Der 1. Mai 2023 und der Kampf gegen Krieg

Die folgende Rede hielt Andre Damon, Autor und Redakteur der World Socialist Web Site und Mitglied des Politischen Komitees der Socialist Equality Party (US), auf der internationalen Online-Kundgebung zum 1. Mai 2023, die am Sonntag, den 30. April, stattfand. Die Aufzeichnung der gesamten Kundgebung kann hier abgerufen werden.

Rede von Andre Damon – Internationale Online-Kundgebung zum 1. Mai 2023

Liebe Freunde und Genossen,

während wir diese Kundgebung zum Ersten Mai veranstalten, befindet sich die Welt im Krieg.

Die ehemalige Sowjetunion ist zu einem Schlachtfeld geworden. Auf beiden Seiten gibt es Hunderttausende Tote und Verwundete. Junge Rekruten und alte Männer werden für ein paar Meter Landgewinn in den Tod geschickt. Der Krieg in der Ukraine hat Millionen von Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Er hat verheerende kulturelle und soziale Folgen.

Aber in den Plänen der Imperialisten ist dies alles nur Vorgeplänkel.

Massen von Soldaten sind auf der ganzen Welt unterwegs. In ganz Europa bilden sich neue Kampflinien, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Während sich bereits über 150 aktive Nato-Kämpfer in der Ukraine befinden, sind schon Zehntausende weitere Soldaten an die russischen Grenzen verlegt worden. Nach Aussage eines Kommandeurs sind sie bereit „noch heute Nacht zu kämpfen“.

Im Pazifik wird die Inselkette, die das chinesische Festland umgibt, eine der bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich wichtigsten Regionen der Welt, in eine militarisierte Bastion für einen Krieg mit China verwandelt.

Just in diesem Augenblick spielen Kriegsplaner im Pentagon Szenarien durch, in denen große Teile der Menschheit bei strategischen Atomschlägen getötet werden und die menschliche Zivilisation im darauf folgenden nuklearen Winter zusammenbricht.

Der Krieg in der Ukraine wurde von den Vereinigten Staaten provoziert, angezettelt und am Laufen gehalten. Der weltweite Ausbruch des amerikanischen Imperialismus nach der Auflösung der UdSSR hat sich weiterentwickelt zum Krieg gegen Russland und zu aktiven Kriegsvorbereitungen gegen China.

Die Vereinigten Staaten verkünden, dass wir uns in einem Zeitalter der „Großmachtkonflikte“ befinden. In der letztjährigen Nato-Erklärung heißt es, man werde sich auf „kriegerische Auseinandersetzungen gegen nuklear bewaffnete Mitbewerber“ vorbereiten.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einem Luftwaffenstützpunkt in Tallinn am 1. März 2022 [AP Photo/Leon Neal]

Vor zwanzig Jahren begann die Bush-Regierung mit der Invasion im Irak. Es war ein brutaler, illegaler und verbrecherischer Krieg, der über eine Million Menschen tötete und eine ganze Gesellschaft zerstörte.

Es war ein Krieg, der durch Lügen gefördert wurde. Das Weiße Haus hatte sich mit den Leitmedien verschworen, um eine eklatante Unwahrheit zu verbreiten: die Behauptung, der Irak würde Massenvernichtungswaffen herstellen. So wurde die Besetzung und Plünderung des Landes gerechtfertigt.

Heute werden die Lügen, die zum Einmarsch in den Irak führten, nicht als schreckliche Abirrung betrachtet, sondern als ein gangbares Modell, um die Ziele der herrschenden Klasse zu erreichen.

Die von den Medien inszenierte Lüge von den „Massenvernichtungswaffen“ ist zu einem Dauerzustand geworden: Das Finanzsystem ist solide. Covid-19 verläuft „mild“. Kinder bekommen kein Covid-19. Die Pandemie ist vorbei. Masken nützen nichts. Die Lügen häufen sich, bis es fast unmöglich ist, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.

Alles, was mit dem Krieg zu tun hatte, wurde der Öffentlichkeit als Lüge verkauft. „Es handelt sich nicht um einen Stellvertreterkrieg ... die NATO ist nicht beteiligt“, erklärte das Weiße Haus. „Ich werde keine amerikanischen Soldaten zum Kampf in die Ukraine schicken“, erklärte Biden. All diese Lügen sind nach und nach wie Dominosteine umgefallen, bis nur noch die Realität übrig bleibt, dass sich zwei atomar bewaffnete Mächte im Krieg gegenüberstehen.

Der Kampf gegen den Krieg erfordert nicht nur die Widerlegung der eklatanten Unwahrheiten, mit denen die Imperialisten ihre Verbrechen rechtfertigen, sondern eine ernsthafte Aufklärung.

„Was ist eigentlich der imperialistische Krieg gewesen?“ fragte Leo Trotzki in Bezug auf den Ersten Weltkrieg. Und er erklärte:

Nichts anderes als ein Aufstand der Produktivkräfte nicht nur gegen die bürgerlichen Formen des Eigentums, sondern auch gegen die engen Rahmen der kapitalistischen Staaten. Der imperialistische Krieg war ein Ausdruck des Umstandes, dass es den Produktivkräften unerträglich eng geworden war innerhalb der nationalen Staatengrenzen. Wir haben stets behauptet, dass der Kapitalismus nicht imstande ist, die von ihm entwickelten Produktivkräfte zu regieren, und dass es nur der Sozialismus vermag, diese Kräfte, welche über die Rahmen der kapitalistischen Staaten hinausgewachsen sind, zu einem höheren Wirtschaftsganzen zusammenzufügen.

Diese Worte, die zur Beschreibung des 20. Jahrhunderts geschrieben wurden, gelten umso mehr für das 21. Jahrhundert. Wir erleben aktuell, wie die Barbarei von Verdun und den Schlachtfeldern der Somme wieder auflebt, aber heute wird das Blutbad unterstützt von Drohnen und KI-gesteuerten Waffen.

Überall stemmt sich die alte, reaktionäre Gesellschaftsordnung gewaltsam gegen die globalisierten Produktivkräfte. Um die fortschreitende Macht der künstlichen Intelligenz und der globalen Kommunikationsnetze zu bekämpfen, wird der Schlamm des finsteren Zeitalters ausgebaggert und in die Öffentlichkeit gespült, um die öffentliche Meinung zu korrumpieren und das öffentliche Bewusstsein auf einen neuen Weltkrieg vorzubereiten.

Corona-Anhörung des Senatsausschusses für Gesundheit, Bildung, Arbeit und Renten. Senator Rand Paul (Republikaner, Kentucky) befragt den Experten für Infektionskrankheiten, Dr. Anthony Fauci. Washington, 20. Juli 2021 (AP Photo/J. Scott Applewhite, Pool) [AP Photo/J. Scott Applewhite]

Russische Musiker dürfen in Amerika nicht auftreten, es sei denn, sie leisten einen Treueeid und stellen sich offen auf die Seite Amerikas im Krieg. Amerikanische Wissenschaftler, die sich für eine offene wissenschaftliche Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Kollegen einsetzen, werden beschuldigt, Covid-19 entwickelt zu haben.

Die rassistische Verleumdung zeigt wieder einmal ihre abscheuliche Fratze. Überall wird wissenschaftsfeindliche Bigotterie gefördert, und die herrschende Klasse ist bestrebt, den Scopes-Prozess neu aufzurollen und die Wissenschaftler endlich in ihre Schranken zu weisen.

Niemand sollte die Gefahr unterschätzen, die von den Kriegsplänen der Imperialisten ausgeht - bewaffnet mit Waffen und Propagandamethoden des 21. Jahrhunderts. Schließlich hat es noch nie einen Weltkrieg gegeben, in dem mehrere Kombattanten über Atomwaffen verfügten.

Es wäre jedoch ein weitaus größerer Fehler, die Kräfte zu unterschätzen, die gegen diesen Krieg in den Kampf ziehen werden. Denn bei aller Zerstörung durch die modernen Kriegsinstrumente sind die kreativen und fortschrittlichen Kräfte, die die moderne Welt hervorbringt, stärker.

Die Arbeiterklasse, die in einem globalen Produktionsprozess vereint und durch globale Kommunikationsmechanismen miteinander verbunden ist, ist unermesslich mächtiger als die Kräfte der Reaktion.

Frau in Nigeria mit Smartphone (AP Photo/Ben Curtis) [AP Photo/Ben Curtis]

Die Mobilisierung dieser großen Kraft erfordert jedoch eine Perspektive und Führung. Wir sind heute versammelt, um diese Führung aufzubauen. Um die Kräfte der trotzkistischen Bewegung zu vereinen, von Australien über Sri Lanka, auf der gesamten eurasischen Landmasse und in Amerika. Um den Kampf für die Entstehung einer neuen, sozialistischen Gesellschaft zu proklamieren, die aus den Todesqualen der alten, überkommenen Gesellschaft hervorgeht.

Wird es möglich sein, eine revolutionäre Führung aufzubauen, um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern und die menschliche Zivilisation zu retten? Diese Frage wird durch den Kampf entschieden - durch die Aktionen der heute hier Versammelten und derjenigen, die von ihnen inspiriert und ausgebildet werden.

Ich fordere alle Teilnehmer am diesjährigen 1. Mai auf: Tragt euren Teil dazu bei, den Kampf gegen Krieg zum Kampf für den Sozialismus weiterzuentwickeln.

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