Bericht eines ukrainischen Trotzkisten:

Die Verbrechen der Bandera-Anhänger gegen das ukrainische Volk

Die Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und ihres paramilitärischen Flügels, der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), wie auch ihre faschistischen Anhänger waren an zahlreichen Verbrechen beteiligt, die sich auch gegen das ukrainische Volk richteten. Dennoch werden ihre ominösen Namen heute nicht mit Verbrechen gleichgesetzt, sondern sie gelten in der Ukraine als Nationalhelden, nach denen Straßen, Plätze und Cafés benannt werden. Im ganzen Land hat man ihnen zu Ehren Denkmäler errichtet.

Stepan Bandera-Denkmal in Lwiw [AP Photo/Bernat Armangue]

Die ukrainischen bürgerlichen Nationalisten argumentieren seit langem, dass die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik kein legitimer Staat wie die heutige bürgerliche Ukraine gewesen sei. Die Sowjetukraine sei, so behaupten sie, überhaupt keine Ukraine gewesen.

Für sie waren die Befreiung von der faschistischen Besatzung durch die Rote Armee im Oktober 1944 und der Sieg über den Faschismus in Deutschland im Mai 1945 keine Befreiung, kein Sieg, sondern eine neue Besetzung der Ukraine durch Sowjetrussland. Sie akzeptieren nur den ukrainischen Staat als legitim, der im Sommer 1941 ausgerufen wurde, als die SS-Division „Nachtigall“ und Stepan Banderas Kommando „Roland“ in das von den Nazis besetzte sowjetische Lvov (Lviv) einmarschierten. Und sie akzeptieren den ukrainischen kapitalistischen Staat, der als Ergebnis der Restauration des Kapitalismus und der Liquidierung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie [1991] entstand. Diejenigen, die ihre Vision einer kapitalistischen Ukraine nicht teilen oder sie damals nicht teilten, sind für die ukrainischen bürgerlichen Nationalisten Leute, die politisch zu unterdrücken sind.

Banderas OUN und Nazi-Funkitonäre bei der gemeinsamen Feier zur ukrainischen Staatsgründung in der Westukraine, 7. Juli 1941

Von 1944 bis 1953 tobte in der von der Sowjetunion eingenommenen Westukraine ein Bürgerkrieg. Auf der einen Seite stand die OUN-UPA, und auf der andern die stalinistisch geführte Rote Armee. In dieser Zeit erhielt die OUN-UPA, die zuvor mit den Nazis kollaboriert hatte, von den imperialistischen Mächten und ihren Geheimdiensten, einschließlich der neu gegründeten CIA, erhebliche Finanzmittel, Waffen und andere Unterstützung.

Historiker gehen heute davon aus, dass die OUN-UPA im Westen der Ukraine in diesem Bürgerkrieg fast 25.000 sowjetische Soldaten, Polizisten und Grenzsoldaten, zweieinhalbtausend Parteimitglieder und etwa sechshundert Leiter von Kolchosen und Dorfräten töteten. Unter den Ermordeten waren 30 Sekretäre von Bezirkskomitees, 32 Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende von Bezirksregierungen, 37 Sekretäre der regionalen Partei- und Komsomolausschüsse sowie Hunderte von Abgeordneten der örtlichen Sowjets. Nach Angaben des Historikers Grzegorz Rossoliński-Liebe ermordete die OUN-UPA außerdem mehr als 20.000 ukrainische Zivilisten.

Dabei sind die vielen Zehn- und sogar Hunderttausenden von Juden und Polen in der Ukraine, die den ukrainischen Faschisten zum Opfer fielen, noch nicht mitgezählt. Sie waren schon zuvor, im Lauf der Besetzung der Ukraine durch die Nazis, abgeschlachtet worden. Leider hat die Geschichte die Gesamtzahl der Menschen, die die Banderisten ermordet haben, totgeschwiegen, aber die Erinnerung an die Gräueltaten der letzteren und an das von ihnen vergossene Blut der sowjetischen Bevölkerung in der Ukraine hat sich tief in das Bewusstsein der Arbeiterklasse eingeprägt.

Polnische zivile Opfer des UPA-Massakers in Lipniki am 26. März 1943 (via Wikimedia commons)

Erinnerungen daran werden Sie in keinem Buch finden, auch wenn Sie danach suchen sollten. Ich hatte das Glück, mit Betroffenen zu sprechen, die diese Gräueltaten überlebt hatten. Und dank der WSWS können ihre Erinnerungen nun einem internationalen Publikum zugänglich gemacht werden.

In meinem Leben habe ich viele Menschen getroffen, die meine Meinung über die Bandera-Leute stärker geprägt haben als jede schriftliche Quelle. Ein erstes zufälliges Gespräch führte ich mit meiner älteren Nachbarin, die ich schon lange kannte und mit der ich bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 Freundschaft pflegte. Während eines gemeinsamen Spaziergangs im Sommer 2012 erzählte sie mir von einem Vorfall, der ihr in ihrer Jugend widerfahren war.

Sie erinnerte sich, wie sie sich einmal in einem Café am Bahnhof mit einem Mann, den sie dort kennengelernt hatte, am Tisch unterhielt. Dieser erblickte während des Gesprächs einen Mann nicht weit von ihrem Platz an einem andern Tisch, erkannte ihn als einen Bandera-Anhänger und machte sie auf ihn aufmerksam. Kurz nach diesem Vorfall erfuhr sie, dass ihr Bekannter mit durchschnittener Kehle im Wald aufgefunden worden sei. Dies geschah in der Westukraine.

Mein zweites Gespräch über die Bandera-Leute und ihre Verbrechen fand im März 2013 statt. Ein alter Mann erzählte mir und einigen Freunden von seiner Kindheit in einem Dorf in der Region Iwano-Frankiwsk. Was er uns über die Schrecken erzählte, die er als Kind erlebt hatte, war schockierend. Vier Jahre nach diesem Gespräch schlug ich vor, uns wieder zu treffen, damit ich seine Erinnerungen schriftlich festhalten konnte. Hier ist das, was ich vor fast 6 Jahren aufgezeichnet habe:

Ich wurde im Jahr 1934 geboren. Die Banderisten haben meine Cousine umgebracht, und zwar nur aus dem Grund, weil sie nach dem Krieg in einer Kantine arbeitete und Essen für die sowjetischen Soldaten kochte.

[Eines Tages] klopfte es des Nachts an das Fenster unseres Bauernhauses, und mein Stiefvater öffnete die Tür. Sie schrien ihn an: „Halt! Habt ihr eine Browning?“ Und er antwortete ihnen: „Woher soll ich denn eine haben? Ich bin doch nur ein Bauarbeiter!“

Dann fesselten sie seine Hände mit Stacheldraht, und am nächsten Tag fand man ihn, bloß in einem anderen Dorf, kopfüber in einen Brunnen geworfen, zusammen mit anderen ethnischen Polen.

Der Mann erinnerte sich auch daran, wie er eines Tages in ein anderes Dorf ging:

Ich sah einen Mann am Straßenrand an einen Baum gelehnt. Ich rief ihn an: „Wohin gehen Sie, mein Herr? Gehen Sie denselben Weg wie ich?“ Ich sprach ihn weiter an: „Mein Herr?“ Dann beschloss ich, näher heranzutreten und ihn zu berühren: Er war gehängt worden.

Der Mann trat dem Komsomol bei, jedoch erinnerte er sich: „Ich hatte Angst, meiner Mutter zu sagen, dass ich dem Komsomol beigetreten war. Sie hätte sich Sorgen um mich machen können, denn man hätte mich [an die ukrainischen Nationalisten] verraten können.“ Er fuhr fort:

[Eines Tages] ging ich mit meinen Freunden zum Schwimmen im Fluss, und neben uns saßen zwei Bandera-Leute. Sie saßen da und prahlten: „Wir kamen zu einer Hütte, und wir hatten viel gutes Material [Waffen] dabei. Wir fühlten uns stark, also töteten wir alle; aber siehe da: Die alte Frau lebte noch. Und wir begannen, auf sie zu schießen. Sie drehte sich um, und wir töteten sie erst mit dem dritten Schuss.“

Er erinnerte sich auch daran, wie der NKWD einmal Flugblätter unter den UPA-Banden verteilt hatte: Wenn ihr euch den sowjetischen Behörden ergebt, wird euch nichts geschehen. Viele [UPA-Kämpfer] kamen auch tatsächlich aus den Wäldern. Sie wurden jedoch noch in derselben Nacht von Bandera-Kämpfern getötet, zusammen mit ihrer ganzen Familie.

Er fuhr fort:

Ich hatte in unserer Nachbarschaft ein Mädchen kennengelernt. Kurze Zeit später sah ich sie dann mit abgerissenem Kopf mitten auf der Straße liegen, neben einem Banderisten, der ebenfalls tot war. Sie waren wahrscheinlich vor der Verfolgung durch den NKWD geflohen, und der Banderist hatte sich und sie mit einer Granate in die Luft gesprengt.

Bei den führenden Kräften der Bandera-Anhänger vor Ort handelte es sich zumeist um wohlhabende Kulaken, die großflächig Land besaßen.

Die letzte Erinnerung, die ich aus seinen Worten aufgezeichnet hatte, wirft ein Licht auf die Legende, dass die Bandera-Leute während der Besatzung gegen die Nazis gekämpft hätten.

Es heißt ja, dass die Banderisten gegen die Nazis gekämpft hätten. – In meiner ganzen Erinnerung entsinne ich mich nur an ein einziges Mal, als ein Deutscher einen Banderisten erschoss. Das war, als beide betrunken waren und anfingen, aufeinander zu schießen. Der Deutsche tötete den Banderisten auf der Stelle, während er selbst es bis ins Krankenhaus schaffte. – Die Bandera-Leute haben nicht gegen die Deutschen gekämpft. Wenn die Deutschen irgendwo schossen, liefen sie weg oder versteckten sich. Als unsere Truppen sie angriffen, kämpften sie mit den Deutschen gegen die Rote Armee.

Mein drittes Gespräch fand mit meinem Nachbarn statt, der 1937 geboren wurde. Nach dem Krieg zog er für die Dauer des Dienstes seines Vaters in der Roten Armee in den Norden der Region Chmelnizkij. Er erzählte mir, wie sein Vater einmal zusammen mit seinen Soldaten in den Wald ging, um Brennholz zu holen. Sie wurden von Bandera-Kämpfern angegriffen, und sein Vater erlitt durch den Angriff einen schweren Schock.

In dem Haus, in dem sie wohnten, hatten die Bandera-Kämpfer Waffen versteckt. Sie entdeckten dies erst nach einem Unfall, als sich ein Mann in seinem Alter beim Angeln mit einer Granate in die Luft sprengte. Er erzählte mir auch eine Geschichte, die er in seinem Dorf gehört hatte: Die Banderisten hungerten und waren auf der Suche nach Nahrung. Und viele im Dorf gaben ihnen nichts, sei es aus Angst oder weil sie es einfach nicht wollten. Ein älterer Mann schlief mit seiner Kuh im Stall, um sie zu schützen, und band die Kuh an sein Bein. Als er aufwachte, fand er nur noch ihren Kopf an sein Bein gebunden und das, was von ihr übrig war.

Das letzte Gespräch fand im November 2018 statt. Es war ein Gespräch mit einer älteren Frau, die mir von der großen Tragödie ihres Lebens erzählte: Sie wurde mit 18 Jahren zur Witwe, weil ihr Mann, der in die Westukraine gegangen war, auf einer Geschäftsreise von Bandera-Kämpfern getötet wurde. In anderen Gesprächen erfuhr ich, wie die Bandera-Männer verwundete sowjetische Soldaten aus einem Militärkrankenhaus entführten und sie dann in den Wäldern töteten und verbrannten. Sie brachen in die Kasernen ein, in denen sowjetische Soldaten schliefen, und töteten sie.

Wenn man all diese Erinnerungen und Geschichten von Menschen hört, die all dies selbst erlebt haben, wird einem klar, dass die Schilderungen des ukrainischen kommunistischen Schriftstellers Jaroslaw Halan wahr sind. In seinem berühmten Pamphlet „What Has No Name?“ schrieb er:

Ein 14-jähriges Mädchen kann den Anblick von Fleisch nicht ertragen. Wenn in ihrer Gegenwart Koteletts gebraten werden, wird sie blass und zittert wie Espenblatt.

Vor ein paar Monaten, in der Osternacht, kamen bewaffnete Männer in ein Bauernhaus in der Nähe der Stadt Sarny und stachen mit Messern auf seine Bewohner ein. Das Mädchen sah mit vor Angst geweiteten Augen die Qualen ihrer Eltern mit an.

Einer der Banditen setzte dem Kind eine Messerklinge an die Kehle, doch im letzten Moment kam ihm eine neue „Idee“ in den Sinn.

„Lebe zum Ruhm von Stepan Bandera! Und damit du nicht verhungerst, überlassen wir dir etwas zu essen. Los, Jungs, schneidet ihr Schweinefleisch auf“ ... Den „Jungs“ gefiel das. Sie schnappten sich Teller und Schüsseln aus den Regalen, und ein paar Minuten später wuchs vor dem entsetzten Mädchen ein Berg Fleisch aus den blutenden Körpern ihres Vaters und ihrer Mutter.

Das ist aus den degenerierten Banditen, die sich „ukrainische Nationalisten“ nennen - Bandera, Bulbov, Melnikov - geworden. Ihre Taten in den letzten Jahren sind eine ununterbrochene Kette wilder Gräueltaten, monströser und ungezügelter Auftritte und beispielloser Provokationen.

Halan, der 1948 als sowjetischer Korrespondent an den Nürnberger Prozessen gegen die Führer Nazideutschlands teilnahm, wurde 1949 in Lvov (Lviv) selbst in seinem Büro von Bandera-Leuten getötet, die ihm elfmal mit einer Axt in den Kopf schlugen.

Die Leiche des sowjetischen antifaschistischen Schriftstellers Jaroslaw Halan nach seiner Ermordung durch zwei OUN-Mitglieder am 24. Oktober 1949

Heute wie damals sind die Verbrechen derer, die sich als ideologische Nachfolger und Anhänger von Bandera bezeichnen, praktisch unzählbar. Sie sind heute wie damals eine blutige Meute von Schakalen im Dienste des Kapitals, die von einem Kapitalisten zum anderen laufen. Auch wenn sie ihre Zahlmeister wechseln, ändern sie nicht ihr Wesen. In ihren Gesichtern und Köpfen befindet sich nichts als Rückständigkeit und tierischer Hass. Ihre Ideen sind reaktionär.

Aber genau diese Ideen von Bandera werden heute nicht nur von Imperialisten und bürgerlichen ukrainischen Nationalisten propagiert, die die Verbrechen der OUN-UPA rechtfertigen, sondern auch von denen, die sich als ukrainische Nationalkommunisten bezeichnen. Sie versuchen, all diese Gräuel mit der Behauptung zu rechtfertigen, dass die von Stalin in der Westukraine betriebene Politik daran Schuld sei.

Aber ist es möglich, diejenigen zu entschuldigen, die die Städte und Dörfer der Westukraine in eine wahre Hölle verwandelten, die Mütter und Kinder quälten, die die Brunnen mit Leichen von Ukrainern und Russen, Juden und Polen füllten?

Ja, es gab viele unter ihnen, die eingeschüchtert, getäuscht, beleidigt und zu Unrecht unterdrückt worden waren. Doch für die Behauptung, die faschistischen Banderisten seien „Freiheitskämpfer“ gegen den Stalinismus gewesen, gibt es keine Grundlage.

Wir orthodoxen Trotzkisten sind der Meinung, dass es notwendig ist, die historische Wahrheit über die Ereignisse der 1940er und frühen 1950er Jahre in der Westukraine zu untersuchen und aufzuklären. Die stalinistische Bürokratie weigerte sich, den ukrainischen Faschismus durch die Mobilisierung der Arbeiterklasse zu bekämpfen, und stattdessen organisierte sie eine gewaltsame bürokratische Repression, die sich oft gegen völlig unschuldige Menschen richtete. Als Trotzkisten haben wir den Stalinismus und die damit verbundene Repression und Gewalt immer scharf verurteilt und verurteilen sie noch heute.

Dies kann jedoch in keiner Weise den Terror und den nationalen und politischen Völkermord rechtfertigen, den die ukrainischen bürgerlichen Nationalisten und Faschisten entfesselt haben. Diejenigen, die Tod, Angst, Leid und Tränen über das ukrainische Land brachten, die in den Bauernhütten Blut vergossen und Brunnen mit Leichen füllten, können keine Nationalhelden sein. Man kann nur eines sagen: Schande! Und Schande über alle, die unter dem Deckmantel der Kritik am Stalinismus versuchen, die Verbrechen der OUN-Banden zu rechtfertigen.

Die Menschen in der Ukraine und auf der ganzen Welt müssen wissen und dürfen niemals vergessen, wer das war, dessen Unterstützung sich die Imperialisten bedienten und noch bedienen, um ihre Hegemonie zu sichern und die Arbeiter weiter unter das Joch des Kapitals zu zwingen.

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