IYSSE hält in Toronto trotz staatlicher Zensur und rechtsextremen Störern starke Antikriegsveranstaltung ab

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) hat am Sonntag, den 4. Juni, das erste Antikriegstreffen in Toronto seit Beginn des Kriegs in der Ukraine vor 15 Monaten abgehalten.

Das Treffen beinhaltete einen eindringlichen Aufruf zum Aufbau einer globalen, von der Arbeiterklasse geführten Antikriegsbewegung. Das Meeting fand trotz einer staatlich unterstützten Zensurkampagne statt, die vom rechtsextremen Ukrainian Canadian Congress (UCC) angeführt und von Politikern wie dem Arbeitsminister der Provinz Ontario, Monte McNaughton, unterstützt wurde. Auch hatten kriegsbefürwortende ukrainische Nationalisten versucht, das Treffen zu stören.

Keith Jones spricht auf der Antikriegsveranstaltung am 4. Juni in Toronto

Eine Petition gegen die Zensurkampagne wurde von fast 1.000 Menschen aus der ganzen Welt unterzeichnet. Der ehemalige Pink Floyd-Frontmann Roger Waters unterstützte in einem Tweet das Recht der IYSSE, das Meeting abzuhalten.

Das Antikriegstreffen wurde auch von der Jungen Garde der Bolschewiki-Leninisten in Russland und der Ukraine unterstützt, die in einem Brief ihre Solidarität und Unterstützung zum Ausdruck brachte. „Wenn der Imperialismus bereit ist, im Krieg Blut zu vergießen und alle grundlegenden demokratischen Rechte anzugreifen, die durch die revolutionären Kämpfe der Vergangenheit errungen wurden, haben wir die Pflicht, Widerstand zu leisten“, heißt es in dem Schreiben. „Ein solcher Widerstand kann den besten Anstoß dafür geben, einen breiteren internationalen Kampf der Arbeiterklasse aufzunehmen.“

Das Treffen fand in der Lillian H. Smith Branch der öffentlichen Bibliothek von Toronto statt, die sich in der Nähe des Campus der Universität von Toronto befindet. Es war das jüngste in einer internationalen Reihe von Treffen, die von der IYSSE, der Jugendbewegung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) und den Sozialistischen Gleichheits-Parteien organisiert wurden. Die Versammlungen diskutieren den historischen und politischen Kontext des verheerenden Krieges der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine und erörtern, wie eine Bewegung in der Arbeiterklasse aufgebaut werden kann, um den Konflikt zu beenden. Im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen die katastrophalen Folgen, die sich aus der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion und der Restauration des Kapitalismus ergeben haben. Dadurch wurden die Voraussetzungen für den gegenwärtigen imperialistischen Angriff geschaffen, der auf die Zerstückelung Russlands und die Ausplünderung seiner natürlichen Ressourcen abzielt.

Zwei frühere Treffen dieser Reihe fanden in Kanada statt, und zwar in Montreal (Quebec) und Waterloo (Ontario), wo die IYSSE ebenfalls erfolgreich einen Versuch der UCC abwendete, die Universität von Waterloo zur Absage des Treffens zu drängen. Rechtsgerichtete Elemente versuchten auch, die IYSSE-Treffen gegen den Krieg in Frankfurt (Deutschland) und Wellington (Neuseeland) zu verhindern, was ihnen jedoch ebenfalls nicht gelang.

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Eine Gruppe ukrainischer Nationalisten, die an dem Treffen teilnahm, störte die Redner wiederholt durch laute Rufe und versuchte, andere Teilnehmer durch Videoaufnahmen einzuschüchtern. Einige stürmten während der Fragerunde aus der Veranstaltung und riefen die faschistische Parole „Slava Ukraini, Heroiam Slava!“ (Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden), die während des Zweiten Weltkriegs von Nazi-Kollaborateuren verbreitet worden waren.

Dylan Lubao, Mitglied der IYSSE, sagte zu Beginn des Treffens, dass die Kampagne gegen die Versammlung nur die Furcht der rechten Kräfte zeige: Jede offene Kritik und Überprüfung ihrer kriegsbefürwortenden Darstellung entlarve schließlich die Behauptung, dass die Nato einen Krieg gegen Russland führe, um die ukrainische „Demokratie“ und „Souveränität“ zu verteidigen, als Lüge. Dadurch zeige sich auch schnell, dass die Kriegsbefürworter in der breiten Bevölkerung wenig Unterstützung genießen, auch wenn sie vom kanadischen Staat und allen etablierten politischen Parteien unterstützt werden, einschließlich der gewerkschaftsnahen NDP.

Lubao erläuterte auch die Covid-19-Vorkehrungen, die die IYSSE zum Schutz der Teilnehmenden getroffen hatte. Alle Zuhörer erhielten eine hochwertige Maske, und tragbare Luftfiltergeräte und eine UVC-Lampe zur Desinfektion der Luft waren aufgestellt worden. Obwohl die Medien und die kanadische Regierung beharrlich verbreiten, dass die Pandemie vorbei sei, erkranken weiterhin täglich Tausende im Land und Hunderttausende in der ganzen Welt an dem Virus. Aufgrund der auf allen Regierungsebenen verfolgten Politik nach dem Motto „Profit vor Leben“ ist Corona inzwischen die dritthäufigste Todesursache in Kanada und hat seit 2020 mehr als 52.000 Kanadier getötet, von denen viele noch leben könnten.

Keith Jones, der nationale Sekretär der Socialist Equality Party (Kanada), hielt den Hauptvortrag auf der Versammlung. Er wies zunächst auf die schrecklichen Folgen des Krieges nicht nur für die Ukrainer und Russen, sondern für die ganze Welt hin: „Der Krieg und die von der Nato verhängten Wirtschaftssanktionen stören das Wirtschaftsleben rund um den Globus, lassen Hunderte von Millionen Menschen, auch in Europa, verarmen und bedrohen Massen von Menschen in weniger entwickelten Ländern mit Hunger und noch Schlimmerem.“

Er ging auf die massive militärische Aufrüstung in der Ukraine ein. Die USA und ihre Verbündeten überschwemmen das Land mit modernen Waffen, darunter Panzern und bald auch F-16-Kampfjets. Damit setzen die imperialistischen Mächte Kiew unter Druck, gegen Russland in die Offensive zu gehen. „Die Regierung Biden und der US-Imperialismus haben das gesamte Prestige der Vereinigten Staaten und der Nato in diesen Krieg gegen Russland investiert. Sie können ein Scheitern ihrer militärischen und geopolitischen Ziele nicht hinnehmen.“

Jones stellte klar, dass die SEP und die IYSSE „keine Parteigänger der einen oder anderen Seite in diesem Konflikt sind. Wir sind unversöhnliche Gegner all derer, die für diesen Krieg verantwortlich sind, ob sie nun im Weißen Haus oder im Kreml sitzen.“ Ziel der IYSSE-Veranstaltungsreihe sei es, die arbeitenden Menschen weltweit zu mobilisieren, um dem Krieg ein Ende zu setzen.

„Um eine echte Anti-Kriegs-Massenbewegung aufzubauen, ist es notwendig, sich der unerbittlichen Propaganda des politischen Establishments und der Konzernmedien entgegenzustellen“, so Jones. „Diese Lügen- und Desinformationskampagne läuft in Kanada auf Hochtouren, begleitet von immer aggressiveren Maßnahmen politischer Zensur, wie im Falle der von der Regierung Ontarios unterstützten Kampagne zur Absage dieses Treffens.“ Jones wies darauf hin, dass der kanadische Imperialismus eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung und Durchführung des Krieges in der Ukraine spiele, mit dem Ziel eines „Regimewechsels“ in Moskau, wie die kanadische Außenministerin Mélanie Joly im März öffentlich erklärt hatte.

Wie auch Redner anderer Veranstaltungen dieser Reihe skizzierte Jones anschließend den historischen Hintergrund des Krieges in der Ukraine. „Der Krieg ist das Ergebnis zweier miteinander verbundener Prozesse“, sagte er. „Einerseits die katastrophale Restauration des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie und die Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991, und andererseits die Reaktion des amerikanischen Imperialismus hierauf: das Streben nach globaler Hegemonie, bei dem der US-Imperialismus versucht, seine militärische Macht einzusetzen, um seine im Vergleich zur globalen Konkurrenz schwindende wirtschaftliche Macht auszugleichen.“

Weiter betonte Jones: „Putins Einmarsch in die Ukraine ist ohne Frage ein reaktionäres Verbrechen. Aber um den Ursprung und den Charakter eines Konflikts zu verstehen, muss man nicht danach schauen, wer den ersten Schuss abgegeben hat.“ Er gab einen Überblick darüber, wie die USA seit der Auflösung der Sowjetunion und der Wiederherstellung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie im Jahr 1991 eine Reihe illegaler Kriege in weiten Teilen der Welt geführt haben, während sich die Nato bis an die Westgrenze Russlands ausgedehnt hat. Jones wies auf die erbitterte Ablehnung der rechtsextremen ukrainischen Nationalisten und ihrer imperialistischen Gönner hin, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen, da sie ihr Narrativ der Kriegsbefürwortung zerstört, das den Konflikt als „Putins unprovozierten Krieg“ beschreibt.

Ein Teil der Kriegbefürworter, angeführt von rechtsextremen ukrainischen Nationalisten, die das Antikriegstreffen der IYSSE in Toronto zu stören versuchten

Jones wandte sich auch der Frage zu, welche Rolle der kanadische Staat bei der politischen und ideologischen Vorbereitung des Krieges in der Ukraine durch seine jahrzehntelange Allianz mit ukrainischen rechtsextremen Nationalisten gespielt hat. Dies betrifft insbesondere Veteranen der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der 14. SS-Waffendivision.

Unterstützer der UCC störten daraufhin das Meeting durch laute Zwischenrufe und versuchten, einen Abbruch der Veranstaltung herbeizuführen. Jones sprach sie direkt an und bezeichnete ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Tatsache, dass sie Kräfte unterstützten, die Hitlers Handlanger bei der Durchführung des Holocausts waren, als widerwärtig.

Er schloss seine Ausführungen mit einem Appell an die Einheit der Arbeiter und Jugendlichen in Kanada, der Ukraine, Russland und allen anderen Ländern beim Aufbau einer Massenbewegung gegen Krieg. „Eine solche Bewegung muss in der Arbeiterklasse verwurzelt sein und von ihr angeführt werden – der Klasse, die den gesellschaftlichen Reichtum produziert und die, wie Marx so treffend feststellte, eine internationale Klasse ist. Ihre Interessen richten sich nicht darauf, eine rivalisierende nationale Kapitalistenclique gegen die andere zu unterstützen, um sich Vorteile zu sichern, sondern darin, den Kapitalismus zu stürzen und die demokratischen Rechte und Freiheiten aller Völker in einer fortschrittlichen globalen Gesellschaft – dem Sozialismus – zu sichern.“

In der Fragerunde äußerte eine junge Zuhörerin ihre Skepsis, dass die von Jones skizzierte Perspektive den Krieg in der Ukraine beenden könne.

Jones antwortete: „Uns wird gesagt, dass es nur zwei Kräfte gebe, zwischen denen wir wählen müssten: Die Nato und ihre ukrainischen Stellvertreter oder Russland. Das lehnen wir ab. Wir schauen nicht auf die Karte des Krieges, sondern auf die Karte des Klassenkampfs. Wir erwarten von der internationalen Arbeiterklasse, dass sie in die Situation eingreift. Das ist keine utopische Perspektive; so ist der Erste Weltkrieg tatsächlich zu Ende gegangen.“

Jones erklärte weiter, wie die russische Revolution von 1917, welche die Arbeiterklasse unter der Führung der Bolschewiki an die Macht brachte, die Grundlage für die Schaffung einer Sowjetukraine und die freiwillige Zusammenarbeit zwischen den vielen Nationen legte, die zuvor unter der zaristischen Autokratie rücksichtslos unterdrückt worden waren.

Als der WSWS-Autor James Clayton über die von ihm mitverfasste Serie über die faschistischen Freunde des kanadischen Imperialismus sprechen und die Bedeutung von Leo Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution für die Ukraine erläutern wollte, brachen die rechtsextremen ukrainischen Provokateure in Rufe aus. Sie skandierten unter anderem die faschistische Parole der OUN und versuchten, jede Diskussion zu unterbinden.

Den ukrainischen Nationalisten ist es nicht gelungen, das Treffen der IYSSE in Toronto zu verhindern oder die Antikriegsversammlung umfassend zu stören. Dies spricht für ihre relative Isolation und die latente Antikriegsstimmung in breiten Schichten von Arbeitern und Jugendlichen, trotz der unermüdlichen Kriegstreiberei vonseiten des Staatsapparats und trotz der täglichen Propaganda in den Medien.

In Toronto, in der größten Stadt Kanadas und dem Hauptsitz des Ukrainian World Congress unter der Leitung des ehemaligen UCC-Präsidenten Paul Grod, konnten sie weniger als 40 Personen mobilisieren, um das IYSSE-Treffen zu stören. Gleichzeitig waren weitere 40 Teilnehmer daran interessiert, Jones' Vortrag zu hören, und viele drückten ihre Wertschätzung dafür aus, dass die IYSSE seit Beginn des Krieges in der Ukraine die einzige politische Organisation ist, die eine Antikriegsveranstaltung in Toronto abhält.

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