Perspektive

Die Rettungsaktion für die Silicon Valley Bank und die historische Krise des Kapitalismus

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) – der zweitgrößte nominale Bankzusammenbruch in der Geschichte der USA – hat zu anhaltenden Turbulenzen im Bankensystem geführt. Dies erhöht die Aussicht auf weitere Zusammenbrüche und ist ein weiterer Ausdruck der historischen Krise des US-amerikanischen und globalen Kapitalismus.

Diese zunehmende Fäulnis, dieser Verfall ist die treibende Kraft hinter zwei miteinander verbundenen Entwicklungen in der amerikanischen und der Weltpolitik: die rasche Eskalation in Richtung eines dritten Weltkriegs einerseits, und andererseits der anhaltende und sich verschärfende Angriff auf die Arbeiterklasse in den USA und auf der ganzen Welt. Mit Letzterem versuchen die herrschenden Klassen, die Arbeiterklasse für die existenzielle Krise ihres überholten und reaktionären Systems des privaten Profits bezahlen zu lassen.

Vor einer Niederlassung der Silicon Valley Bank in San Francisco [AP Photo/Jeff Chiu]

Die Regierung Biden verspricht, „alles Nötige zu tun“, um das Geld und den Reichtum von Finanzinvestoren, Spekulanten und Reichen zu schützen. Einmal mehr zeigt sich die wahre Natur kapitalistischer Regierungen als ausführende Organe für die Interessen und Anliegen der herrschenden Geldeliten.

Für lebenswichtige Bereiche wie Gesundheit und Bildung, wie auch für andere soziale Bedürfnisse der Arbeiterklasse ist kein Geld vorhanden. Die arbeitende Bevölkerung ist derzeit mit der schlimmsten Inflation seit mehr als 40 Jahren konfrontiert, doch wenn es darum geht, den Reichtum der Finanzoligarchie zu schützen, können Milliarden und Billionen über Nacht gefunden werden.

Gleichzeitig werden keine Kosten und Mühen gescheut, um die notwendigen Mittel für einen Krieg aufzutreiben. In der Ukraine führen die USA und die Nato Krieg mit dem Ziel, Russland zu zerschlagen und zu zerstückeln. Gleichzeitig bereiten sie einen Krieg gegen China vor, den bedeutendsten globalen Rivalen der USA.

Zwischen dem SVB-Debakel und der möglichen Implosion des Finanzsystems sowie dem Drang nach Krieg besteht ein tiefer, organischer Zusammenhang.

Immer wieder kommt es zu Finanzkrisen, obwohl die Regulierungs- und Finanzbehörden jedes Mal beteuern, die Lehren gezogen und Sicherheitsmaßnahmen getroffen zu haben. Diese Krisen sind Ausdruck eines historischen Niedergangs der amerikanischen Wirtschaftskraft. Der US-Imperialismus versucht diese Entwicklung mit militärischen Mitteln zu beheben.

Man denke nur an die vorausschauende Analyse von Leo Trotzki aus dem Jahr 1928. Er stellte fest, dass der aggressive Charakter des US-Imperialismus unter den Bedingungen seines historischen Niedergangs offener und bösartiger zutage treten würde als unter den Bedingungen seines Aufstiegs, so blutig und gewalttätig dieser auch gewesen war.

Der Zusammenbruch der SVB sendet Schockwellen durch das Finanzsystem, deren volle Konsequenzen noch nicht abzusehen sind. Hier wirkt sich die grundlegende Dynamik, man könnte auch sagen: ein Bewegungsgesetz, des US-Kapitalismus aus.

Verfolgt man die Entwicklung der letzten 50 Jahre, so wird diese Dynamik deutlich sichtbar: Die Maßnahmen, die die herrschende Klasse und ihr Staat ergreifen, um eine Krise abzuwenden oder zu lindern, schaffen nur die Bedingungen für einen erneuten Ausbruch in noch brutalerer Form an einem anderen Punkt.

Als Reaktion auf die Verschlechterung der Position des amerikanischen Kapitalismus gegenüber seinen Konkurrenten hob US-Präsident Nixon im August 1971 die Golddeckung des US-Dollars auf und beendete damit das Währungssystem der Nachkriegszeit.

Eine Folge dieser Entscheidung, die getroffen wurde, um die Position der USA zu stärken, bestand darin, das Wachstum der Finanzspekulation zu fördern. Diese Entwicklung wurde in den 1980er Jahren zunehmend zum Modus Operandi des US-Kapitalismus, als ganze Industriezweige, die die Grundlage des Nachkriegsbooms gebildet hatten, in den Ruin getrieben wurden.

Im Oktober 1987 führte dies zu einer tiefen Krise, die die Form eines Wall-Street-Crashs annahm. Mit einem Minus von mehr als 22 Prozent an einem einzigen Tag ist dies immer noch der größte Crash der Geschichte.

Die als „Greenspan-Put“ bekannt gewordene Garantie des US-Notenbankchefs Alan Greenspan in Reaktion auf diese Krise – dass nämlich die Notenbank Fed die Finanzmärkte stützen würde – führte in den nächsten zwei Jahrzehnten zu einer zunehmenden Spekulationsorgie. Diese wiederum brachte schließlich den Ausbruch der US-amerikanischen und weltweiten Finanzkrise von 2008 hervor.

Die Fed und die US-Regierung organisierten daraufhin eine Rettungsaktion für die Banken in Höhe von Hunderten von Milliarden Dollar. Gleichzeitig sprang die Arbeitslosenquote in den zweistelligen Bereich, Arbeiterfamilien verloren ihre Häuser und die Bedingungen in den Betrieben verschlechterten sich, nicht zuletzt durch die Ausbreitung der zweistufigen Lohnsysteme, die die Obama-Regierung mit den Gewerkschaften zusammen organisierte.

Im Zuge der Krise begann die Fed mit ihrem Programm der quantitativen Lockerung, bei dem Billionen von Dollar durch den Kauf von Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherten Wertpapieren in das Finanzsystem gepumpt werden. Anstatt der zügellosen Spekulation, die den Crash von 2008 auslöste, ein Ende zu setzen, heizte die Zentralbank, der wichtigste Finanzarm des kapitalistischen Staates, sie weiter an.

Als die Covid-19-Pandemie Anfang 2020 ausbrach, weigerte sich die Trump-Regierung mit Unterstützung der Demokratischen Partei, die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen zu ergreifen. Dies geschah auch aus der Sorge, dass solche konsequenten Maßnahmen die Spekulationsblase zum Platzen bringen würden.

Im März 2020 wurden die Finanzmärkte eingefroren, und für einige Tage gab es keinen Markt für US-Staatsanleihen, die angeblich sichersten Finanzanlagen der Welt. Danach pumpte die Fed noch mehr Geld in die Märkte und heizte damit die Spekulation und das Finanzparasitentum weiter an.

Diese Maßnahme hatte jedoch Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Die Weigerung, konsequent gegen die Covid-Pandemie vorzugehen, die Infusion von vier Billionen Dollar in das Finanzsystem, die ungezügelte Spekulation und die Profitgier der großen Rohstoffhändler und der riesigen Lebensmittelkonzerne haben im Zusammenspiel mit der Militäroffensive gegen Russland in der Ukraine die höchste Inflationsrate seit vier Jahrzehnten verursacht.

Indessen herrscht große Angst vor den Folgen eines Lohnanstiegs der Arbeiterklasse. Nichts fürchtet das Finanzsystem mehr. Daher änderte die Fed ihren Kurs und nahm die steilsten Zinserhöhungen seit den frühen 1980er Jahren vor, um Lohnforderungen zu unterdrücken.

Diese Maßnahmen haben nun die Voraussetzungen für eine neue Finanzkrise geschaffen, wie der Zusammenbruch der SVB zeigt. Wie so viele andere Banken und Finanzunternehmen hat auch die SVB, die eng mit dem Hightech-Sektor in Kalifornien verbunden ist, von dem billigen Geld der Fed in den Jahren 2020 und 2021 profitiert.

Sie verfügte über so viel Bargeld, dass sie einen großen Teil davon in Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherten Wertpapieren unterbringen musste, also in vermeintlich sehr sicheren Anlagen.

Mit der Kursänderung der US-Notenbank zu höheren Zinssätzen hat sich die Situation drastisch verändert. Sie dient angeblich der Inflationsbekämpfung, zielt aber in Wirklichkeit darauf ab, die Forderungen der Arbeiterklasse notfalls durch eine Rezession zu unterdrücken.

Der Marktwert der von der SVB gehaltenen Anleihen sank mit dem Anstieg der Zinssätze: Die Anleihen der SVB haben schätzungsweise eine Milliarde Dollar pro 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) Anstieg des Leitzinses verloren. Inzwischen ist der Leitzins um rund 450 Basispunkte angehoben worden.

Dieser Einbruch der Vermögensbasis führte zu einem Ansturm auf die Bank. Forderungen in Höhe von 42 Milliarden Dollar führten schließlich zum Zusammenbruch der Bank.

Nicht überall herrschen dieselben Verhältnisse wie bei der SVB. Aber alle Bereiche des Finanzsystems, der dominierenden Kraft in der kapitalistischen Wirtschaft, sind vom Zufluss des billigen Geldes so abhängig geworden, dass sie nun stark von den Zinserhöhungen betroffen sind, deren Auswirkungen erst jetzt spürbar werden.

Was sind die Folgen? Sie ergeben sich aus der Natur des Finanzkapitals selbst.

Auf den ersten Blick scheint es für das Finanzkapital die Möglichkeit zu geben, immer größere Geldbeträge aus dem Geld selbst zu zaubern.

Doch hinter diesem Schein verbirgt sich eine andere Realität. Das Finanzkapital schafft keinen zusätzlichen oder neuen Wert. Letztlich handelt es sich bei den „Wertsteigerungen“ im Finanzmarkt um Ansprüche auf den Mehrwert, welcher der Arbeiterklasse im kapitalistischen Produktionsprozess entzogen wird.

Während das Finanzkapital also ständig versucht, sich in einen Bereich zu flüchten, in dem Geld mehr Geld erzeugt, ist es andererseits stets bestrebt, die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu verschärfen - vor allem in Krisenzeiten, wie die Erfahrung des Jahres 2008 so anschaulich gezeigt hat.

Gleichzeitig müssen die Regierung und der kapitalistische Staat, getrieben von der immer schärferen wirtschaftlichen und sozialen Krise, die Arbeiterklasse im eigenen Land durch massive Kürzungen der Sozialausgaben für den Krieg bezahlen lassen.

In jeder Krise besinnen sich die beiden Hauptklassen der Gesellschaft auf ihre grundlegenden materiellen Interessen. Das Programm der herrschenden Klasse wird sich dementsprechend entwickeln: Rettungsaktionen für die Finanzoligarchie kombiniert mit Krieg und sozialer Konterrevolution.

Die Arbeiterklasse steuert auf einen Kollisionskurs mit dem gesamten Apparat des kapitalistischen Systems zu. Die Krise der herrschenden Klasse und ihres Systems mag noch so tief sein - um diesen Kampf siegreich zu bestehen, benötigt die Arbeiterklasse ein klares Programm und eine klare Perspektive. Sie muss die politische Macht erobern und eine sozialistische Wirtschaft aufbauen.

Vor allem muss die Arbeiterklasse eine revolutionäre Partei haben. Der Zusammenbruch der SVB und die Krise des Kapitalismus, die darin zum Ausdruck kommt, ist daher ein klarer Aufruf zum Aufbau des Internationalen Komitees und seiner Sektionen in den USA und auf der ganzen Welt.

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