Perspektive

Die internationale Bedeutung der entstehenden revolutionären Konfrontation in Sri Lanka

Acht Monate, nachdem ein Massenaufstand Sri Lankas verhassten Präsidenten Gotabhaya Rajapakse von der Macht vertrieben hat, geht die Arbeiterklasse in die Konfrontation mit seinem Nachfolger, dem berüchtigten Handlanger des US-Imperialismus Ranil Wickremesinghe, der die Spardiktate des Internationalen Währungsfonds (IWF) durchsetzen will.

Gestern beteiligten sich Hunderttausende Arbeiter an einem eintägigen Generalstreik, darunter Beschäftigte der Erdöl-, Strom- und Wasserversorgung sowie des Gesundheitswesens. Sie protestierten gegen das rigorose Sparprogramm der Regierung unter Wickremesinghe und die weitreichenden Angriffe auf demokratische Rechte. Auch Hunderttausende Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Diensts brachten ihre Opposition gegen das Spardiktat des IWF mit Streikposten in der Mittagspause und anderen Protesten zum Ausdruck. 

Am Montagabend hatte Wickremesinghe angeordnet, die drakonischen Anti-Streik-Bestimmungen des „Gesetzes über grundlegende öffentliche Dienste“ (Essential Public Services Act, EPSA) auf weitere Sektoren der Arbeiterklasse auszuweiten. Daraufhin sagten mehrere Gewerkschaften, darunter die der Hafenarbeiter, in letzter Minute ihre Teilnahme an der Arbeitsniederlegung ab. Doch Zehntausende Arbeiter trotzten der Kriminalisierung der Streiks durch die Regierung, die den Streikenden mit Geldstrafen, zwei- bis fünfjährigen Haftstrafen und dem Verlust des Berufsstatus droht.

Wickremesinghe, der dank einer Verschwörung der herrschenden Klasse zum Präsidenten aufgestiegen ist, greift zu immer dreisteren autoritären Maßnahmen, um umfassende Kürzungen bei grundlegenden Dienstleistungen, einen massiven Stellenabbau im öffentlichen Sektor sowie drastische Strom- und Steuererhöhungen und Privatisierungen durchzusetzen.

In der vergangenen Woche hat Wickremesinghe die für den 9. März angesetzten Kommunalwahlen abgesagt und damit offen gegen die Verfassung und die demokratischen Rechte der srilankischen Bevölkerung verstoßen. Die Ergebnisse der Kommunalwahlen hätten zwar keine direkten Auswirkungen auf den legalen Status der Wickremesinghe-Regierung gehabt. Aber der Präsident sah richtig voraus, dass die Wahlen die weit verbreitete Ablehnung der Regierung offenbart und deutlich gezeigt hätten, dass sie völlig illegitim ist und keinen Rückhalt in der Bevölkerung hat.

Am Sonntag mobilisierte die Regierung Tausende schwer bewaffneter Polizisten, um eine Demonstration gegen die Annullierung der Kommunalwahlen anzugreifen, die von der JVP organisiert worden war. Infolge der Polizeigewalt starb ein Demonstrant, ein JVP-Kandidat, mehr als ein Dutzend Menschen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Wickremesinghe erklärte in arroganter Manier, dass die Wahlen warten müssen, bis sich das Land „wirtschaftlich erholt“ habe. Damit meint er die verschärfte Ausbeutung der srilankischen Arbeiter – solange bis die Schuldenzahlungen an die Geier des globalen Kapitals wieder aufgenommen werden können. Diese „wirtschaftliche Erholung“ erfordere den Erhalt der „öffentlichen Ordnung“, so der Präsident. Er hat wiederholt den Volksaufstand vom letzten Jahr verurteilt, die Verhaftung von Protestführern unter dem Anti-Terror-Gesetz angeordnet und geschworen, er werde es nicht zulassen, dass das Land in „Anarchie“ versinkt.

Er und die srilankische Bourgeoisie sind sich bewusst, dass selbst die beschränktesten demokratischen Rechte eine Massenopposition heraufbeschwören könnten. Deshalb rüsten sie alle Machtinstrumente des kapitalistischen Staats auf – von den autokratischen Befugnissen der Exekutivpräsidentschaft Sri Lankas über die Gerichte bis hin zu Polizei und Armee –, um einen neuen Ausbruch von Arbeiterkämpfen zu unterdrücken.

Die Arbeiterklasse und die Landbevölkerung ihrerseits können die Last der sozialen Not nicht länger ertragen. Die Inflation liegt über 50 Prozent. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist gezwungen, die täglichen Mahlzeiten zu reduzieren. Unterernährung und regelrechte Hungersnot haben Sri Lanka heimgesucht.

Nachdem der viermonatige Massenaufstand im letzten Jahr trotz der Militanz und breiten Unterstützung gescheitert war und keine wesentlichen Veränderungen herbeiführen konnte, reagierten große Teile der Bevölkerung mit Verwirrung und Enttäuschung. Wickremesinghe gelang es zunächst, diese Stimmung auszunutzen. Mit der Komplizenschaft der Oppositionsparteien und der Gewerkschaften ging die Regierung erneut in die Offensive und setzte eine Reihe von harten Maßnahmen durch, die der IWF diktiert hatte. 

Aber jetzt deutet alles – auch die autoritäre Linie der Regierung – auf das Wiederaufleben der Massenopposition in der Arbeiterklasse hin. Einige Gewerkschaftsführer fürchten, dass der Widerstand ihrer Kontrolle entgleiten könnte, und bringen deshalb demagogische Forderungen wie die Möglichkeit eines unbegrenzten Generalstreiks ins Spiel. Unter ihnen ist auch Wasantha Samarasinghe, der Vorsitzende der Inter-Company Employees Union und ein führendes JVP-Mitglied.

Die Socialist Equality Party (SEP), die srilankische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), mobilisiert die Arbeiterklasse als unabhängige politische Kraft, die die ländlichen Massen für ein Programm demokratischer und sozialistischer Forderungen hinter sich schart. Ihr Programm stützt sich darauf, was die Massen brauchen, und nicht, was die srilankische Bourgeoisie für bezahlbar hält. Unter den Bedingungen der extremen Klassenspannungen wird dieser Kampf der SEP immer dringlicher.

Seit dem Massenaufstand im letzten Jahr kämpft die SEP dafür, die Arbeiterklasse aus dem Würgegriff der prokapitalistischen Gewerkschaften zu befreien. Erst hatten die Gewerkschaften versucht, ein Eingreifen der Arbeiterklasse durch Streiks und Arbeitskampfmaßnahmen zu verhindern. Dann billigten sie zwar eintägige Proteststreiks, aber unterstützten gleichzeitig die Forderung der bürgerlichen Opposition nach einer kapitalistischen Übergangsregierung, die der IWF-Sparpolitik nicht weniger verpflichtet sein würde.  

Die SEP kämpft für eine Vereinigung der Arbeiterklasse über nationale und religiöse Grenzen hinweg. Es ist notwendig, dass Arbeiter ihre eigenen Aktionskomitees aufbauen, die unabhängig von den Gewerkschaften und allen politischen Vertretern der herrschenden Klasse sind. Über diese Komitees müssen immer breitere Teile der Arbeiterklasse und der Werktätigen auf dem Land mobilisiert werden, um sich den Angriffen der herrschenden Klasse auf soziale und demokratische Rechte zu widersetzen und den Kampf für die Arbeitermacht zu führen.

Im Juli, nur wenige Tage nachdem Rajapakse aus dem Land geflohen war und die herrschende Klasse die Regierung umbilden wollte, um ein effektiveres Instrument zur Durchsetzung der IWF-Sparpolitik und zur Sicherung ihres riesigen Reichtums zu schaffen, rief die SEP zu einem demokratischen und sozialistischen Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen auf. Im ihrem Aufruf bezeichnete die SEP einen solchen Kongress – gestützt auf die Aktionskomitees der arbeitenden Bevölkerung – als „revolutionäre Alternative zu der reaktionären kapitalistischen Übergangsregierung, die von den diskreditierten Parlamentarier-Kumpanen von Gotabaya Rajapaksa und seinem Nachfolger, dem Möchtegern-Autokraten Ranil Wickremesinghe gebildet wird“.

Die SEP griff gestern mutig in den Massenstreik ein, um die Arbeiterklasse mit dieser Strategie zu wappnen. In ihrem singhalesischen Flugblatt mit dem Titel „Unterstützt den Streik gegen die Sparmaßnahmen der Regierung! Nehmt die drakonischen Anordnungen für die grundlegenden Dienstleistungen zurück! Kämpft für ein sozialistisches Programm zur Verteidigung sozialer und demokratischer Rechte!“ heißt es: „Es gibt keine Lösung für die Arbeiter und Armen innerhalb des kapitalistischen Systems. Die Einberufung eines demokratischen und sozialistischen Kongresses der Arbeiter und ländlichen Massen ... wird immer dringlicher, um eine Gegenoffensive gegen das Klassenkriegsprogramm der Wickremesinghe-Regierung zu entwickeln.“

Das Statement entlarvt die Gewerkschaften, die JVP und die pseudolinken Organisationen, die die Arbeiterklasse an den bankrotten srilankischen Kapitalismus und seine verfaulten demokratischen Institutionen binden. Sie behaupten, man könne die Sparmaßnahmen des IWF schmackhafter machen, indem man Appelle an Wickremesinghe richtet oder einen Regierungswechsel fordert.

Als Reaktion auf die Annullierung der Kommunalwahlen durch Wickremesinghe hat die JVP zusammen mit anderen bürgerlichen Oppositionsparteien zur Intervention der westlichen Mächte aufgerufen. Sie preisen die USA und die europäischen imperialistischen Mächte als Hüter der Demokratie, während diese den Krieg gegen Russland eskalieren, die größten Befürworter der IWF-Austerität sind und den singhalesisch dominierten Staat Sri Lanka in dem 30 Jahre langen Bürgerkrieg gegen die tamilische Minderheit unterstützt haben. Hinzu kommt, dass die USA die Finanzkrise Sri Lankas rücksichtslos ausnutzen, um die Insel noch stärker für ihre Kriegsvorbereitungen gegen China einzuspannen. 

Die SEP-Erklärung umreißt eine Reihe von sozialistischen und demokratischen Forderungen, die die Bedürfnisse der Massen zum Ausdruck bringen und zu Brennpunkten für ihre unabhängige Mobilisierung werden können. Dazu gehören die Abschaffung der Exekutivpräsidentschaft, die Einführung einer demokratischen Arbeiterkontrolle über die Produktion und die Verteilung aller lebenswichtigen Güter, die Aufhebung aller Sparmaßnahmen des IWF und die Zurückweisung der von der srilankischen Bourgeoisie aufgenommenen Auslandsschulden.

Dann wird erklärt, dass der demokratische und sozialistische Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen „mit demokratisch gewählten Vertretern der Aktionskomitees der Arbeiter und Landarbeiter im ganzen Land über die Vorgehensweise im Kampf für die oben genannten Forderungen entscheiden wird. So wird er den Grundstein für eine Arbeiter- und Bauern-Regierung legen, die einem sozialistischen Programm verpflichtet ist.“

Der sich entwickelnde Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution in Sri Lanka ist sowohl ein Vorbote als auch eine Warnung für die Arbeiter aller Länder.

Überall ignoriert die herrschende Klasse die Bedürfnisse der Bevölkerung. In den imperialistischen Zentren Europas und Nordamerikas beginnt sie eine neue Welle der Angriffe auf die letzten Überbleibsel der sozialen Rechte der Arbeiterklasse, um ihren Krieg gegen Russland und die weit fortgeschrittenen Vorbereitungen für einen Krieg gegen China zu finanzieren. Die Herrschenden versuchen, den wachsenden sozialen Widerstand durch Antistreikgesetze und andere Angriffe auf demokratische Rechte einzudämmen, und fördern faschistische Kräfte, die als Hilfstruppen des Polizeistaatsapparats dienen sollen.

Die Arbeiterklasse kann ihre Klasseninteressen nur durchsetzen, ihre demokratischen Rechte verteidigen, den imperialistischen Krieg bekämpfen und sich über Staatsgrenzen und Kontinente hinweg vereinen, wenn sie die Zwangsjacke der nationalistischen und korporatistischen Gewerkschaftsbürokratien durchbricht. Dafür braucht sie neue Kampforganisationen.

Damit die Arbeiterklasse eine politische Kraft wird und als Protagonistin einer neuen Gesellschaftsordnung ihre Kämpfe vereinen kann, ist vor allem der Aufbau der revolutionären Partei erforderlich, die in den Lehren der Geschichte verwurzelt ist: das Internationale Komitee der Vierten Internationale, die von Leo Trotzki gegründete Weltpartei der sozialistischen Revolution, und ihre nationalen Sektionen in Sri Lanka und in der ganzen Welt.

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