Kundgebungen zum 1. Mai in Frankreich fordern Rücknahme von Macrons Rentenkürzungen

Am 1. Mai gingen in Frankreich Millionen von Arbeitern auf die Straße, um gegen die rechtswidrige, formell verabschiedete Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron zu protestieren und ihre Opposition gegen seine Regierung zum Ausdruck zu bringen.

Macron hatte die Erhöhung des Rentenalters um zwei Jahre unter offener Missachtung des Willens der französischen Bevölkerung durchgesetzt. Mehr als drei Viertel von ihnen sind gegen diese Kürzungen. Die Bestätigung der Kürzungen durch das Verfassungsgericht letzten Monat hat die Krise nicht gelöst, sondern noch weiter verschärft.

Die Regierung war nicht in der Lage, ihr Rentengesetz vom Parlament verabschieden zu lassen, und Macron hat es einfach verkündet. In den Augen der Masse der Arbeiter hat sie ihre eigene Legitimität infrage gestellt, indem sie ein Gesetz durchgesetzt hat, das die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung nicht anerkennt. Dies bestätigt eine zentrale Aussage der Parti de l’égalité socialiste (PES): Die entscheidende Aufgabe, die vor der Arbeiterklasse steht, um die Kürzungen zu verhindern, ist der Sturz Macrons.

Millionen von Menschen demonstrierten am Montag im ganzen Land. Die Proteste waren in vielen Städten die größten, seit die Gewerkschaften im Januar zu landesweiten Streiks gegen Macrons Kürzungen aufgerufen hatten. Laut den Gewerkschaften lagen die Teilnehmerzahlen in den meisten Großstädten fast auf Rekordniveau, darunter 550.000 in Paris, 130.000 in Marseille, jeweils 100.000 in Toulouse und Bordeaux, 80.000 in Nantes und 45.000 in Lyon.

Loading Tweet ...
Tweet not loading? See it directly on Twitter

Auch in kleineren Städten lagen die Teilnehmerzahlen auf Rekordniveau, da ein Großteil der Bevölkerung gegen die Kürzungen demonstrierte. In Limoges und Caen demonstrierten jeweils 40.000 Menschen, in Brest und Grenoble jeweils 33.000, in Bayonne 30.000, in Lorient, Nîmes und Clermont-Ferrand jeweils 25.000.

Loading Tweet ...
Tweet not loading? See it directly on Twitter

Landesweit wurden Zehntausende von Bereitschaftspolizisten mobilisiert, darunter 5.000 in Paris. Die Gerichte genehmigten den Einsatz von Drohnen, um die Demonstranten in Paris und Bordeaux und anderen Städten auszuspionieren. Im ganzen Land kam es zu gewaltsamen Angriffen der Polizei auf Maikundgebungen, wobei es unter anderem in Marseille, Nantes, Lyon, Rennes und Paris zu schweren Zusammenstößen kam. Laut dem Innenministerium wurden 108 Polizisten verwundet und 291 Menschen verhaftet.

In Paris kam es kurz nach Beginn des Marsches zu Zusammenstößen. Die Polizei ging auf einzelne Bereiche des Zugs los und versuchte, ihn in mehrere Teile aufzuspalten, die jeweils von Einheiten der Bereitschaftspolizei umringt waren. Sie setzten immer wieder Tränengas gegen die Demonstranten ein und gingen mit Knüppeln auf die Demonstranten los, die Pflastersteine auf die Reihen der Bereitschaftspolizei warfen.

Zwei Polizisten erlitten schwere Verbrennungen, als ein Molotow-Cocktail in einer Polizeieinheit explodierte.

Loading Tweet ...
Tweet not loading? See it directly on Twitter

Als der Demonstrationszug schließlich auf der Pariser Place de la Nation eintraf, brachen Feuer aus, nachdem die Bereitschaftspolizei den Platz abgeriegelt und die Demonstranten mit Wasserwerfern, Tränengas und Blendgranaten attackiert hatte.

Loading Tweet ...
Tweet not loading? See it directly on Twitter

Journalisten der WSWS sprachen in Paris mit Demonstranten. Toya, ein Arbeiter aus Mali, aus dem sich die französischen Truppen vor kurzem nach einem neunjährigen Krieg zurückgezogen haben, erklärte, er demonstriere, um den Tag der internationalen Arbeiterklasse zu begehen und gegen Krieg kämpfen.

Toya erklärte: „Wir sind gegen den Krieg in der Ukraine. Wir sind überall gegen den Krieg.“ Er betonte, dass die Arbeiter auf der ganzen Welt Frieden brauchen: „Ich war in Mali, als die französische Intervention begann ... Es gibt keine Probleme zwischen der französischen und der malischen Bevölkerung. Die Probleme liegen auf der Ebene der Politiker. Aber wir haben nichts gegen die französische Bevölkerung, und die französische Bevölkerung hat nichts gegen die malische Bevölkerung.“

Die WSWS sprach mit Gaëtan, Quentin und Guillaume, die an Universitäten im Raum Paris studieren und zusammen zu der Kundgebung gekommen waren.

Gaëtan erklärte: „Der 1. Mai ist der internationale Tag der Arbeit. Wir sind Studenten, aber unsere Eltern haben sich ihr ganzes Leben lang in ihren Jobs abgeplagt. Wenn mein Vater bis 64 arbeiten muss, wird das hart für ihn, weil er Schwerarbeit verrichtet. Wir denken an alle, die nur mit Schwierigkeiten über die Runden kommen. Wenn man uns zwei Jahre wegnimmt, ist das für uns eine Katastrophe ... Wir sind gegen die Kürzungen, vor allem gegen die Art, wie sie durchgesetzt wurden.“

Quentin, Guillaume und Gaëtan

Quentin erklärte, Macron „kümmert sich einen Dreck um die Menschen; seine Minister sind alle unverbesserlich. Wir müssen sie zum Rücktritt zwingen. Es gibt keinen einzigen Minister, der nicht irgendein großes Problem hat, der nicht etwas falsch gemacht hat.“

Quentin erklärte, er unterstütze Macrons Intervention nicht, Waffen in die Ukraine zu liefern, da die französische Regierung seit langem dafür bekannt sei, auf diese Weise blutige Konflikte zu schüren: „Frankreich hat viele Waffen verkauft ... Es wurde wegen der Waffen angeklagt, die es für den Krieg im Jemen verkauft hat.“

Er fügte hinzu, der Kampf gegen Macrons Kürzungen sei nicht vorbei und werde sich weiter verschärfen, da Macron weitere Sparmaßnahmen vorschlägt, die von der französischen Bevölkerung abgelehnt werden: „Wenn er die Sozialausgaben kürzt, wird es hässlich werden, auch wenn er sein Gesetz zur Einwanderung durchsetzt.“

Zum Schluss erklärte Guillaume: „Wir müssen Nein sagen zu dieser Reform, und zu dieser Art zu regieren. Wir sind hier, um die Demokratie zu verteidigen, deshalb sind wir hier.“

Die WSWS sprach außerdem mit Kevin und Céline. Sie arbeitet im Liefer- und Logistikbereich und hat sich während Macrons erster Amtszeit an den „Gelbwesten“-Protesten der Jahre 2018–2019 gegen soziale Ungleichheit beteiligt.

Céline antwortete auf die Frage, warum sie zu den Protesten am 1. Mai gekommen sei, mit Kritik an Macrons Rentenkürzungen: „Ich bin noch keine 30 Jahre alt, aber mein linker Arm hat nach einer Verletzung 80 Prozent seiner Funktionsfähigkeit verloren. Wenn man mir sagt, ich müsse arbeiten, bis ich 64 bin, wird das einfach unmöglich sein. Sie schicken Menschen in den Tod.“

Kevin und Céline

Sie betonte, dass die Bewegung gegen Macron auch nach Verabschiedung des Gesetzes nicht abflaue, da die politische Wut noch anwachse. Der nicht gewählte Verfassungsrat habe keine Legitimität, die Kürzungen durchzusetzen: „Ich habe die Gelbwesten erlebt, und das hier bringt die Leute noch mehr zusammen. Es ist eine Maßnahme, die alle betrifft. Wenn ich mit Leuten darüber rede, stimmen absolut alle zu: Wir wollen dieses Gesetz nicht. Und der Verfassungsrat ist nur ein Altersheim für politische Rentner.“

Sie betonte, dass sie auch die derzeitige Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine vollkommen ablehne: „Arbeiter haben daran kein Interesse ... Wer wird das Kanonenfutter sein? Nicht Macron oder Putin, es sterben immer die gleichen Leute.“

Céline betonte, dass es sich bei den Ereignisse um einen Zusammenbruch der französischen Demokratie handelt, da die Regierung und die Banken systematisch daran arbeiten, der Bevölkerung jede Möglichkeit zu nehmen, die staatliche Politik zu zwingen, sich auch nur ansatzweise an der öffentlichen Meinung zu orientieren.

Sie erklärte: „Wir versuchen es mit demokratischen Methoden, aber Macron peitscht die Kürzungen ohne Abstimmung durch. Man sagt uns, wir hätten ja den Verfassungsrat, aber dieser bestätigt nur die Kürzungen. Wir protestieren auf der Straße, die Polizei verprügelt uns und niemand hört auf uns. Was sollen wir tun? Das Schlimmste ist, dass man protestieren und versuchen kann, die Dinge an der Wahlurne zu ändern, und dennoch keine Möglichkeit hat, sich Gehör zu verschaffen.“

In Frankreich, ganz Europa und im Rest der Welt sind die Arbeiter mit kapitalistischen Regierungen konfrontiert, die ihre Forderungen nach dem Ende von Austerität und Krieg völlig kalt lassen. Die Versuche der Gewerkschaften, die Situation zu beruhigen, indem sie zu einer „Vermittlung“ mit Macron aufriefen, haben sich als völlig sinnlos und reaktionär erwiesen. Mit Macron gibt es nichts zu verhandeln. Er verzichtet mittlerweile auf die Fiktion, er regiere auf einer demokratischen Grundlage. Die Arbeiterklasse führt einen politischen Kampf gegen den kapitalistischen Staat, und die revolutionären Implikationen dieses Kampfs werden immer offensichtlicher.

Die Arbeiterklasse muss den Gewerkschaftsbürokraten, die mit Macron verhandeln, während zwei Drittel der Bevölkerung einen Generalstreik und die Stilllegung der Wirtschaft fordern, die Kontrolle über den Kampf entreißen. Indem diese Funktionäre mit Macron verhandeln, statt seine Regierung zu Fall zu bringen, treten sie selbst den Willen der Arbeiterklasse mit Füßen.

Der Weg vorwärts führt über den Aufbau unabhängiger Organisationen, die dafür kämpfen, die wachsende Wut der Arbeiterklasse in eine Bewegung für einen Generalstreik zu führen, um Macron zu stürzen, seine illegitimen Kürzungen rückgängig zu machen und die Kämpfe in Frankreich mit einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen Austerität und Krieg und für den Sozialismus zu verbinden.

Loading