Perspektive

Wie weiter im Kampf für den Sturz von Macron?

Demonstration gegen Rentenkürzungen in Strasbourg, 7. Februar 2023 [AP Photo/Jean Francois Badias]

Bei den Massendemonstrationen gegen Präsident Emmanuel Macron in Frankreich wird immer klarer, dass die Arbeiterklasse im Kampf gegen den kapitalistischen Staat steht.

In den letzten drei Monaten hat es mehr als ein Dutzend landesweiter Streiks gegen Macrons Rentenkürzungen gegeben. Und immer wieder stellen die Arbeiter fest, dass sie sich in einem Kampf gegen die Regierung befinden und dass es darum geht, Macron zu stürzen.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Perspektive, Macron unter Druck zu setzen oder umzustimmen, zum Scheitern verurteilt ist. Als Millionen auf der Straße waren und sich drei Viertel der Franzosen in Umfragen gegen die Rentenkürzungen aussprachen, nutzte Macron seine Vollmachten als Präsident, um eine Abstimmung im Parlament zu umgehen – mit der Begründung, Frankreich müsse gegenüber den Banken glaubwürdig bleiben. Als im ganzen Land Massenproteste ausbrachen und zwei Drittel der Franzosen in Umfragen einen Generalstreik befürworteten, reagierte Macron mit einer Verschärfung der polizeilichen Repression.

Die Arbeiterklasse hat die Macht, Macron durch einen Generalstreik zu stürzen. Als größtes Hindernis erweisen sich jedoch die Gewerkschaftsbürokratien und ihre politischen Anhängsel, die alles daran setzen, Verwirrung zu stiften und die Proteste ins Leere laufen zu lassen. Ihr Kalkül ist, dass, je länger die Proteste ohne klares Ziel und Perspektive andauern, desto mehr Arbeiter es für sinnlos halten, sich weiter gegen Macron aufzulehnen, und schließlich aufgeben.

Nachdem es in ganz Frankreich zu spontanen Massenprotesten und Unruhen gekommen war, verlangte Laurent Berger, der Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds CFDT, eine „Vermittlung“ mit Macron. Ziel sei es, so Berger, Gewalt zu vermeiden. Arbeiter und Jugendliche lehnten seine Argumente einhellig ab, wohl wissend, dass Macron nicht die geringste Absicht hat nachzugeben.

Am Mittwoch ist Bergers „Vermittlung“ gleich am ersten Tag gescheitert. Macrons Minister erklärten schlicht, es werde sich nichts ändern. Berger wandte höflich ein, Frankreich befinde sich in einer „sozialen Krise, die nun in eine Krise der Demokratie umschlägt“, und schlug einen weiteren Protestmarsch vor. Aber jedes Mal, wenn Millionen demonstrieren, werden viele von der Bereitschaftspolizei verhaftet oder verletzt, und Macron hält unbeirrt an seiner Weigerung fest, irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

Macron weiß ganz genau, dass die Gewerkschaftsführer seine Regierung und den Staatsapparat gegen die Bewegung der Arbeiterklasse unterstützen. Andernfalls wäre er nicht außer Landes gereist, um China zu besuchen. Sicherlich hat irgendein Gewerkschaftsfunktionär bei einem der zahlreichen Treffen und Telefonate mit Regierungsvertretern so etwas gesagt wie: „Sagen Sie Manu, er kann beruhigt fahren. Keine Sorge, der Streik ist in guten Händen.“

In Frankreich stellt sich in aller Deutlichkeit die Frage, mit der Arbeiter, die den Kampf aufnehmen, überall konfrontiert sind: Wie kann man eine kapitalistische Regierung stürzen, die entschlossen ist, den Widerstand der Bevölkerung niederzuschlagen?

Die Parti de l'égalité socialiste (PES), die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, tritt dafür ein, von den Gewerkschaftsbürokratien unabhängige Aktionskomitees zu gründen, die den Kampf zum Sturz Macrons führen. Am 27. März schrieben wir:

Die Macron-Regierung, das Nervenzentrum der Verschwörungen der Finanzelite und des Polizeistaats gegen die Bevölkerung, muss gestürzt werden. Dies ist jedoch nur möglich durch die Mobilisierung der Masse der Arbeiter und Jugendlichen – in einer Kampagne für die Absetzung Macrons, die Abschaffung der drakonischen Befugnisse des französischen Präsidenten und die Vorbereitung eines Generalstreiks gegen Macron. …

In allen Betrieben und Schulen müssen Resolutionen verabschiedet werden, die den Sturz Macrons fordern. Dies erfordert die Einberufung von General- und Vollversammlungen aller Arbeiter und Jugendlichen in ihren Betrieben und Schulen, um über diese Resolutionen zu debattieren und sie zu verabschieden, sowie die Gründung von Aktionskomitees, um diese Resolutionen zu verbreiten und zu veröffentlichen und so die Arbeiterklasse gegen Macron zu vereinen. Diese unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse, die den Arbeitern ihre eigene Kampfkraft und kollektive Stärke bewusst macht, würde die Bedingungen für einen Generalstreik zum Sturz der Macron-Regierung schaffen.

Die aktuelle Krise legt den Klassencharakter jeder politischen Tendenz offen und entlarvt insbesondere die politischen Verteidiger der Gewerkschaftsbürokratie in den pseudolinken Parteien, d. h. die Vertreter der wohlhabenden Mittelschicht. Alle diese Parteien argumentieren, dass die Situation nicht revolutionär sei und nichts getan werden könne oder solle, um das Diktat der Gewerkschaftsbürokratien über den Klassenkampf zu brechen.

Während die pablistische Nouveau parti anticapitaliste (NPA) jede „linke“ Opposition gegen die Bürokratien als „sektiererisch“ verurteilt, träumt die lambertistische Parti ouvrier indépendant démocratique (POID) davon, dass die Gewerkschaftsbürokratien eine „revolutionäre“ Politik betreiben werden. Lutte ouvrière (LO) fordert „schlicht und einfach“ die Rücknahme von Macrons Kürzungen, als ob dies ohne den Sturz Macrons erreicht werden könnte. Die morenoistische Gruppe Révolution permanente meint, dass es keine Revolution geben wird, bevor die Arbeiter mehr Erfahrungen mit der „bürgerlichen repräsentativen Demokratie“ gemacht haben.

Die Empörung der Pseudolinken über die Forderung nach einer unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse in Aktionskomitees hat Jorge Altamira, den Führer der Partido Obrero (PO) in Argentinien, zu einer Schimpfkanonade gegen die PES veranlasst. Altamira behauptet, dass die PES „jede Aktion innerhalb der Gewerkschaften sabotiert, die sie als ‚bürgerlich‘ betrachtet“, und dass sie dazu aufruft, „den Streik zu ‚generalisieren‘.“

Das ist ein Wust an Verleumdungen. Die PES greift in die gewerkschaftlichen Kämpfe ein, um die einfachen Arbeiter von der politischen Kontrolle durch kleinbürgerliche Gewerkschaftsbürokratien zu befreien, die mit dem kapitalistischen Staatsapparat verbunden sind. Sie „sabotiert“ keine Arbeiterkämpfe, sondern entlarvt kleinbürgerliche Parteien wie die PO, die in den Reihen der Bürokratie bemüht sind, deren erstickenden Einfluss auf den Klassenkampf zu verstärken.

Die PES erhebt auch nicht die vage Forderung, Streiks zu „generalisieren“, sondern ruft die Arbeiterklasse dazu auf, sich unabhängig zu organisieren, um einen Generalstreik vorzubereiten, Macron zu vertreiben, seine Regierung zu stürzen und die exorbitanten Vollmachten der französischen Präsidentschaft abzuschaffen.

Die Entwicklung einer solchen Bewegung wäre ein enormer Schritt nach vorn.

Sie ist die wichtigste Voraussetzung dafür, die unmittelbare Forderung durchzusetzen, die Massen von Arbeitern in den Kampf treibt: die Rücknahme von Macrons Rentenkürzungen. Sie wird der Entwicklung des Klassenkampfs in der ganzen Welt einen ungeheuren Auftrieb geben. Und sie wird die Grundlage für den Kampf schaffen, die Macht an unabhängige Organe der Arbeiterklasse zu übertragen, um einen Arbeiterstaat zu errichten und die Gesellschaft auf sozialistische Weise umzugestalten.

Loading