Obwohl eine überwältigende Mehrheit der französischen Bevölkerung die Rentenkürzungen von Präsident Emmanuel Macron ablehnt, bereitet sich das französische Gewerkschaftsbündnis („Intersyndicale“) darauf vor, den Kampf aufzugeben. Während zwei Drittel der Bevölkerung eine Blockade der Wirtschaft und eine Verschärfung des Kampfs befürworten, bestehen die Gewerkschaftsbürokratien darauf, dass die Arbeiter sich darauf vorbereiten müssen, den Kampf aufzugeben.
Dies bestätigt die Position der Parti de l’égalité socialiste (PES). Sie hat von Anfang an darauf bestanden, dass es sich um einen Kampf zwischen den Arbeitern und dem gesamten kapitalistischen Staat handelt, in dem die Arbeiter gezwungen werden, sich unabhängig von den Gewerkschaftsapparaten zu organisieren, um Macron zu Fall zu bringen. Die Erklärungen der Gewerkschaftsführer bestätigen dies. Um den Kampf gegen Macron fortzusetzen, muss die Arbeiterklasse von den Gewerkschaftsapparaten unabhängige Aktionskomitees gründen.
Die Gewerkschaftsbürokratien veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung über die Proteste am Donnerstag. Darin erklärten sie, warum sie vorerst weiterhin die Rentenreform kritisieren, während sie eine „Vermittlung“ mit Macron eingeleitet haben, um den Kampf gegen seine Regierung zu beenden. Sie erklären:
Jede unserer Organisationen wird zu jedem dieser Themen zu angemessener Zeit Vorschläge formulieren, die das Leben unserer Mitbürger verbessern. Doch die Zeit dafür ist noch nicht gekommen! Die Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre wird sehr konkrete Folgen für das Leben unserer Mitbürger haben, auf ihre Gesundheit und ihre Lebensplanung. Deshalb werden wir nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren, als ob nichts passiert wäre, und fordern erneut die Rücknahme des Gesetzes, klar und deutlich.
Mit diesem zynischen Mischmasch versuchen die Gewerkschaftsführer zu verbergen, dass sie auf Macrons Seite stehen, der plant, den Lebensstandard der Arbeiter massiv zu senken. Dass Macron diese Reform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgesetzt hat, verdeutlicht, dass er gegen die Bevölkerung und im Interesse der Banken regiert.
Tatsächlich erklärt das Gewerkschaftsbündnis nicht, warum „die Zeit noch nicht gekommen ist“, um „Vorschläge zu formuliere, die das Leben unserer Mitbürger verbessern“. Man könnte naiverweise denken, dass jeder Zeitpunkt ein guter Zeitpunkt ist, um das Leben der Massen zu verbessern. Zudem würde laut Mehrheitsmeinung der Franzosen ein guter Vorschlag zur Verbesserung des Lebens darin bestehen, die Arbeiter zu einem Generalstreik zu mobilisieren, um die Wirtschaft zu blockieren, die Reform zu stoppen und Macron zu stürzen. Doch das Gewerkschaftsbündnis hat nicht die Absicht, diesen Vorschlag anzuhören.
Vielmehr will es abwarten, bis die Proteste abebben, und, wenn „die Zeit gekommen ist“, im Rahmen der von Macron diktierten Kürzungen ihre „Vorschläge“ vorzulegen. Diese Kürzungen werden verheerende Folgen für das Leben der französischen Bevölkerung haben und zu vielen vorzeitigen Todesfällen älterer Arbeiter an anstrengenden Arbeitsplätzen führen. Das Gewerkschaftsbündnis zieht es daher vor, seine Unterstützung für die Kürzungen zu verheimlichen.
Aber wenn die Gewerkschaftsführer sich an den „Verhandlungstisch“ mit Macron setzen, vermittelt dies der herrschenden Elite das Signal, dass ihr „erneuter“ Aufruf, die Kürzungen zurückzunehmen, der letzte sein könnte. Danach werden sie ihre „Vorschläge“ im Rahmen der Kürzungen entwickeln, die sie akzeptieren werden.
Der Vorsitzende der CFDT, Laurent Berger, hat dies gegenüber BFM-TV angedeutet: „Vielleicht wird es keinen Ausweg geben, und dieses Gesetz wird in Kraft treten und Gültigkeit haben.“ Er fügte hinzu, wenn Macron das Gesetz durchbrächte, würde der CFDT-Apparat zu keinen weiteren Streiks aufrufen.
Berger erklärte: „Wenn Sie mich fragen, ob es in sechs Monaten noch immer eine Demonstration pro Woche geben wird, lautet meine Antwort: nein.“
Über den Raffineriestreik erklärte Berger: „Es gibt Störungen, das tut mir wirklich leid, aber das Ziel ist nicht, die Wirtschaft zu blockieren.“
Die Erklärungen von Berger und der Intersyndicale missachten den Willen der Arbeiter und der Bevölkerung. Zwei Drittel der Franzosen fordern eine Blockade der Wirtschaft, der offensichtliche Zweck eines Streiks aller Raffinerien des Landes; außerdem lehnen drei Viertel der Franzosen die Kürzungen ab. Doch Berger sagt, er wolle die Wirtschaft nicht blockieren, und schließe auch die Umsetzung der Kürzungen nicht aus.
Während die Arbeiter den Kampf gegen die Kürzungen verschärfen wollen, rufen die Gewerkschaftsapparate zur „Vermittlung“ mit Macron auf und wollen die Mobilisierung gegen ihn stoppen.
Dies bestätigt die Analysen der PES, welche die Notwendigkeit betont hat, dass sich die Arbeiter unabhängig von den Gewerkschaftsbürokratien in Aktionskomitees organisieren, um Macron zu stürzen. Am 9. März veröffentlichte sie eine Erklärung mit dem Titel „Stoppt die Rentenkürzungen und den Krieg – stürzt die Macron-Regierung!“ Darin wies sie die Versuche zurück, „die Initiativen der Arbeiter den nationalen Gewerkschaftsbürokratien unterzuordnen“ und rief zur „Bildung von Aktionskomitees“ auf, die unabhängig von den Apparaten agieren.
Dies steht in krassem Gegensatz zur Klassenhaltung kleinbürgerlicher pseudolinker Parteien wie der morenistischen Gruppe Révolution permanente oder der lambertistischen Parti democratique ouvrier indépendant (POID). Sie plädieren dafür, dass die Gewerkschaftsbürokraten mehr Druck auf Macron ausüben, entweder indem sie sich in eine „revolutionäre“ Fraktion der Bürokratie verwandeln oder indem sie die Bürokratie selbst beschwören, revolutionär zu werden. Beide diese utopischen Perspektiven sind gescheitert.
Die Analyse der PES hingegen beruht auf der Analyse der Gewerkschaften, die das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) vorgenommen hat. Im Zeitalter des globalisierten Kapitalismus nach der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion 1991 wird ihr Bankrott immer offensichtlicher. In Frankreich, wo sie die Massenbasis verloren haben, die sie noch in den 1970ern und 1980ern hatten, haben sie seit den 1990ern vor zahlreichen Kürzungen der Renten oder anderer Sozialprogramme teilweise oder ganz kapituliert.
In dem Buch Die Russische Revolution und das unvollendete 20. Jahrhundert wies David North, der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, auf die grundlegenden Ursachen für die Tendenz der Gewerkschaftsbürokratie hin, die Interessen der Arbeiter zu verraten:
Natürlich besteht ein unverkennbarer Zusammenhang zwischen der Gewerkschaftsbewegung und dem Klassenkampf, aber nur in dem Sinne, dass der Konflikt zwischen den materiellen Interessen der Unternehmer und Arbeiter den Anstoß für die Organisation von Arbeitern in Gewerkschaften gibt. Aus dieser objektiven Gegebenheit folgt keineswegs, dass sich die Gewerkschaften als besondere, gesellschaftlich bestimmte Organisationsform mit dem Klassenkampf (dem sie historisch gesprochen ihre Existenz verdanken) identifizieren oder diesen führen wollen. Die Geschichte liefert vielmehr überwältigendes Beweismaterial dafür, dass sie sich eher seiner Unterdrückung widmen. (...)
Weil sie auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsverhältnisse stehen, sind die Gewerkschaften naturgemäß gezwungen, den Klassenkampf abzulehnen. Und da sie bemüht sind, mit den Arbeitgebern Vereinbarungen über den Preis der Arbeitskraft und die allgemeinen Bedingungen der Mehrwerterzeugung zu treffen, müssen die Gewerkschaften auch sicherstellen, dass ihre Mitglieder ihre Arbeitskraft entsprechend der ausgehandelten Verträge zur Verfügung stellen. Wie Gramsci bemerkte: „Die Gewerkschaft ist ein Element der Legalität und muss sich vornehmen, dass diese von ihren Mitgliedern respektiert wird.“
Doch die „Legalität“, welche die französischen Gewerkschaftsbosse den Arbeitern aufzwingen wollen, ist die illegitime und künstliche Legalität eines Präsidenten, der gegen die Bevölkerung regiert. Trotz der umfangreichen Medienpropaganda und der demoralisierenden Erklärungen der Gewerkschaftsführer herrscht unter Arbeitern und Jugendlichen eine enorme Bereitschaft zum Kampf. Die Gewerkschaftsführer bereiten sich darauf vor, diesen Kampf aufzugeben, weil der Sturz Macrons einen politischen Kampf erfordern würde, der ihre eigene Position im Staatsapparat gefährden würde.
Die PES wird jedoch darauf reagieren, indem sie umso entschlossener für den Aufbau von Arbeiter-Aktionskomitees und ein marxistisches revolutionäres Bewusstsein in der Arbeiterklasse kämpft. Dies wird Arbeiter in die Lage versetzen, Macron ebenso wie seine Lakaien in den Gewerkschaften zu stürzen.
