Perspektive

Scholz’ militaristischer Wutausbruch in Falkensee

Wie aggressiv die Bundesregierung ihren Kriegskurs gegen Russland in der Ukraine verfolgt und wie stark sie dabei die wachsende Opposition in der Bevölkerung fürchtet, zeigte ein Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Wochenende. Beim Europafest der SPD in Falkensee, einem Vorort von Berlin, brüllte der Kanzler Kriegsgegner nieder und drohte Russland.

Als Scholz von einem Teil seiner insgesamt geringen Zuhörerschaft mit pazifistischen Rufen wie „Frieden schaffen ohne Waffen“ konfrontiert und wiederholt als „Kriegstreiber“ bezeichnet wurde, verlor der Kanzler die Fassung. „Kriegstreiber, Kriegstreiber ist Putin“, schrie er. Dann brüllte er ins Mikrofon:

Er ist mit 200.000 Soldaten in die Ukraine einmarschiert. Er hat noch viele mehr mobilisiert. Er hat das Leben seiner eigenen Bürger riskiert, für einen imperialistischen Traum. Putin will die Ukraine zerstören, erobern, und er hat noch andere im Blick. Das werden wir als Freiheitsfreunde, als Demokraten, als Europäer nicht zulassen.

Im Weiteren bezichtigte Scholz Putin nicht nur der Zerstörung von „Städten, Dörfern, Eisenbahnlinien und Autobahnen“. Er habe „unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger, Kinder und Alte in der Ukraine getötet“. Dies sei „Mord, um es klar zu sagen“. In „seinem imperialistischen Traum von Großmacht“ riskiere Putin zudem „das Leben seiner eigenen Bürgerinnen und Bürger“, fügte er hinzu. Das sei „unverantwortlich. Das ist Kriegstreiberei. Das ist Gewalt mit Waffen.“

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Scholz wütende Kriegsrede gegen Russland erinnerte an die finstersten Zeiten der deutschen Geschichte. Der Vorsitzende der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, David North, kommentierte dazu auf Twitter: „Der letzte deutsche Kanzler, der so wetterte, war Hitler. Und wie bei seinem Vorgänger ist auch der Feind von Scholz Russland. Es fehlt nur noch der Hinweis auf den ‚jüdischen Bolschewismus‘. Das Gefährlichste an dieser Hetzrede ist, dass Scholz anscheinend tatsächlich glaubt, was er sagt.“

Scholz Behauptung, Russland agiere „imperialistisch“ und sei der Hauptaggressor, ist nichts als Propaganda und stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Mit dem Vorrücken der Nato und dem rechten pro-westlichen Putsch 2014 in Kiew hatten die imperialistischen Nato-Mächte, die die Welt seit drei Jahrzehnten mit Krieg überziehen, die reaktionäre Intervention des Putin-Regimes regelrecht provoziert. Nun eskalieren sie den Konflikt immer weiter, um das rohstoffreiche Land zu unterwerfen und sich auch die Ukraine einzuverleiben.

Allen voran der deutsche Imperialismus knüpft dabei wieder an seine alten Großmachttraditionen an. Nicht nur Scholz Gebrüll erinnerte an Hitler, sondern auch das, was er inhaltlich sagte. Die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei haben bereits in der Vergangenheit aufgezeigt, wie die deutsche Außenpolitik zunehmend entlang ähnlicher Linien verläuft wie 1914 und 1941. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Mitte Mai mit militärischen Ehren in Berlin empfangen wurde, kommentierten wir:

Schon im Ersten Weltkrieg gehörte die Kontrolle der rohstoffreichen und geostrategisch zentralen Ukraine – neben der Herstellung der deutschen Hegemonie über ‚Mitteleuropa‘ – zu den erklärten Kriegszielen des Kaiserreichs… Im Zweiten Weltkrieg knüpfte Hitler nahtlos an diese Politik an… Nun verfolgt der deutsche Imperialismus erneut das Ziel, die Ukraine und andere Länder, die einst der Sowjetunion und dem Russischen Reich angehörten, aus dem Einflussbereich Moskaus zu lösen und unter die Kontrolle der von Deutschland dominierten Europäischen Union zu bringen… Mit anderen Worten: Hinter der deutschen Kriegsoffensive stehen im Kern die gleichen imperialistischen Gelüste wie damals.

Nun soll diese Agenda mit aller Macht umgesetzt werden. Wenn Scholz Putin als „Mörder“ und „Verbrecher“ bezeichnet, schließt er de facto jede diplomatische Lösung des Konflikts aus. Ein Regierungschef, der den Präsidenten eines anderen Landes auf offener Bühne mit solchen Worten attackiert, versperrt jede Rückkehr an den Verhandlungstisch. Das erklärte Kriegsziel der imperialistischen Mächte – der Rückzug der russischen Armee aus der Ukraine und die Schwächung und letztlich Unterwerfung von Russland selbst – soll mit kriegerischen Mitteln durchgesetzt werden. Dazu führt die Nato einen immer direkteren Krieg gegen die Atommacht.

Es sei „völlig normal“ in so einer militärischen Auseinandersetzung, „dass auch der Angegriffene ins gegnerische Territorium vorgeht, um beispielsweise Nachschubwege zu unterbinden“, erklärte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bereits Ende April. Seitdem nehmen die Angriffe auf russisches Territorium durch rechtsextreme Verbände der ukrainischen Armee ständig zu. Gleichzeitig bereiten sich Bundeswehr und Nato auf eine direkte Intervention vor.

Scholz landet mit einem Militärhubschrauber auf der Fregatte "Mecklenburg Vorpommern" [AP Photo/Kay Nietfeld]

Bezeichnenderweise besuchte Scholz am Montag das Marinekommando in Rostock-Warnemünde. Anschließend ließ er sich in einem martialischen Auftritt mit einem Hubschrauber vom Typ „Sea King“ auf die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ bringen. Das deutsche Kriegsschiff ist aktuell das Flaggschiff der „Very High Readiness Joint Task Force“, der sogenannten Speerspitze der Nato gegen Russland.

Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung führten die Marine und Verbündete „vor den Augen des Kanzlers“ verschiedene Übungen durch. Dem Blatt zufolge waren daran „ein U-Boot, eine Korvette und ein Minenjagdboot der Bundeswehr, der französische Flottentanker Somme und Kriegsschiffe aus Spanien und Portugal beteiligt“. Auch Eurofighter- und Tornado-Kampfflugzeuge der Luftwaffe hätten an dem Manöver teilgenommen.

Unmittelbar nach der Übung mit Scholz fuhr die „Mecklenburg-Vorpommern“ weiter gen Osten, wo sie in den nächsten Tagen am Nato-Manöver „Baltops 2023“ teilnehmen wird. Es ist die größte Übung der Nato in der Ostsee. Der Bundeswehr zufolge sind daran 19 Nato-Staaten, ein Nato-Partnerstaat, 50 Kriegsschiffe, mehr als 45 Flugzeuge und 6.000 Soldaten beteiligt.

Die Kriegsaktionen der Nato sind nicht auf die See beschränkt. Ein weiteres umfassendes Nato-Manöver, das in den nächsten Tagen beginnt, ist Defender 2023. Vom 12. Juni bis zum 23. Juni werden unter deutscher Führung 250 Flugzeuge und 10.000 Soldaten aus 25 Staaten mobilisiert. Es handelt sich um die größte Nato-Luftübung der Geschichte. Laut Angaben der Luftwaffen werden die Piloten und Besatzungen gemäß dem Prinzip „train as you fight“ (Trainiere so, wie du kämpfst) fliegen – was bedeutet, dass sie vom russischen Militär als veritable Kriegshandlung eingestuft werden muss.

Scholz und die anderen Nato-Führer eskalieren den Krieg im vollen Bewusstsein, dass er in eine nukleare Katastrophe führen kann. Noch im April 2022 hatte der Kanzler in einem Interview mit dem Spiegel auf die Frage nach der Lieferung „schwerer Waffen“ geantwortet, man müsse alles tun, „um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden“. Es gehe darum, „eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt“.

Nun liefert die Bundesregierung nicht nur „schwere Waffen“ – darunter mehr als 100 Kampfpanzer –, sondern „übt“ für ein direktes Eingreifen in den Krieg. Unabhängig davon, ob die aktuellen Nato-Manöver als direktes Sprungbrett für eine Intervention von Nato-Truppen dienen – und diese Gefahr besteht –, weist die ganze Logik des Konflikts in diese Richtung.

„Der Ukraine-Krieg geht nicht vorbei“, erklärte David North bei der Vorstellung seines neuen Buchs Leo Trotzki und der Kampf für Sozialismus im 21. Jahrhundert in Sydney über die weitreichenden Implikationen des Ukrainekriegs. „Er weitet sich zu einem Konflikt von immer größeren Dimensionen aus. Er ist der Auftakt zu einem Krieg, der sich bald als Weltkrieg herausstellen wird, mit äußerst gefährlichen Folgen.“

„Man könnte ihre Politik betrachten und fragen: Ist ihnen nicht klar, dass dies zu einem Atomkrieg führen könnte? Das ist wahnsinnig. Und es stimmt, es ist wahnsinnig“, fuhr North fort. Aber dieser Wahnsinn müsse „materialistisch erklärt werden“. Die Handlungen der imperialistischen Mächte seien „eine Antwort auf Widersprüche, auf die es keine rationalen Antworten gibt“.

Weiter erklärte North: „Dabei sind zwei Prozesse am Werk: Ein Weg führt über die Widersprüche des Kapitalismus zu verheerenden Kriegen und Katastrophen. Aber genau diese Widersprüche bringen auch soziale Revolutionen hervor.“

Hinter Scholz Gebrüll verbirgt sich auch die Angst davor. Die Ablehnung von Militarismus und Krieg ist nach den Verbrechen des deutschen Imperialismus im 20. Jahrhundert in der Bevölkerung tief verankert und die herrschende Klasse weiß, dass sie für ihre revanchistische Weltkriegspolitik keine Unterstützung hat.

Die SGP kämpft dafür, diese Opposition mit dem notwendigen Bewusstsein und Programm zu bewaffnen. Es gibt nur eine Möglichkeit, einen vernichtenden dritten Weltkrieg zu verhindern: den Aufbau einer Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse, die die Ursache von Krieg – das kapitalistische Profitsystem – beseitigt und eine globale sozialistische Gesellschaft aufbaut.

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