Selektive Streikpolitik stößt auf Widerstand

UAW-Chef kündigt „Frist“ bis Freitag für weitere Arbeitsniederlegungen an

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Shawn Fain bei seiner Ankündigung in den sozialen Medien [Photo: UAW]

In einer Videoerklärung, die am Montagabend veröffentlicht wurde, sagte der Präsident der United Auto Workers, Shawn Fain, dass die UAW den Autokonzernen eine „neue Frist“ bis Freitagmittag gesetzt habe. „Sie sollten mit uns zusammenarbeiten, um Fortschritte bei den Verhandlungen zu erzielen“, sagte Fain. Andernfalls werde die UAW weitere Gewerkschaftsbezirke zum Streik aufrufen.

Die Ankündigung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Widerstand der Basis gegen die katastrophale Streikpolitik der UAW-Bürokratie weiter verstärkt. Obwohl 97 Prozent der Beschäftigten für einen Streik gestimmt haben, hat die UAW nur 12.000 ihrer 146.000 Mitglieder bei GM, Ford und Stellantis zum Streik aufgerufen. Gleichzeitig hat sie 90 Prozent der Beschäftigten der „Big Three“, der „Großen Drei“ (Ford, GM und Stellantis), angewiesen, am Arbeitsplatz zu bleiben.

Die UAW-Bürokratie ist hochnervös angesichts der Tatsache, dass sich unter den Autoarbeitern eine starke Stimmung für einen Generalstreik ausbreitet. Fain und die UAW versuchen, die Arbeiter in den USA so lange wie möglich mit Versprechungen über eine Ausweitung des Kampfes hinzuhalten. In Wirklichkeit bereiten sie sich darauf vor, den Autoarbeitern einen Vertrag unterzuschieben, der sämtliche Forderungen verrät.

Die Möglichkeit, dass die Beschäftigten der Ford Motor Company in Kanada ebenfalls die Arbeit niederlegen und den Kampf auf der anderen Seite der Grenze aufnehmen könnten, verstärkt die Stimmung unter den Autoarbeitern ganz Nordamerikas für eine Ausweitung des Kampfs. In Kanada beschäftigen die Big Three rund 18.000 Autoarbeiter.

Die kanadische Gewerkschaft Unifor tut jedoch alles, um einen gemeinsamen Kampf zu sabotieren. Mit der Behauptung, sie habe „Minuten vor Ablauf der Frist ein substanzielles Angebot des Arbeitgebers erhalten“, kündigte die Gewerkschaft an, die Verhandlungen mit Ford um weitere 24 Stunden zu verlängern, und wies 5.600 Beschäftigte an, nicht zu streiken. In einer Mitteilung am frühen Montagabend heißt es: „Unifor-Mitglieder bei Ford sollten in der Schicht bleiben, solange sie keine ausdrücklichen Anweisungen der Gewerkschaft erhalten, die etwas anderes besagen.“

Die Autokonzerne und die Wall Street ignorieren bisher die begrenzten Streiks der UAW in den USA weitgehend. Sie haben vor dem Auslaufen der Verträge große Lagerbestände aufgebaut. Gleichzeitig haben die Unternehmen ihre Weigerung, den Autoarbeitern irgendwelche Zugeständnisse zu machen, noch verstärkt.

Im Zuge der Umstellung auf Elektrofahrzeuge planen die Konzerne einen massiven Stellenabbau, was die UAW-Bürokratie vor den Beschäftigten weiterhin verheimlicht. Nach Angaben von CNBC beinhaltet der jüngste Vorschlag von Stellantis die Schließung von 18 Teile- und -Vertriebsstandorten für das Modell Mopar in den gesamten USA sowie die Umwidmung des geschlossenen Montagewerks in Belvidere, Illinois, entweder zur Herstellung von E-Komponenten oder als Teilevertriebszentrum. In beiden Fällen würde dies bedeuten, dass den Beschäftigten niedrigere Löhne gezahlt werden.

In seinen Ausführungen am Montagabend stellte Fain seine Streikpolitik als strategische Meisterleistung dar. „Deshalb haben wir letzte Woche unsere tapfere Gewerkschaftsfamilie in der Montage in Wentzville, in der Montage von Toledo und in der Endmontage und den Lackierabteilungen in Michigan aufgerufen, aufzustehen und zu streiken ... Genauso wichtig ist, dass alle anderen an ihrem Arbeitsplatz verbleiben. Nur so kann diese Strategie funktionieren.“

Dieser absurden Logik zufolge werden die Autoarbeiter mehr Einfluss auf die Unternehmen haben, wenn die große Mehrheit von ihnen ohne Vertrag weiterarbeitet, Fahrzeuge baut und Gewinne für die Unternehmer produziert.

Fain fuhr fort: „Wir werden die Unternehmen weiterhin dort treffen, wo und wann es nötig ist, und wir werden nicht ewig warten, während sie die Sache hinauszögern.“

„Entweder kommen die Großen Drei zur Sache und arbeiten mit uns zusammen, um Fortschritte bei den Verhandlungen zu erzielen. Oder mehr Beschäftigte werden vor Ort aufgerufen, aufzustehen und zu streiken. In der Zwischenzeit werden weitere Ortsverbände Aktionen durchführen. Diejenigen, die streiken, werden im Streik bleiben, und diejenigen, die arbeiten, werden weiterhin auf einseitige Änderungen durch die Unternehmensleitung achten, die nach einem abgelaufenen Vertrag nicht zulässig sind.“

Indem die UAW die Beschäftigten in den nicht streikenden Fabriken anweist, weiterhin im Rahmen der abgelaufenen Verträge zu arbeiten, unterwirft sie sie auch möglichen Strafmaßnahmen schon bei geringen Verstößen. Die Beschäftigten werden schon wegen geringfügigen Anschuldigungen suspendiert und mit Kündigung bedroht. Letzten Freitag berichteten Arbeiter des Stellantis LKW-Warren-Montagewerks, dass 10 ihrer Kollegen in einem Vorort von Detroit „rausgeworfen“ worden seien, weil sie Ohrstöpsel benutzt, keine Schutzbrille getragen oder andere geringfügige Vergehen begangen hatten.

Die UAW akzeptiert solche Sanktionen. Letzte Woche hat sie ein Schreiben an die Beschäftigten herausgegeben, in dem sie sie aufforderte, den Anweisungen des Managements Folge zu leisten, und vor der Verweigerung erzwungener Überstunden, von Dienst nach Vorschrift oder anderen Solidaritätsaktionen mit den Streikenden warnt. Diese könnten sonst zur Kündigung führen, warnt die UAW.

Zwischen den Unternehmen und der UAW findet nicht das statt, was man normalerweise unter „Verhandlungen“ versteht. Die Gewerkschaftsbürokratie hat die Verträge schon vor langer Zeit mit den Unternehmen abgesprochen. In Wirklichkeit geht es bei den Gesprächen zwischen der Unternehmensleitung, der UAW und dem Weißen Haus um die Frage, wie ein ausgewachsener Arbeiteraufstand abgewehrt werden kann.

Die UAW-Bürokratie trifft sich regelmäßig mit Vertretern der Biden-Regierung, zum Beispiel mit der amtierenden Arbeitsministerin Julie Su und dem Chefberater Gene Sperling. Su und Sperling sind nach Detroit gekommen, um zu erörtern, wie der militante Widerstand der einfachen Arbeiter gegen die Forderungen der Konzerne gebrochen werden kann. Die bisherige „Stand up“-Streikpolitik ist Teil dieser Bemühungen, die darauf abzielen, die Arbeiter zu spalten, sie zu zermürben und sie für einen Ausverkaufsvertrag empfänglich zu machen, auf dessen Grundlage dann Zehn-, wenn nicht Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie vernichtet werden.

Ein Mitglied des Warren Truck Aktionskomitees brachte gegenüber der WSWS die Wut der Arbeiter über diesen Verrat zum Ausdruck: „Ein Vollstreik ist die einzige Möglichkeit, damit die Autokonzerne verstehen, dass wir nicht mitspielen. Wir, die Arbeiterklasse, müssen sagen: Genug ist genug! und aus jedem Werk verschwinden. Wir können uns nicht auf die UAW-Bürokratie verlassen. Wir müssen uns auf einander verlassen.“

Schichtwechsel am Stellantis LKW-Werk Warren, 27. Juli 2023

„Letzten Freitag waren wir alle bereit, gemeinsam zu streiken“ fuhr der Arbeiter fort. „Nicht in einer Million Jahren hätte ich gedacht, dass man weniger als 10 Prozent der Mitglieder in den Streik ruft. Das Unternehmen nutzt schon Kleinigkeiten, um Arbeiter zu entlassen, denn sie haben die Kontrolle. Der Rest von uns arbeitet vier bis fünf Überstunden pro Woche, egal wie weit wir fahren müssen, um zur Arbeit zu kommen.

Wer hat sich den Unsinn mit dieser Art ‚Streik‘ ausgedacht? Wir helfen ihnen nur dabei, ihren Bestand an Fahrzeugen aufzustocken. Alles, was die UAW-Funktionäre wollen, ist, unsere Beiträge zu kassieren und so wenig wie möglich aus dem Streikfonds auszuzahlen. Wir müssen alle in den Streik treten, in jedem Unternehmen in den USA und auf der ganzen Welt.“

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