Londoner Ukraine Recovery Conference plant imperialistische Plünderungsaktion

In London kreisen die Geier und warten darauf, sich ein Stück der vom Nato-Krieg gegen Russland verwüsteten ukrainischen Wirtschaft zu sichern und die extreme Ausbeutung der ukrainischen Arbeiterklasse vorzubereiten.

Das zweitägige Treffen am Mittwoch und Donnerstag, das als „Ukraine Recovery Conference“ angekündigt wurde, bot den Nato-Regierungen sowie ihren Banken und Konzernen die Gelegenheit, ihre räuberischen Interessen in der Ukraine voranzubringen.

Der britische Außenminister James Cleverly und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen bei der Ukraine Recovery Conference in London am 21. Juni 2023 (Foto: Foreign, Commonwealth & Development Office Flick / CC BY-SA 2.0) [Photo by Foreign, Commonwealth & Development Office Flickr / CC BY-SA 2.0]

Die Veranstaltung hatte etwas Surreales an sich: Regierungsvertreter sprachen vom „beträchtlichen wirtschaftlichen Potenzial“ der Ukraine, während Millionen von Ukrainern zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen und Hunderttausende getötet wurden. Gleichzeitig sind durch den Krieg, der voraussichtlich noch jahrelang andauern wird, Schäden in Höhe von 700 Milliarden Dollar entstanden – durch die Schließung von Unternehmen, die Zerstörung von Infrastruktur und Agrarland.

Die Konferenz war zum Teil darauf ausgerichtet, diesen Konflikt zu verschärfen. Zu diesem Zweck wurde Forderungen ein Podium gegeben, Russland müsse Reparationen zahlen. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kündigte an, der Wiederaufbau der Ukraine solle „letztlich mit den Erlösen aus den stillgelegten russischen Vermögenswerten“ finanziert werden. Die Europäische Union (EU) plant, die auf dem Kontinent eingefrorenen russischen Reserven in Höhe von 200 Milliarden Euro für diesen Zweck einzusetzen; auch das Vereinigte Königreich, Kanada und die USA führen ähnliche Diskussionen.

Doch trotz der Kluft zwischen Rhetorik und Realität verdeutlichte die Veranstaltung zumindest, welche Beziehung wirklich zwischen der Ukraine und den Nato-Mächten herrscht. Das imperialistische Bündnis inszeniert sich zwar als Retter der Ukraine, ihrer Demokratie und Souveränität, betrachtet das Land jedoch in Wirklichkeit als Vasallenstaat. Nachdem die Ukraine bereits militärisch und demografisch ausgeblutet wurde, um Russland zu schwächen, droht ihr nun wirtschaftlich das gleiche Schicksal durch die USA und die europäischen Mächte.

Zu Beginn der Konferenz erklärte der britische Premierminister Rishi Sunak, ein Beinahe-Milliardär und Anhänger des Thatcherismus: „Vor diesem schrecklichen Krieg entwickelten sich in der ukrainischen Wirtschaft riesige Chancen für Investitionen... Tatsache ist, dass diese Chancen auch heute noch bestehen. Tatsächlich hat der Krieg nur bewiesen, wie viel die Ukraine zu bieten hat.“ Die Ukraine sei „bereit für Investitionen“ und „die Regierung von Präsident Selenskyj ist entschlossen, das Land durch Reformen offener sowie transparenter zu machen und für Investitionen bereit zu sein“. Selenskyj hielt auf der Konferenz am Mittwoch eine Rede per Videoschaltung.

Sunaks Tory-Regierung gab eine Erklärung ab, in der es hieß: „Die internationale Staatengemeinschaft, die an der Konferenz teilnimmt, will das Potenzial der Privatwirtschaft erschließen, um den Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen.“ Anna Bjerde von der Weltbank kommentierte dazu, die Ukraine habe „großes Potenzial, einen Großteil ihrer Vermögenswerte in wirtschaftliche Chancen zu verwandeln“.

Hierbei handelt es sich um eine höfliche Umschreibung dafür, dass die ukrainische Arbeiterklasse, die Infrastruktur und die Rohstoffe zu Freiwild erklärt werden. Der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal, der die Kiewer Oligarchie repräsentiert, die für die Ermöglichung dieser imperialistischen Plünderung mit einer üppigen Belohnung rechnet, begrüßte in einer Reihe von Beiträgen in den europäischen Medien diese Initiative.

In Politico schrieb er beispielsweise: „Derzeit verfügt die Ukraine über Vorkommen von 21 der 30 seltenen Elemente, die von der EU als ,kritische Rohstoffe‘ eingestuft werden, die zweitgrößten Gasreserven Europas, 41,3 Millionen Hektar hochwertiges Agrarland und eines der am besten entwickelten digitalen Ökosysteme. Daneben hat sie auch das Wichtigste: qualifizierte, tatkräftige und fleißige Menschen.

Alle diese Faktoren sowie das Wiederaufbauprogramm in Höhe von hunderten Milliarden Dollar bieten ausländischen Investoren eine einmalige Gelegenheit.“

Die World Socialist Web Site hat Anfang Juni auf die Rolle hingewiesen, welche die enormen Mineralienvorkommen der Ukraine im Krieg spielen, und erklärt: „Längst hat ein globaler Wettlauf um strategische Rohstoffquellen begonnen, in deren Verlauf die USA und die führenden EU-Mächte versuchen, die Bodenschätze und sonstigen Ressourcen der ,schwächeren‘ Staaten untereinander aufzuteilen.“

Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, erklärte im Interview mit Politico begeistert, die Ukraine könne „Russlands Lieferungen kritischer Rohstoffe nach Europa vollständig ersetzen“.

Weiter erklärte er: „Die Ukraine besitzt die europaweit größten unterirdischen Gasspeicher – 33 Milliarden Kubikmeter, gleich an der Grenze zur Slowakei. Das Potenzial dort ist enorm. Es könnte ein wichtiges strategisches Element für die Energiesicherheit der Europäischen Union sein.“

Die EU setzt ihre Ambitionen um und plant zwischen 2024 und 2027 bis zu 72 Milliarden Euro in der Ukraine zu investieren. Die USA haben finanzielle Unterstützung in Höhe von 26,4 Milliarden Dollar bereitgestellt. Das Vereinigte Königreich nutzte die Konferenz in dieser Woche, um Garantien für Darlehen der Weltbank in Höhe von drei Milliarden Dollar anzukündigen. Der Internationale Währungsfonds stellt über einen Zeitraum von vier Jahren 15 Milliarden Dollar zur Verfügung.

Ein Teil dieser Mittel sind Fördergelder, die meisten jedoch Darlehen, welche die Schuldenlast der Ukraine noch weiter erhöhen wird. Nach Angaben des Finanzministeriums belaufen sich die gesamten Auslandsschulden des Landes bereits auf über 70 Milliarden Dollar. Dieses Jahr muss die Ukraine drei Milliarden Dollar für diese Schulden zahlen und 2024 voraussichtlich weitere zehn Milliarden Dollar – und das, obwohl eine zweijährige Pause für Auslandsschulden des Landes in Höhe von 20 Milliarden Dollar vereinbart wurde.

Die Gelder sind auch an die Erwartung geknüpft, dass sich die Ukraine für amerikanische und europäische Unternehmen öffnen wird. US-Unterstaatssekretär Jose Fernandez erklärte Anfang des Jahres: „In der ukrainischen Privatwirtschaft werden mutige und originelle Ideen wichtiger sein als je zuvor.“

Sunak kündigte bei seiner Rede auf der Konferenz den Ukraine Business Compact an, „mit dem sich die Privatwirtschaft verpflichtet, den Wiederaufbau und die Erholung der Ukraine zu unterstützen... Bisher wollen sich über 400 Unternehmen aus 38 Ländern mit einer Marktkapitalisierung von zusammen 4,9 Billionen Dollar beteiligen.“

Der Vermögensverwalter BlackRock, der in erheblichem Umfang ukrainische Anleihen hält, und die Bank JPMorgan arbeiten mit der ukrainischen Regierung am Aufbau einer „Wiederaufbaubank, die private Investitionen in Höhe von hunderten Milliarden Dollar anziehen kann“. Die Financial Times schreibt dazu: „BlackRock und JPMorgan stellen ihre Dienste zur Verfügung, obwohl ihre Arbeit ihnen einen frühen Einblick in mögliche Investitionen in dem Land ermöglichen wird.“

Um diese Investoren zu ermutigen, hat die Ukraine die bereits vor dem Nato-Krieg gegen Russland, vor allem nach dem Maidan-Putsch von 2014, begonnene Welle von Privatisierungen und den Abbau von Arbeitnehmerrechten und -schutz fortgesetzt, um sich auf die Integration in den EU-Markt vorzubereiten.

Wolodymyr Selenskyjs Wirtschaftsberater Alexander Rodnjanski erklärte letzten Oktober gegenüber dem Guardian: „Die Ukraine muss, um ihre Wirtschaft zu sanieren, ihr Arbeitsrecht überarbeiten und die Anstrengungen verdoppeln, Tausende von Unternehmen zu verstaatlichen“.

Als Ziele nannte Rodnjanski „leichtere Einstellungen und Entlassungen, niedrigere Abfindungen, flexiblere Arbeitszeiten und Arbeitsverträge sowie Ausbau befristeter Arbeitsverhältnisse“ und die Abschaffung des Mindestlohns: „Wir müssen dafür sorgen, dass er nicht zu hoch ist, weil unsere Wirtschaft zusammenbricht und wir sicherstellen müssen, dass er die Arbeitslosigkeit nicht in die Höhe treibt.“

Es wurden bereits Gesetze verabschiedet, welche die Rechte der Beschäftigten beschneiden und Null-Stunden-Arbeitsverträge erlauben.

Bei der letztjährigen Ukraine Recovery Conference im schweizerischen Lugano kündigten Vertreter der ukrainischen Regierung an, die 15 größten staatseigenen Unternehmen des Landes zu privatisieren und den Verkauf von 49 Prozent ihrer Aktien zu erlauben.

Die Regierung erzielte im ersten Quartal dieses Jahres Rekordgewinne aus dem Verkauf von kleineren staatlichen Vermögenswerten. Sie bringt Gesetze auf den Weg, die auch den vollständigen Verkauf größerer Unternehmen wie der chemischen Fabriken und Energiekonzerne ermöglichen soll. Der Leiter des Staatseigentumsfonds, Rustem Omerow, erklärte im Mai gegenüber Reuters zu dem Gesetz: „Es gibt zwar Opposition, aber [das Gesetz] wird die letzten Überreste des Kommunismus beseitigen.“

Die wirtschaftliche und militärische Situation der Ukraine bestätigt die Warnungen, die Leo Trotzki am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in dem Artikel „Eine ganz frische Lehre“ ausgesprochen hatte: „Welches auch immer der Ort sei, an dem der imperialistische Krieg begonnen wird – er wird nicht für irgendeine ,nationale Unabhängigkeit‘, sondern im Hinblick auf die Neuverteilung der Welt gemäß den Interessen der verschiedenen Cliquen des Finanzkapitals gemacht werden.“

Es beweist außerdem einmal mehr, was das Internationale Komitee der Vierten Internationale über die Folgen der Auflösung der Sowjetunion sagte, als die verantwortlichen stalinistischen Apparatschiks behaupteten, Imperialismus sei ein von Lenin erfundener Mythos: „Dieser Mythos hat sich als wahr erwiesen“, und er fordert von der ukrainischen und russischen Arbeiterklasse einen schrecklichen Tribut.

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