BRICS-Staaten wollen expandieren – als Gegengewicht zur Abhängigkeit vom US-Dollar

Auf ihrem Gipfeltreffen ließen die BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – letzte Woche deutlich erkennen, dass sie nach größerem wirtschaftlichen Einfluss auf der Weltbühne streben. Ein Kommentator der Financial Times zog den großspurigen Vergleich, das Treffen könne wohl als „Gegenstück des 21. Jahrhunderts zur Bandung-Konferenz 1955“ gelten, „als die Bewegung der Blockfreien gegründet wurde“.

Der chinesische Präsident Xi Jinping (Mitte) und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa (zweiter von links) beim Runden Tisch der chinesisch-afrikanischen Staatschefs am letzten Tag des BRICS-Gipfels in Südafrika am 24. August 2023 [AP Photo/Alet Pretorius]

Die Welt hat sich seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 und dem Ende des Kalten Kriegs grundlegend verändert. Zuvor manövrierten die blockfreien Staaten zwischen den von der Sowjetunion und den USA dominierten Blöcken. Doch statt eine neue Ära des Friedens und der Stabilität einzuläuten, ist die Welt heute von weitaus größerer wirtschaftlicher Instabilität und geopolitischen Spannungen zerrissen. Die USA und ihre Nato-Verbündeten führen in der Ukraine Krieg gegen Russland, während Washington seine Konfrontation und die Vorbereitungen auf einen Konflikt mit Peking verschärft.

Auf Drängen Chinas beschlossen die BRICS-Staaten auf ihrem Gipfeltreffen die Aufnahme von sechs zusätzlichen Ländern: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Dies wird Anfang nächsten Jahres nur der erste Schritt einer weiteren Expansion sein, die auch Länder wie Nigeria, Mexiko, Venezuela und Vietnam umfassen könnte. Das wirtschaftliche Gewicht des Blocks würde sich damit beträchtlich steigern.

Ein Großteil der Kommentare in der amerikanischen und westlichen Presse konzentrierte sich auf die offensichtlichen politischen Differenzen, Rivalitäten und Spannungen, die zwischen den Ländern dieser Gruppierung bestehen. Indien und China waren bereits vor der Erweiterung wegen Grenzstreitigkeiten aneinandergeraten. Zudem ist Indien Teil des Quadrilateralen Sicherheitsdialogs, eines von den USA geführten Militärpakts gegen China.

Saudi-Arabien, Ägypten und die VAE sind eng mit den USA verbündet, während Washington schwere Sanktionen gegen den Iran, angeblich wegen seiner Atomprogramme, aufrechterhält. Zudem sind der Iran und Saudi-Arabien erbitterte Rivalen um Einfluss im Nahen Osten und haben 2016 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Bezeichnenderweise hat China im März die Wiederaufnahme von Beziehungen zwischen den beiden nahöstlichen Mächten vermittelt.

China und Russland betrachteten den Gipfel eindeutig als Mittel, den konzertierten Versuchen der USA und ihrer Verbündeten entgegenzuwirken, sie zu isolieren und zu verteufeln. Der russische Präsident Wladimir Putin, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen erfundener Kriegsverbrechen vorliegt, beteiligte sich per Videoschalte.

Der chinesische Präsident Xi Jinping traf als erster, vor den anderen Staatschefs, zu einem Staatsbesuch ein. Er wurde von der Regierung Südafrika empfangen und mit dem südafrikanischen Orden ausgezeichnet – ein klarer Hinweis auf Chinas Bedeutung in der BRICS. Xi traf sich am Rande des Gipfels auch mit afrikanischen Staatschefs und versprach, China werde „seine Mittel für eine Kooperation“ mit Afrika „besser nutzen“.

Bei seinem Eintreten für die Expansion der BRICS hat China nahegelegt, der Block könne ein Gegengewicht zur G7-Gruppe und zu Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank werden, die unter der Kontrolle der USA stehen.

In seiner vorbereiteten Stellungnahme attackierte Xi die USA (ohne sie namentlich zu nennen) als ein Land, das davon „besessen ist, seine Hegemonie zu erhalten“ und „alles getan hat, um aufstrebende Märkte und Entwicklungsländer zu schädigen“. Er warnte vor der Gefahr, schlafwandelnd „in den Abgrund eines neuen kalten Kriegs“ zu geraten.

In den USA versuchte der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, die Bedeutung der BRICS-Expansion herunterzuspielen, indem er die Meinungsverschiedenheiten in wichtigen Fragen, die unter den einzelnen Staaten bestehen, hervorhob. Sullivan sagte, er sei nicht der Meinung, dass sich die BRICS-Staaten „zu einer Art geopolitischem Rivalen der USA oder anderer Länder entwickeln“.

Im Leitartikel des Australian vom Montag hieß es jedoch, das Gipfeltreffen signalisiere den Übergang des „zuvor unbedeutenden Bündnisses von fünf Staaten“ zu einer erweiterten und gut finanzierten Organisation, deren Hauptziel es ist, die geopolitischen Interessen Chinas und Russlands durchzusetzen. Ähnlich wie die Republikaner in Washington machte der australische Kommentator Biden für die angespannten Beziehungen mit Saudi-Arabien und anderen Verbündeten der USA verantwortlich und warnte: „Der Westen wird einen hohen Preis zahlen, wenn er nicht verhindert, dass das Bündnis aus fünf Staaten ein mächtiger neuer Akteur auf der Weltbühne wird.“

Die meisten Kommentatoren klammerten ein offensichtliches Thema des Gipfeltreffens sorgfältig aus: Angesichts der eklatanten Divergenzen, die zwischen den Mitgliedsstaaten der BRICS bestehen, stellt sich doch die Frage, was diese Staaten überhaupt zusammenbringt.

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa wies in seinen Ausführungen auf die gemeinsame Sorge über die Dominanz des US-Dollar bei internationalen Finanztransaktionen hin: „Es besteht ein globaler Impuls zur Verwendung lokaler Währungen, alternativer Finanzvereinbarungen und alternativer Zahlungssysteme.“

Die Staatschefs der BRICS-Staaten haben ihre Finanzminister und Zentralbankgouverneure angewiesen, Wege zu finden, um ihre Abhängigkeit vom US-Dollar im Handel mit anderen Mitgliedsstaaten zu reduzieren.

Der US-Imperialismus selbst treibt die Versuche, die Abhängigkeit vom Dollar zu verringern, durch die Art und Weise voran, wie er die globale Position des US-Dollars als finanzielle Waffe gegen andere Staaten einsetzt. Die Angst in den Hauptstädten auf der ganzen Welt, einschließlich derjenigen, die mit Washington verbündet sind, ist dramatisch angewachsen, seitdem die Biden-Regierung zu Beginn des Ukraine-Kriegs Russlands Zentralbankreserven eingefroren hat.

Nader Mousavizadeh, ein Berater des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan, wird von der Financial Times mit den Worten zitiert, es gehe nicht so sehr um den Krieg der Nato und der USA gegen Russland in der Ukraine. Vielmehr sorge das Einfrieren russischer Guthaben für Beunruhigung.

Er beschrieb die Gruppierung, weil sie so weit verstreut ist, als „Archipel“ und erklärte: „Für die Mittelmächte war es so, als ob jemand einmarschieren und Botschaftseigentum beschlagnahmen würde. Es hat sie daran erinnert, dass man im Archipel das Gefühl haben kann, eine Chance zu haben, aber dass es keine Alternativen zur Welt des US-Dollars gibt.

Viele meinten, wir müssten alles tun, um zu vermeiden, dass in Zukunft Reserven in dieser Größenordnung eingefroren werden. Das war die Hauptreaktion von Modi und vielen anderen Regierungen der Mittelmächte, auch im Nahen Osten, die davon ebenfalls besessen waren.“

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva brachte vor dem Gipfel die Idee einer gemeinsamen BRICS-Währung ins Spiel, doch der Vorschlag setzte sich nicht durch. Die Fähigkeit jeglicher Währung, einschließlich des chinesischen Renminbi, den US-Dollar als globale Währung zu ersetzen, stößt auf große Hindernisse, die auch eine vergrößerte BRICS-Gruppe nicht überwinden könnte.

Dennoch ist es Chinas Strategie, die Dominanz des US-Dollar durch die Förderung von Transaktionen in Renminbi zu schwächen. Dies wird auch in einer langen, vierteiligen Serie der Financial Times mit dem Titel „Der Aufstieg der Mittelmächte“ erklärt. Der vierte Teil dieser Serie beginnt mit der Feststellung, dass Argentinien aus Mangel an Dollar-Reserven letzte Woche eine Zahlung an den IWF in Renminbi geleistet habe.

Wie in dem Artikel erklärt wird, verfolgt China eine mehrgleisige Strategie, um den globalen Einsatz des US-Dollar zu vermindern. Dazu gehört die Schaffung einer großen Liquiditätsreserve an Renminbi auf den Offshore-Kapitalmärkten, um die Verwendung des Renminbi durch Händler und Investoren zu erleichtern, die Einrichtung des grenzüberschreitenden Interbank-Zahlungssystems (CIPS; Cross-Border Interbank Payment System), das die bestehenden, auf Dollar lautenden Interbank-Abwicklungssystemen Chips und Swift ablösen soll, sowie auch die Einführung eines digitalen Renminbi.

Diese Strategien sind mit beträchtlichen Hindernissen konfrontiert. Dazu gehören nicht zuletzt die zunehmenden Finanzturbulenzen innerhalb Chinas und die Entschlossenheit der USA, die Vorherrschaft des Dollar aufrechtzuerhalten. Allerdings ist klar, dass die wirtschaftliche und militärische Aggression des US-Imperialismus andere Länder dazu bringt, angesichts einer gemeinsamen Bedrohung ihre früheren Differenzen zu überdenken.

Auch wenn die Wirtschaftsmacht der BRICS-Staaten selbst im Fall einer Erweiterung kaum an diejenige der imperialistischen G7-Mächte herankommt, erinnert ihre Konsolidierung bedrohlich an die Wirtschafts- und Währungsblöcke, die in den 1930er gebildet wurden, als die Welt auf einen katastrophalen globalen Konflikt zusteuerte.

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