein paar Jahre später, als ich genauer darüber nachdachte, wurde mir klar, dass dies eine schlechte Sache war. Es gibt seit damals einen ständigen Zustrom von Waffen, und die ganze Region ist völlig destabilisiert.“

Konga hatte in Mali gelebt, als Frankreich das Land besetzte, angeblich um den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen. Er erinnerte sich: „Ich würde sagen, im Durchschnitt waren wohl acht von zehn Menschen gegen die französische Präsenz in Mali. Die meisten waren der Ansicht, dass die französischen Streitkräfte die Dschihadisten unterstützten und zuließen, dass sie Anschläge verübten.“

Konga erinnerte sich daran, dass infolge des Embargos, das mit französischer Unterstützung über Mali verhängt wurde, „die Preise für Lebensmittel und grundlegende Güter stark angestiegen sind. Es war schwierig. Das Durchschnittseinkommen der Menschen lag bei 80 bis 100 Euro im Monat, und mit der Inflation war das wirklich schmerzhaft.“

In Bezug auf die Ukraine wies Konga auf die enorme Gefahr einer katastrophalen militärischen Eskalation zwischen der Nato und Russland hin: „Russland wird diesen Krieg nicht verlieren. Als Atommacht wäre es für Russland fatal, diesen Krieg zu verlieren, also wird es alle Mittel einsetzen. In diesem Krieg wird es keine Gewinner oder Verlierer geben. Deshalb ziehe ich eine diplomatische Lösung dem Einsatz von Waffen vor.“

Er kritisierte das völlige Fehlen einer offenen Debatte und von Widerstand gegen den Krieg unter den etablierten und pseudolinken Parteien in Frankreich: „Ich spreche viel mit französischen Studenten: Sie kennen die Risiken, aber sie sind sich des Ernstes der Lage nicht voll bewusst ... Ich habe den Eindruck, dass die politischen Parteien sich nicht wirklich darum kümmern. Würden sie zu einer Mobilisierung aufrufen, dann könnte das eine Wirkung haben. Aber das ist nicht der Fall. Die Machthaber und die Medien sagen nur das, was sie uns wissen lassen wollen. Es gibt immer weniger Debatte und immer mehr Propaganda.“

Studierendendemonstration auf der Place de la Sorbonne zur Unterstützung einer Universitätsbesetzung

Lorenzo, ein italienischer Student, bezeichnete den Krieg in der Ukraine als „eine schreckliche Situation. Wir wissen nicht, wie dieser Konflikt ausgehen wird. Ich habe Angst, aber zu diesem Thema fehlen mir die Grundlagen und das Wissen.“

Lorenzo betonte, dass er sich über die Vorstellung, in Russland zu kämpfen, nicht freuen könne: „Ich glaube, das tut niemand. Krieg ist nicht positiv. Dahinter stehen wirtschaftliche und politische Interessen, da geht es nicht um die Menschenwürde ... Im Irak wurde ein Präventivkrieg geführt, aber es wurden keine Massenvernichtungswaffen gefunden [wie Washington, London und Rom behauptet hatten, um ihren Einmarsch im Irak 2003 zu rechtfertigen]. Ich weiß nicht, ob wir Jugendlichen genug darüber reden. Es geht da um Interessen, von denen wir vielleicht nichts wissen, die aber Auswirkungen auf uns als Staatsbürger haben.“

Septaria, deren Vater und Bruder in der französischen Armee sind, erzählte der WSWS von den sozialen und wirtschaftlichen Härten, unter denen Studierende in Frankreich leiden: „Selbst mit Unterstützung meiner Familie habe ich Probleme, am Ende des Monats noch essen zu können. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, wie Studierende, die arbeiten müssen, nebenbei noch ihr Studium schaffen. Ich hab versucht, nebenher zu arbeiten, aber habe es nicht geschafft.“

Sie sagte: „Mein Bruder ist schon vor einiger Zeit mit nach Afrika gegangen. Ich war sehr besorgt, zumal in der Presse von Zwischenfällen berichtet wurde, in die er verwickelt gewesen sein könnte. Wir hatten großes Glück, dass es nicht ihn getroffen hat, aber es ist eine ständige Sorge. Und was meinen Vater betrifft, so steht er kurz vor dem Ende seiner Laufbahn, und ich fürchte, dass man ihm zu viel abverlangt, wo er doch schon so viel gegeben hat.“

Sie sagte, sie sei froh, mit WSWS-Journalisten sprechen zu können: „Ich finde es beruhigend zu sehen, dass es immer noch Menschen gibt, die nicht so fatalistisch sind und sagen: ‚Auf geht‘s, lasst uns in den Krieg ziehen‘.“

Septaria

Walid, ein marokkanischer Student, unterstrich die Scheinheiligkeit, mit der die französische Presse die russischen Militäraktionen verurteilt: „Es ist eine Doppelmoral, sie messen mit zweierlei Maß. Da geht es um imperialistische Interessen. An Saudi-Arabien liefert Frankreich ständig Waffen, obwohl man genau weiß, wohin sie gelangen. Saudi-Arabien tötet die Leute im Jemen. Was zählt, sind die Interessen dieses kapitalistischen Systems.“

Walid fand die Perspektive der WSWS sehr gut, junge Menschen auf der ganzen Welt zu mobilisieren, damit sie in den aktuellen Aufschwung der Arbeiterkämpfe eingreifen und Arbeiter in ganz Europa und weltweit vereinen, um den Krieg zu stoppen.

Er sagte: „In Marokko denken wir immer, dass die Solidarität zwischen den Völkern auf jeden Fall Früchte trägt. Natürlich haben wir im Moment nicht genug Mittel, um zu gewinnen, aber es geht ums Prinzip. Wir alle müssen trotz der Kriege Solidarität üben ... Gleichzeitig gibt es Denunziationen, Situationen der Unterdrückung oder der Herrschaft. Aber dieser Geist der Solidarität zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern existiert.

In Frankreich kämpft die Bevölkerung im Moment gegen die Rentenreformen“, setzte Walid hinzu. „Dabei geht es um die Solidarität zwischen den arbeitenden Klassen. Aber um das zu erreichen, muss viel Arbeit geleistet werden. All die Menschen, die ein Interesse daran haben, ihr Land zu verändern, müssen sich zusammenschließen.“

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