„Air Defender 2023“: Luftwaffe führt massive Nato-Kriegsübung gegen Russland

Die Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland um die Ukraine nimmt immer gefährlichere Formen an. Mitte der Woche stellte der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen „Bodentruppen“ in der Ukraine in Aussicht. Gleichzeitig veranstaltet die Nato massive Militärmanöver, mit denen das Bündnis ein direktes Eingreifen in den Konflikt „übt“.

Das umfassendste Manöver findet in der nächsten Woche über Deutschland statt. Vom 12. bis zum 23. Juni donnern im Rahmen von „Air Defender 2023“ hunderte Kampfjets über das Land, fliegen Missionen bis an die russische Grenze und trainieren den Kriegsfall. Es handelt sich um die größte Luftübung in der Geschichte der Nato. Insgesamt sind über 10.000 Soldaten aus 25 Nationen mit 250 Luftfahrzeugen involviert.

Airbus A400M der Luftwaffe mit Air-Defender-2023-Sonderbemalung [Photo by Michael Pätzold / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Hier einige weitere Eckdaten: Die Bundeswehr stellt insgesamt 60 Flugzeuge – darunter 30 Eurofighter und 16 Tornados – und vier Hubschrauber. Das größte Kontingent an Kampfflugzeugen kommt mit 100 Stück aus den Vereinigten Staaten. Rund 90 Prozent des Flugverkehrs finden über Deutschland bzw. der Nord- und Ostseeküste statt. Die meisten Einsätze starten von Standorten in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz sowie von je einem Standort in den Niederlanden und Tschechien. Der zivile Luftverkehr wird während der Übung in mehreren Bereichen täglich für mindestens zwei Stunden gesperrt.

Weite Teile des deutschen Luftraums werden de facto in eine Kriegszone verwandelt. Auf der offiziellen Website der Bundeswehr zum Manöver heißt es: „Die Jet-Fight-Übungsflüge finden je nach aktiviertem Luftraum ab 2500 bzw. 3000 Metern Höhe statt. Tiefflüge von Jets und Transportmaschinen sind in einem Teil des östlichen Luftübungsraumes, der sogenannten Fight 1 geplant. Dieser Übungsraum erstreckt sich über dem nördlichen Brandenburg, Teilen von Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee.“ Zusätzlich fänden Tiefflüge an den Truppenübungsplätzen Baumholder und Grafenwöhr statt.

Sowohl das schiere Ausmaß der Übung als auch ihr Charakter machen deutlich, dass es sich bei „Air Defender 2023“ nicht einfach um ein Routinemanöver handelt. Es ist direkter Bestandteil der Nato-Kriegsoffensive gegen Russland. Vor allem Vertreter der herrschenden Klasse Deutschlands, die bereits in den beiden Weltkriegen versucht hat, Russland militärisch zu unterwerfen, sprechen das offen aus.

„Die Geschichte hat uns eingeholt“, erklärte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Agnes Strack-Zimmermann (FDP). „Wir haben einen heißen Krieg von Russland gegen die Ukraine.“ Militärübungen wie „Air Defender“ seien immer auch ein Signal an das Gegenüber: „Man zeigt damit, was man alles kann.“

Legt man das „Drehbuch“ des Manövers zugrunde, gehört dazu ein umfassender Kriegseinsatz gegen die Atommacht Russland. In einem Bericht des Wall Street Journal heißt es:

Das Basisszenario sieht die Einnahme des deutschen Hafens Rostock durch den Feind vor, ein Angriff, der die gemeinsame Verteidigungsklausel der Nato, bekannt als Artikel 5, auslösen würde. Die Reaktion umfasst die Rückeroberung des Hafens und anderer Infrastrukturen sowie die Verteidigung von Städten und die Einleitung von Offensivmaßnahmen.

Auch die anderen Übungselemente lesen sich wie eine Blaupause für eine direktes Eingreifen in der Ukraine. „Zu den Szenarien gehören den Angaben nach der Kampf gegen Drohnen und Marschflugkörper, der Schutz von Städten, Flug- und Seehäfen sowie die direkte Unterstützung von Bodentruppen“, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Zudem nehmen an der Übung atomwaffenfähige Kampfflugzeuge vom Typ F-16, F-35 und Bundeswehr-Tornados teil, die laut Angaben der Bundeswehr „tägliche Missionen“ nach Estland und Rumänien – d.h. direkt an die russische Grenze und in Richtung Schwarzes Meer – fliegen. Dabei würden die Piloten und Besatzungen gemäß dem Prinzip „train as you fight“ (Trainiere so, wie du kämpfst) fliegen – was bedeutet, dass die russische Militärführung von potentiellen Kriegshandlungen ausgehen muss.

In einem aktuellen Kommentar zur Kriegseskalation warnt die WSWS:

In Anbetracht der Erklärungen führender Vertreter der USA und der Nato, dass sie sich für eine militärische Niederlage Russlands einsetzen, wird die Regierung Putin gezwungen sein, all diese Aktionen als mögliche Vorbereitungen für einen Einmarsch der Nato in russisches Hoheitsgebiet zu interpretieren.

Und in einem weiteren Artikel zur ukrainischen Gegenoffensive schreiben wir:

Im Falle eines militärischen Debakels für die Ukraine werden die Nato-Mächte mit der Erklärung reagieren, dass sie eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten werden, in der Nato-Kampfflugzeuge russische Flugzeuge angreifen und abschießen und Bodentruppen aus Nato-Mitgliedstaaten in der Ukraine stationiert werden.

Unabhängig davon, ob „Air Defender 2023“ zum unmittelbaren Ausgangspunkt für eine direkte Kriegsintervention der Nato wird – und diese Gefahr existiert –, ist das Manöver Bestandteil der Entwicklung hin zu einem dritten Weltkrieg.

Vom Standpunkt der Bundesregierung ist das Manöver nicht nur Teil der Kriegsmobilisierung gegen Russland. Es zielt auch darauf ab, Deutschland wieder als militärische Führungs- und Kriegsmacht zu etablieren. Deutschland als Gastgeber beweise, „dass wir nicht nur von internationaler Verantwortung reden, sondern diese als logistische Drehscheibe in Europa und Führungsnation bei so einer großen Übung auch übernehmen“, prahlte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Und der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, sagte dem Wall Street Journal: „Deutschland muss viel mehr Verantwortung übernehmen und manchmal die Führung unter den Nato-Nationen hier in Europa übernehmen... Und wir beweisen mit dieser Übung, dass wir dazu in der Lage sind.“

Dass ausgerechnet Gerhartz am gestrigen Freitag auf dem Stützpunkt des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ im schleswig-holsteinischen Jagel erklärte, die Vorbereitung des Manövers sei „abgeschlossen“, dürfte in Moskau besondere Unruhe ausgelöst haben. Im vergangenen Juni hat der Luftwaffen-Chef Russland offen mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht und erklärt: „Für eine glaubhafte Abschreckung brauchen wir sowohl die Mittel als auch den politischen Willen, die nukleare Abschreckung nötigenfalls umzusetzen“.

Der Name „Immelmann“ unterstreicht, in welcher Tradition die Luftwaffe agiert. Er ist eine Hommage an den Jagdflieger Max Immelmann, der im Ersten Weltkrieg feindliche Flugzeuge vom Himmel holte, bevor er am 18. Juni 1916 bei einem Einsatz selbst zu Tode kam. Im Dritten Reich wurde Immelmann als Kriegsheld gefeiert und ebenfalls eine Einheit nach ihm benannt. Das Schlachtgeschwader 2 „Immelmann“ spielte eine zentrale Rolle im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und wurde in zahlreichen Operationen gegen russische Städte und Stellungen der Roten Armee an der Ostfront eingesetzt.

Auch die kriegslüsternen Medien trommeln in einer Art und Weise für Krieg, die man seit Hitler und den Nazis nicht mehr erlebt hat. So ruft der Leitartikel in der aktuellen Ausgabe des Spiegel zu einer massiven Erhöhung des deutschen Kriegseinsatzes auf, um Russland in der Ukraine zu besiegen. Die ukrainische Armee brauche „jetzt noch dringender westliche Unterstützung“, schreibt der Ressortleiter Ausland Matthieu von Rohr. „Die nächsten Wochen und Monate sind entscheidend. Sie werden zeigen, ob die Ukraine die Invasionsarmee zurückschlagen kann. Dieser Krieg darf nicht eingefroren werden.“

Von Rohr preist Olaf Scholz’ militaristischen Wutausbruch vom vergangenen Wochenende und stellt zufrieden fest: „Das Gute ist, dass Deutschland und seine westlichen Partner mittlerweile verstanden haben: Es reicht nicht zu verhindern, dass die Ukraine verliert. Man muss ihr beim Gewinnen helfen.“ Nach der milliardenschweren Lieferung von „Flugabwehr“, „Panzern“ und „Munition“, müsse die Bundesregierung nun, „wie von Verteidigungsminister Boris Pistorius kürzlich angedeutet, auch die Unterstützung westlicher Kampfjet-Lieferungen“ prüfen. Der Kommentar endet mit dem Satz: „Je erfolgreicher die Gegenoffensive ist, desto mehr Hoffnung gibt es auf ein Ende des Krieges.“

Diese Argumentation entspricht der mörderischen Kriegslogik des deutschen Militarismus im vergangenen Jahrhundert. Auch die deutschen Eliten im Kaiserreich und unter den Nazis rechtfertigten ihre totale Kriegsführung mit dem zynischen Argument, einen schnellen „Siegfrieden“ oder „Endsieg“ erreichen zu wollen. Tatsächlich verlängerten sie damit die Kriegsdauer, opferten Millionen weitere Menschenleben und begingen immer schrecklichere Verbrechen.

Während die herrschende Klasse erneut den totalen Krieg vorbereitet, ist die Opposition in der Bevölkerung enorm. Laut einer am 1. Juni veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap lehnen 64 Prozent deutsche Lieferungen von Kampfflugzeugen an Kiew ab. Nur 28 Prozent befürworten sie. Die donnernden Kampfjets über Deutschland in den nächsten Tagen werden den Widerstand gegen Militarismus und Krieg weiter befeuern.

Entscheidend ist es, diesen mit einer klaren Perspektive zu bewaffnen. Die einzige Möglichkeit, die Katastrophe zu stoppen, ist der Aufbau einer sozialistischen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse gegen Krieg und dessen Wurzel: das kapitalistische Profitsystem. Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Jugendorganisation die International Students for Social Equality (IYSSE).

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