Massenproteste in Niger fordern Abzug der französischen Truppen

Am Samstag demonstrierten zehntausende Menschen vor der französischen Militärbasis in Niamey, der nigrischen Hauptstadt. Sie forderten den Abzug aller französischen Truppen aus Niger.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lehnt den Abzug der Truppen aus der ehemaligen französischen Kolonie unter dem Vorwand ab, die Forderung stamme von dem Regime, das am 26. Juli durch einen Putsch an die Macht gekommen ist. Macron inszeniert sich als Verteidiger der Demokratie gegen den Putsch, durch den der von Frankreich unterstützte nigrische Präsident Mohamed Bazoum gestürzt wurde. Auf dieser Grundlage belässt Macron die französischen Truppen in Niger und lehnt die Forderung des nigrischen Regimes ab, den französischen Botschafter Sylvain Itté auszuwechseln.

Die Massenproteste in Niamey entlarven Macrons neokoloniale Argumente als Betrug. In Wirklichkeit ist es weniger die nigrische Militärjunta, sondern vor allem die nigrische Bevölkerung, die ein Ende der französischen Militärpräsenz in Niger und der gesamten Sahelzone fordert. Genau wie in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso, aus denen französische Truppen letztes Jahr abziehen mussten, nachdem sie dort neun Jahre lang blutige Kriege geführt hatten, herrscht auch in Niger enorme Wut über den französischen Imperialismus und seine Nato-Verbündeten.

Die Demonstranten versammelten sich auf dem Escadrille-Platz in Niamey vor dem französischen Militärstützpunkt. Zuvor war es bereits am Donnerstag und Freitag zu kleineren Protesten gekommen. Die Menschen forderten in Sprechchören den sofortigen Abzug der französischen Truppen aus Niger, das Land, das für die großen französischen Konzerne eine wichtige Bezugsquelle für Uran und andere wichtige Rohstoffe darstellt. Sie hielten Transparente hoch, auf denen stand: „Frankreich ist ein Blutegel und saugt die Nigrer aus“, „Niger den Nigrern, Afrika den Afrikanern“ und „Tapfere Völker Afrikas, nichts kann uns aufhalten“.

Der Demonstrant Yacouba Issoufou erklärte gegenüber Reuters: „Wir sind bereit, uns heute zu opfern, denn wir sind stolz. Sie haben unsere Rohstoffe geplündert, und uns ist das bewusst geworden. Deshalb müssen sie verschwinden.“

Ein anderer Demonstrant in Niamey namens Mariama Amdaou erklärte gegenüber der Hindustan Times: „Unsere einzige, unsere endgültige Forderung ist der Abzug, der Abzug der Franzosen von nigrischem Staatsgebiet. Wir wollen diese Leute hier nicht, wir brauchen sie nicht, und wir wiederholen: Wir sind bereit, unser Land zu verteidigen. Wir sind bereit zu sterben, damit sie verschwinden. Sie müssen verschwinden, wir brauchen sie hier nicht.“

Die Proteste in Niamey fanden vor dem Hintergrund des Widerstands und der Proteste statt, die überall in Afrika zunehmen. Sie richten sich gegen die von den imperialistischen Mächten geforderten Wirtschaftssanktionen und ihre Pläne für einen Einmarsch der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) in Niger, Mali und Burkina Faso.

Macron fordert einen solchen Einmarsch, um die Truppen der ECOWAS-Staaten als Kanonenfutter für einen französisch geführten Feldzug zur Rückeroberung der Länder zu nutzen, aus welchen die französischen Truppen abziehen mussten. Die Regimes von Nigeria, der Elfenbeinküste, des Senegal und Benin haben sich bereit erklärt, Truppen nach Niger zu schicken.

Die Sanktionen der ECOWAS haben bereits verheerende Auswirkungen auf Niger. Sie haben u.a. zu Stromausfällen und der Einstellung des Handels mit wichtigen pharmazeutischen Produkten, Nahrung und anderen Grundgütern geführt. Die Sanktionen bedeuten alleine für den Handel zwischen Niger und Nigeria Verluste von 13 Milliarden Naira (knapp 16 Mio. Euro) pro Woche.

Letzten Monat kam es in der Stadt Kano, Nord-Nigeria, zu Protesten gegen den geplanten Krieg gegen Niger. Demonstranten hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie „Krieg gegen Niger ist Unrecht“, „Das ist die Handschrift Amerikas“, „Wir wollen Gerechtigkeit“ und „Niger gehört zu uns“. Die nigerianische Tageszeitung Vanguard schrieb, die nigerianische Bevölkerung lehne die geplante ECOWAS-Militärmission „größtenteils“ ab.

Selbst in herrschenden Kreisen Nigerias mehren sich die Bedenken bei der Aussicht auf einen offenen Krieg. Der ECOWAS-Abgeordnete Idris Wase erklärte: „Wir sollten vorsichtig sein, etwas zu beginnen, was wir nicht beenden können. Als der Krieg zwischen Russland und der Ukraine begann, dachten die Leute, es würde ein kurzer, scharfer Krieg werden. Ein Jahr danach schwelt er immer noch ... Die Militärchefs der Subregionen wissen, dass sie wirtschaftlich profitieren können, deshalb sind sie begierig auf eine Militärintervention in Niger. Die meisten von ihnen sind korrupt. Ein Krieg gegen Niger wird sich jedoch nachteilig auf 60 Prozent des Landes auswirken, vor allem auf den Norden Nigerias.“

Nigrische Arbeiter im Senegal äußerten gegenüber Radio France Internationale ebenfalls Ablehnung gegenüber den Sanktionen und Kriegsplänen von ECOWAS. In Dakar sagte der Arbeiter Tassiou: „Wir leben im Ausland, wir können weder per Landverbindung noch per Flugzeug heimkommen. Wir können kein Geld mehr über die Banken schicken, und der Handel ist blockiert. Wir können unseren Familien kein Geld mehr schicken.“

Abdourahmane, ein Nigrer, der in der senegalesischen Finanzbranche arbeitet, verurteilte eine potenzielle Militärintervention der ECOWAS mit den Worten: „Die Senegalesen, mit denen ich im Büro spreche, sind weitgehend gegen diese Militärintervention. Und ich denke, dass heute kein Afrikaner diese Intervention verteidigen sollte, weil es ein Kampf zwischen Afrikanern wäre.“

Doch die Gefahr eines Kriegs nimmt sehr schnell zu, vor allem weil der Konflikt in Afrika immer mehr in Abhängigkeit gerät von dem rapide eskalierenden Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine sowie von den Plänen der USA für eine militärische Konfrontation mit China. Die Militärjunten in Niger, Mali und Burkina Faso haben allesamt versucht, Beziehungen zu der russischen Söldnerfirma Wagner-Gruppe oder direkt mit Vertretern des russischen Militärs aufzubauen.

Die Sanktionen, die von Frankreich verlangt werden, drohen auch chinesische Industriepläne zu behindern. Unternehmen aus China bauen in Niger eine Ölpipeline nach Benin und mehrere Lebensmittelwerke. China hat vorsichtig seine Unterstützung für die Junta in Niamey signalisiert. Am Freitag traf sich der chinesische Botschafter in Niger, Jiang Feng, mit dem nigrischen Verteidigungsminister Salifou Mody und erklärte ihm laut Agence Nigériane de Presse, die nigrische Regierung könne auf Chinas „Unterstützung“ rechnen.

Die Regierungen der Türkei, Ägyptens und Algeriens kritisierten die Forderungen nach einer Intervention der ECOWAS ebenfalls. Berichten zufolge verkauft die Türkei der nigrischen Regierung Bayraktar-Drohnen für den Fall, dass die ECOWAS einzumarschieren versucht. Dieselben Drohnen schickt sie auch der Ukraine für den Krieg gegen Russland.

Doch keines dieser kapitalistischen Regimes kann als Freund der Arbeiterklasse betrachtet werden. Keins steht dem Imperialismus konsequent feindselig gegenüber. Das algerische Militärregime hat während des Kriegs in Mali seinen Luftraum für französische Bomber geöffnet und erst dieses Jahr geschlossen. Das ägyptische Regime ist berüchtigt für seine enge Zusammenarbeit mit Washington bei der blutigen Unterdrückung der revolutionären Kämpfe der Arbeiterklasse während des Putsches von General Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013.

Die Strategie all dieser Regimes – möglichst einen Deal mit dem Imperialismus auszuhandeln, ohne die revolutionäre Stimmung unter afrikanischen Arbeitern zu mobilisieren – zeigte sich letzten Monat in den Äußerungen der Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa. Kurz nach dem Putsch forderte sie, „den zivilen Frieden wiederherzustellen und Recht und Ordnung in Niger zu sichern“. Sie forderte außerdem „die Afrikanische Union und regionale Organisationen“ wie die ECOWAS auf, den Konflikt zu lösen.

Die Alternative dazu ist die Vereinigung des wachsenden Widerstands der Arbeiterklasse gegen imperialistischen Krieg in ganz Afrika und der Welt, einschließlich der imperialistischen Länder selbst, im Kampf für Sozialismus. Dieses Jahr kam es in ganz Europa zu erbitterten Massenstreiks, da die Arbeiter die Umverteilung massiver Mittel von Löhnen und Sozialausgaben an das Militär und den Krieg ablehnen. In Frankreich setzt Macron sich über den Willen der Bevölkerung hinweg und lässt die Rentenkürzung durchsetzen, obwohl die Bevölkerung monatelang Widerstands geleistet und Massenstreiks geführt hat. Diese wurden von der Bereitschaftspolizei brutal unterdrückt.

Unter diesen objektiv revolutionären Bedingungen entsteht die Grundlage für den Aufbau einer gemeinsamen Bewegung der afrikanischen, europäischen und internationalen Arbeiterklasse, die für Sozialismus und gegen Imperialismus kämpft. Eine solche Bewegung, angeleitet von einer revolutionären internationalistischen Perspektive, kann den Abzug der französischen Truppen aus dem ehemaligen Kolonialreich erzwingen und die jahrzehntelange Ausplünderung der Sahelzone und Afrikas durch den Imperialismus beenden.

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