Staatshilfen ausschlaggebend bei Übernahme der First Republic Bank durch JPMorgan

In den Morgenstunden des 1. Mai, noch vor Öffnung der Wall Street, wurde die angeschlagene First Republic Bank von JPMorgan Chase aufgekauft. Zuvor war sie bereits von der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC; Bundeseinlagenversicherung) „gerettet“ worden.

Regulierungsbehörden pfändeten die insolvente First Republic Bank am Montag und verkauften alle Einlagen und den Großteil der Vermögenswerte an die JPMorgan Chase Bank [AP Photo/Richard Drew]

Um das Geschäft abzuschließen, mussten die Wettbewerbsregeln für den Bankensektor außer Kraft gesetzt werden. Unter normalen Umständen hätte JPMorgan, die bereits die größte Bank der Vereinigten Staaten ist, First Republic nicht kaufen dürfen. Denn die Regulierung schreibt vor, dass keine Bank mehr als 10 Prozent der versicherten Einlagen in den USA halten darf.

Die Genehmigung zur Umgehung der Vorschriften wurde vom Office of the Comptroller of the Currency (OCC; Büro des Rechnungsprüfers der Währung) erteilt, das dem US-Finanzministerium untersteht.

Wie eine mit der Situation vertraute, nicht namentlich genannte Person der Financial Times(FT) sagte, erhielt JPMorgan „eine Ausnahmegenehmigung, weil es bei weitem das beste Angebot war“.

Um den Eindruck einer weiteren staatlichen Rettungsaktion zu vermeiden, wird die Übernahme als „privatwirtschaftliche“ Lösung angepriesen. In Wirklichkeit fließen aber beträchtliche Summen öffentlicher Gelder.

Der Vorstandsvorsitzende von JPMorgan, Jamie Dimon, stimmte der Übernahme erst zu, nachdem er von der FDIC die Zusicherung erhalten hatte, dass diese einen möglichen Verlust decken würde. Dimon hatte auch erklärt, die Regierung habe ihn gebeten, sich zu engagieren.

Im Rahmen der Vereinbarung wird JPMorgan den größten Teil der Vermögenswerte des Unternehmens kaufen. Dazu gehören Kredite in Höhe von 173 Milliarden Dollar und Wertpapiere in Höhe von 30 Milliarden Dollar ebenso wie Einlagen in Höhe von 93 Milliarden Dollar.

Der FDIC entsteht ein finanzieller Schaden von 13 Milliarden Dollar, zusätzlich zu den mehr als 20 Milliarden Dollar an Verlusten, die sie aufgrund der Insolvenzen von SVB und Signature bereits erlitten hat. Zusätzlich erhält JPMorgan eine Finanzierungshilfe in Höhe von 50 Milliarden Dollar von der FDIC und ist berechtigt, eventuelle Verluste mit ihr zu teilen.

Die Regierungshilfe war von entscheidender Bedeutung. Laut einer Pressemitteilung von JP Morgan erwartete das Unternehmen einen sofortigen Gewinn aus der Transaktion, aber ohne die Unterstützung der Regierung hätte es unmittelbar nach dem Abschluss Milliardenverluste erlitten.

Der Zusammenbruch der First Republic, der vierzehntgrößten Bank des Landes, ist der zweitgrößte in der US-Finanzgeschichte, einen Rang, den zuvor die Silicon Valley Bank (SVB) innehatte. Letztere brach im März zusammen und musste nach einem Bank-Run übernommen werden, nachdem an einem einzigen Tag 40 Milliarden Dollar abgehoben wurden und weitere 100 Milliarden Dollar zur Abhebung anstanden.

Der Untergang der SVB, gefolgt vom Zusammenbruch der Signature Bank, war Auslöser für die Krise der First Republic, die sich in den letzten Jahren rasant vergrößert hatte. Sie hatte sehr wohlhabenden Privatpersonen Hypothekendarlehen zu extrem niedrigen Zinssätzen gewährt und im Gegenzug deren Geschäftskonten erhalten. Mit steigenden Zinsen wurde dieses Geschäftsmodell jedoch zunehmend unrentabel.

Für das erste Quartal vermeldete die First Republic einen Verdienst von durchschnittlich 3,73 Prozent bei ihren Krediten. Um seine Liquidität aufrechtzuerhalten, war das Unternehmen jedoch gezwungen, sich Geld bei der Federal Reserve (Fed) zu einem Zinssatz von 4,5 Prozent zu leihen, wodurch es weniger Geld in Form von Zinsen erhielt, als es zahlte.

Nachdem die Bank am vergangenen Montag bekannt gegeben hatte, dass im ersten Quartal des Jahres 100 Milliarden Dollar abgezogen worden waren, fiel der Aktienkurs auf einen Tiefststand von 3,51 Dollar. Zuvor war er zum Jahresbeginn noch mit 147 Dollar und sogar Anfang März noch mit 115 Dollar notiert worden.

Die FDIC organisierte daraufhin die Übernahme, um eine weitere „systemrelevante Ausnahme“ wie im Falle von SVB und Signature zu vermeiden. Bei jenen hatte sie bereits alle unversicherten Einlagen über der Grenze von 250.000 Dollar abgesichert. Die Übernahme ist nun im Rahmen der Vereinbarung mit JPMorgan, die alle Einlagen der First Republic übernimmt, gelungen.

Während der gesamten Krise lauteten die offiziellen Erklärungen  – vom Vorsitzenden der Federal Reserve, Jerome Powell, bis zur Finanzministerin Janet Yellen –, dass das US-Bankensystem „solide“ sei und die Rettungsmaßnahmen zeigten, dass es „widerstandsfähig“ sei.

Aber wie das Sprichwort sagt: Fakten sind hartnäckig, und sie sprechen eine eindeutige Sprache. Tatsache ist, dass drei der vier größten Bankenzusammenbrüche in den USA in den letzten zwei Monaten stattgefunden haben. Die drei aktuellsten werden nur noch vom Zusammenbruch der Washington Mutual im Jahr 2008 übertroffen.

Die leidige Erfahrung zeigt, dass keine offizielle Erklärung für bare Münze genommen werden darf. Mitte März brachten Yellen und Dimon ein Rettungspaket für die First Republic auf den Weg, in dessen Rahmen 11 Großbanken, organisiert von JPMorgan, 30 Milliarden Dollar bei der Bank hinterlegten.

Eine von Yellen geleitete Gruppe von Aufsichtsbehörden erklärte: „Diese Unterstützung durch eine Gruppe von Großbanken zeigt die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems.“

Die Rettungsaktion scheiterte fast sofort, als klar wurde, dass die First Republic kurz vor dem Bankrott stand. Doch einige Insider hatten die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt.

So berichtete das Wall Street Journal: „Topmanager der First Republic verkauften in den zwei Monaten, bevor die Aktien der Bank abstürzten, Anteile im Wert von etlichen Millionen Dollar.“

Darüber hinaus zahlte die Bank Millionen Dollar an Familienmitglieder ihres Gründers, James Herbert, unter anderem für „Beratungsdienste im Zusammenhang mit Zinssätzen und Risiken“. Einer der Gründe für das Scheitern der Bank war, dass ihr Geschäftsmodell auf der Annahme beruhte, dass die extrem niedrigen Zinssätze der Fed unbegrenzt anhalten würden, und sie zerbrach, als die Zinssätze drastisch anstiegen.

In dieser Phase der Finanzkrise gibt es Probleme mit unversicherten Einlegern, sprich Einlagen über 250.000 Dollar, die nicht durch die gesetzliche Garantie der FDIC gedeckt sind. Es gibt Bestrebungen, diese Situation zu ändern.

In einem Bericht an den Kongress empfahl die FDIC am Montag, ihr zu erlauben, das bestehende Versicherungssystem auf Konzerne auszuweiten. Der Vorsitzende der FDIC, Martin Gruenberg, betonte in einer dem Bericht beigefügten Erklärung, dass das „Wachstum der unversicherten Einlagen“ und deren hohe Konzentration „das Potenzial für einen Ansturm auf die Banken erhöhen und die finanzielle Stabilität gefährden kann“.

Die FDIC sprach sich für ein System aus, wonach Einlagen, die von Unternehmen zur Bezahlung ihrer Mitarbeiter verwendet werden, geschützt werden sollten.

Eine solche Änderung wäre jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein für umfassendere Maßnahmen, wie im Bericht implizit eingeräumt wird. Insbesondere wurde angemerkt, dass ein solches System die Komplexität erhöht und Investoren dazu verleitet, es zu „manipulieren“, um einen besseren Investitionsschutz zu erlangen.

Nicht versicherte Einlagen sind bei weitem nicht das einzige Risiko. Ein weiteres ist der Wertverlust von Immobilien und gewerblichen Immobilienkrediten, die von steigenden Zinsen und einer sinkenden Nachfrage nach Büroflächen aufgrund der Covid-Pandemie betroffen sind.

Dieselben kleinen und mittleren Banken, die im Zentrum des aktuellen Sturms stehen, könnten auch hier stark betroffen sein, da sie mehr als zwei Drittel aller gewerblichen Immobilienkredite in den USA vergeben.

In einem am Montag veröffentlichten Interview mit der Financial Times (FT) sagte Charlie Munger, langjähriger Partner des Finanzmoguls Warren Buffet, die amerikanischen Banken seien mit faulen Gewerbeimmobilienkrediten angefüllt.

In einem FT-Artikel von vergangener Woche hieß es, die Manager der US-Banken seien „zunehmend besorgt über die sinkenden Bewertungen von Gewerbeimmobilien und die Risiken, die sie für die Bilanzen der Kreditgeber darstellen“.

In einer Telefonkonferenz sagte der CEO von Morgan Stanley, James Gorman: „Ich glaube nicht, dass wir uns in einer Bankenkrise befinden, aber bei einigen Banken hatten wir eine Krise und haben sie vielleicht immer noch.“

Eine solche Aussage soll beruhigend klingen. Allerdings ignoriert sie die Dynamik einer Krise, die ja nicht mit dem Zusammenbruch aller Banken auf einmal beginnt.

Sie entfaltet sich, wie die Ereignisse der letzten zwei Monate gezeigt haben, mit einer Krise bei mehreren oder sogar einer einzelnen Bank, die sich dann durch Ansteckung auszubreiten droht und ein „System-Risiko“ darstellt, welches eine staatlich organisierte Rettungsaktion erfordert.

Mit anderen Worten: Praktisch jede Bank kann „too big to fail“ (zu groß zum Scheitern) sein, weil ihr Zusammenbruch andere mit in den Abgrund reißen könnte.

Die Logik dieses Prozesses wurde in einer Erklärung von Jonathan McKernan, Vorstandsmitglied der FDIC, dargelegt, über die Bloomberg berichtete.

Er sagte, man müsse anerkennen, dass Bankenzusammenbrüche in einem „dynamischen und innovativen“ Finanzsystem unvermeidlich seien. Wobei „dynamisch“ und „innovativ“ als Codewörter für die Rolle des Finanzkapitals dienen, das immer neue, immer undurchsichtigere und riskantere Methoden der Spekulation und Profitmacherei entwickelt.

„Wir sollten uns auf diese Bankenzusammenbrüche vorbereiten“, fuhr McKernan fort, „indem wir uns auf strenge Kapitalanforderungen und einen wirksamen Abwicklungsrahmen konzentrieren, da dies unsere beste Hoffnung ist, die Rettungskultur in unserem Land zu beenden, welche die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert.“

Diese „Rettungskultur“ ist seit mehr als einem Jahrhundert die Grundlage des Finanzsystems – spätestens seit der Gründung der Federal Reserve im Jahr 1913.

Die Reformen, die das FDIC-Vorstandsmitglied McKernan fordert, sind in der Vergangenheit niemals verwirklicht worden. Sie bleiben auch in der gegenwärtigen Krise auf der Strecke. Denn die Masse des auf dem Spiel stehenden Reichtums, den die Regierung und der Staat zu schützen verpflichtet sind, hat wirklich gigantische Ausmaße erreicht. Dies ist hauptsächlich die Folge von Geldspritzen, welche die Fed in den letzten anderthalb Jahrzehnten in das Finanzsystem gepumpt hat.

Sicherlich war es keine Absicht, aber McKernans Ausführungen darüber, wie das Finanzsystem tatsächlich funktioniert und weiterhin funktionieren wird – Hunderte Milliarden, ja Billionen für Banken und Finanzspekulanten, während die Arbeiter ums Überleben kämpfen – sprechen dafür, dass eine Schlüsselkomponente des sozialistischen Programms, das die Arbeiterklasse erkämpfen wird, in der Abschaffung des Privateigentums am Finanzsystem bestehen wird.

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