Bericht der Bank of England weist auf tiefe Probleme der Finanzmärkte hin

Nach dem mehr als zweiwöchigen Bankenchaos infolge des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA und der Zwangsübernahme der Credit Suisse durch die UBS kehrte in den letzten Tagen wieder etwas Ruhe an den Finanzmärkten ein. Dass diese trügerische Stille lange anhält, ist äußerst fraglich. Die Hauptursachen für die strukturelle Instabilität des globalen Finanzsystems sind mittlerweile offensichtlich.

Einige dieser Faktoren, von denen jeder einzelne eine neue Bankenkrise auslösen kann, wurden am Mittwoch im Quartalsbericht des Financial Policy Committee (FPC, Ausschuss für Finanzpolitik) der Bank of England (BoE), der britischen Nationalbank dargelegt.

Die BoE legt ein befristetes Anleihekaufprogramm auf und ergreift Notfallmaßnahmen, um ein „substanzielles Risiko“ für die Finanzstabilität zu minimieren [AP Photo/Frank Augstein]

Im seinem Bericht blickt der FPC zurück auf die letzte große Krise, den Marktstillstand im März 2020, bei dem mehrere Tage lang keine US-Staatsanleihen verkauft wurden. Dazu wird erklärt, dass „viele der Schwachstellen, die sich während früherer Stresssituationen herauskristallisiert hatten, wie z. B. der ‚Dash for Cash‘ (Ansturm auf Bargeld) im März 2020, nach wie vor weitgehend ungelöst sind und somit zukünftige drastische Preisänderungen bei Vermögenswerten potenziell sogar noch verschärfen könnten.“

Ähnlich wie seine internationalen Kollegen versicherte BoE-Gouverneur Andrew Bailey in einer Rede an der London School of Economics am Montag, das britische Finanzsystem sei „widerstandsfähig“, verfüge über eine „robuste Kapital- und Liquiditätsdeckung“ und sei daher „bestens ausgestattet, um der Wirtschaft zu dienen“.

Doch der FPC-Bericht zeichnet ein etwas anderes Bild.

Seit der britischen Pensionsfondskrise im September letzten Jahres, die nur durch ein umfangreiches Eingreifen der Bank of England in die Anleihemärkte eingedämmt werden konnte, gilt das Hauptaugenmerk ihres finanzpolitischen Ausschusses eben den Pensionsfonds. Vor dem Hintergrund des Runs auf die SVB wird die enorme Tragweite dieser Krise für England noch deutlicher.

Wir erinnern uns, dass der Kollaps der SVB durch die rigorose Zinserhöhungspolitik der US-Notenbank ausgelöst wurde. Dadurch sank der Marktwert der Staatsanleihen, welche die SVB in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der lockeren Geldpolitik der US-Notenbank gekauft hatte, weit unter ihren Buchwert. Wollte die SVB nun den Bargeldbedarf ihrer Kunden decken, konnte sie dies nur mit immensen Verlusten, da sie gezwungen war, die Anleihen unter Wert zu veräußern.

Die Krise der Pensionsfonds im Vereinigten Königreich nahm zwar einen anderen Verlauf, wurde jedoch durch dieselbe Ursache ausgelöst – höhere Zinssätze. Diese wurden von den großen Zentralbanken unter dem Vorwand der Inflationsbekämpfung eingeführt, in Wirklichkeit aber zielten sie darauf ab, die erstarkenden Lohnkämpfe abzuwürgen.

Die Pensionsfonds hatten auf Empfehlung der Finanzbehörden eine Strategie verfolgt, die als Liability-Driven-Investment (LDI; „eine an den Verbindlichkeiten orientierte Anlagestrategie“) bekannt ist und bei der sie in großem Umfang in Staatsanleihen investierten.

Als die kurzlebige Truss-Regierung dann massive Steuersenkungen für Unternehmen und Superreiche durch eine immense staatliche Neuverschuldung refinanzieren wollte, stiegen die Zinssätze für Anleihen stark an und ihre Kurse fielen (das Verhältnis der beiden ist gegenläufig). In der Folge waren die Pensionsfonds mit erheblichen Verlusten in ihren Beständen konfrontiert.

Die Pensionsfonds sahen sich daher zu Notverkäufen gezwungen, was wiederum zu einer Abwärtsspirale bei den Anleihekursen und einem beträchtlichen Anstieg der Zinssätze führte.

Um eine Wiederholung zu verhindern, empfahl der FPC der Aufsichtsbehörde für die Pensionsfonds, „schnellstmöglich“ zu handeln. Es sollte sichergestellt werden, dass die LDI-Fonds über ausreichend Liquidität verfügen, um einen Anstieg der Zinssätze um 250 Basispunkte (2,5 Prozentpunkte) aufzufangen, ohne Anleihen verkaufen zu müssen. In der Vergangenheit mussten sie lediglich einen Anstieg von 100 Basispunkten verkraften. Im September betrug der Anstieg 160 Punkte und erfolgte außerdem so schnell wie selten zuvor.

Allerdings waren die Pensionsfonds bei weitem nicht der einzige Krisenherd.

Der BoE-Ausschuss für Finanzpolitik verweist in seinem Bericht auf den rasch wachsenden globalen Markt für Privatkredite, auf dem die Zinssätze im Allgemeinen höher sind. Das bedeutet, dass die Kredite „anfälliger für ein sich verschlechterndes makroökonomisches Umfeld“ sind und dass Spannungen in diesem Sektor „eine plötzliche Neubewertung des Anlegerisikos auslösen könnte, was zu deutlichen Wertverlusten führen könnte.“

Außerdem fordert der Ausschuss, dass weltweit „unverzüglich Anstrengungen“ unternommen werden müssen, um die Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte außerhalb des Bankensektors zu gewährleisten. Und er warnt, dass sich sonst „Schwachstellen“ herauskristallisieren könnten, „falls es zu weiterer Turbulenz oder scharfen Preisschwankungen bei Wertpapieren kommt.“

Der FPC beteuert, das britische Bankensystem könne ein breites Spektrum schwerwiegender wirtschaftlicher Folgen, einschließlich höherer Zinssätze, verkraften. Wie bei jedem nationalen Finanzsystem bestehe jedoch das Risiko von Ansteckungseffekten aufgrund globaler Ereignisse.

„Es gibt weiterhin Wege, auf denen die wirtschaftliche Lage in Großbritannien durch die jüngsten und möglicherweise zukünftigen Belastungen, verursacht von ausländischen Banken, beeinträchtigt werden kann“, so der Bericht.

Einer dieser Wege besteht aus den Auswirkung von Zinserhöhungen und einer Kreditverknappung auf den US-Immobilienmarkt, sowohl im Bereich für Gewerbe- als auch für Wohnimmobilien, wo kleinere und mittelgroße Banken den größten Teil der Finanzierung bereitstellen.

„Gewerbeimmobilien sind weltweit ein potenziell exponierter Sektor, denn höhere Zinssätze verringern nicht nur die Immobilienwerte, sondern erschweren Kreditnehmern die Tilgung“, heißt es in dem FPC-Bericht.

Befragt zu möglichen Problemen auf dem US-Immobilienmarkt nach der Sitzung der Fed Anfang des Monats wischte der Vorsitzende der US-Zentralbank Jerome Powell die Bedenken barsch zur Seite. Selbstverständlich sei er sich der Konzentration mittelgroßer Banken in diesem Bereich bewusst, doch sei er nicht der Meinung, dass dies ebenso schwerwiegend sei wie andere Herausforderungen für die Banken.

Zumindest im Moment mag das der Fall sein, aber die finanziellen Bedingungen ändern sich laufend, und die Effekte der Fed-Zinserhöhungen haben sich noch nicht voll entfaltet. Zweifellos wird es infolge der Turbulenzen um die SVB zu einer Kreditklemme kommen, da die Banken die Vergabe einschränken und obendrein versuchen, größere Liquiditätsreserven zu bilden.

Powell mag nicht übermäßig besorgt sein, andere schon.

In einem Artikel der Financial Times wurde letzte Woche berichtet, dass bereits vor der SVB-Pleite „die Spannungen auf dem 5,6 Billionen-Dollar-Markt für Gewerbeimmobilienkredite (CRE) in den letzten Monaten zunahmen“, und zwar aufgrund der Zinserhöhungen, und dass „Analysten befürchten, dass jede weitere Einschränkung der Kreditvergabe ... die prekäre Situation noch zuspitzen könnte.“

Einer Analyse von JP Morgan zufolge entfallen 70 Prozent aller CRE-Kredite auf kleine und mittlere Banken, wobei diese Darlehen 43 Prozent der gesamten Kreditvergabe der Banken ausmachen, im Gegensatz zu 13 Prozent bei den Großbanken.

In dem Bericht der Financial Times wird eine Notiz von Chong Sin, JP Morgan-Analyst für Kreditverbriefungen, zitiert: „Die SVB-Pleite wirft ein Schlaglicht auf die regionalen Banken, und deren Kredite für Gewerbeimmobilien geben nach wie vor Anlass zu größter Besorgnis.“

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