Israel: Gantz und Netanjahu bilden Einheitsregierung für Krieg gegen Palästinenser

Der Vorsitzende der Partei der Nationalen Einheit, Benny Gantz, einer der beiden prominentesten Anführer der Oppositionsbewegung gegen den Versuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, eine Diktatur zu errichten, hat sich ohne zu zögern dessen Regierung der nationalen Einheit angeschlossen. Ihr Ziel ist die ethnische Säuberung des Gazastreifens.

Gantz war von 2011 bis 2015 Stabschef der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF); in dieser Zeit war er verantwortlich für die mörderischen Angriffe auf den Gazastreifen in den Jahren 2012 und 2014. Bei der Operation im Jahr 2012 wurden 177 Palästinenser getötet, der 50-tägige Angriff im Jahr 2014 forderte fast 2.200 überwiegend zivile Todesopfer und zerstörte einen Großteil der Infrastruktur der Enklave.

Gantz war unter einer früheren Netanjahu-Regierung Verteidigungsminister und stellvertretender Ministerpräsident. Im Mai 2021 war er verantwortlich für den elftägigen Krieg im Gazastreifen, bei dem mehr als 250 Palästinenser getötet wurden, darunter mindestens 66 Kinder und 41 Frauen.

Die Notstandsregierung wurde am Mittwochnachmittag ins Leben gerufen, nachdem sich Likud-Ministerpräsident Netanjahu und Gantz für 30 Minuten im IDF-Hauptquartier in Tel Aviv getroffen hatten. Außer dem Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir beteiligen sich auch alle rechtsextremen und religiösen Parteien aus Netanjahus Koalition daran.

Gantz wird neben Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Galant in einem Kriegskabinett sitzen, um die Fortsetzung des brutalen Vorgehens gegen die Palästinenser in Gaza zu planen. Seine Loyalität galt während der letzten zehn Monate und gilt noch heute dem zionistischen Staat, den er verteidigen wird, ganz gleich welch blutige Verbrechen dafür notwendig sind.

Der ehemalige IDF-Stabschef Gadi Eisenknot, das langjährige Likud-Mitglied und späterer Gegner Netanjahus Gideon Sa'ar und der Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer werden sich dem Kriegskabinett als Beobachter anschließen. Hinzu kommen die oppositionellen Abgeordneten Hili Tropper und Yifat Shasha-Biton. Sa'ar wird dem Kabinett beitreten, fünf weitere Mitglieder von Gantz’ Partei der Nationalen Einheit werden für die Dauer des Kriegs als Minister ohne Geschäftsbereiche amtieren.

Als einzige wichtige Führungspersönlichkeit der Opposition ist Jair Lapid dem Kriegskabinett noch nicht beigetreten, allerdings ist für ihn ein Sitz reserviert. Lapid war der erste Oppositionspolitiker, der eine Koalition vorschlagen hatte; allerdings verlangte er den Ausschluss der Führer von Netanjahus faschistischen Koalitionspartnern, Bazalel Smotrich von der Partei Religiöser Zionismus und Itamar Ben-Gvir von der Partei Jüdische Stärke.

Die Times of Israel berichtete diese Woche, es habe bereits seit Wochen geheime Diskussionen mit Netanjahu gegeben, allerdings habe Lapid angemahnt, eine Regierung mit zwei faschistischen Provokateuren in der Führung könne die nationale Einheit nicht wahren, die für einen langen und möglicherweise an mehreren Fronten zu führenden Krieg notwendig sei.

Efrat Rayten von Awoda („Die Arbeit“) hatte bereits letztes Wochenende erklärt, sie werde die Regierung für die Dauer des Krieges und „bei jedem ernsthaften politischen Angebot“ unterstützen, das „bei der Bewältigung der Konfrontation hilft“. Sie forderte außerdem: „Die extremen Elemente, die in ihren Posten versagt haben, müssen sofort aus der Regierung ausgeschlossen und durch erfahrene und verantwortungsbewusste Fachleute ersetzt werden.“

Lapid hat ungeachtet seiner taktischen Bedenken öffentlich erklärt, eine Notstandsregierung sei notwendig, um „unseren Feinden deutlich zu machen, dass die überwältigende Mehrheit der israelischen Staatsbürger hinter dem israelischen Militär und seinen Verteidigungskräften steht.“ Letzten März hatte er Netanjahu für die Entlassung Galants kritisiert, weil dieser den Ministerpräsidenten aufgefordert hatte, seine Pläne zur Entmachtung der Justiz aufzugeben. Er bezeichnete dies als „neuen Tiefpunkt“ für die „antizionistische Regierung“, die die nationale Sicherheit gefährde und die Warnungen aller Vertreter des Verteidigungsapparats ignoriere.

Lapid stellte Galant als Helden dar und machte ihn zum Star der Protestbewegung. Als Galant am 10. April wieder eingesetzt wurde, übernahm er auch erneut die Verantwortung für die Provokationen des Militärs und der Siedler im Westjordanland. Im Mai organisierte er fünftägige Luftangriffe auf den Gazastreifen, bei denen 370 Ziele getroffen und 35 Palästinenser getötet wurden.

Ebenso wie Gantz war Galant ein Kriegsverbrecher und ist es auch heute noch. Als Befehlshaber des Südkommandos der IDF war er in den Jahren 2008-2009 verantwortlich für die Operation „Gegossenes Blei“, den brutalen Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen, bei dem 1.400 Palästinenser getötet wurden, darunter etwa 300 Kinder und Hunderte von unbewaffneten Zivilisten, 115 Frauen und 85 Männer über 50 Jahren. Die israelische NGO Jesh Gvul klagte erfolglos gegen Galants Ernennung zum Stabschef, da seine Rolle als Befehlshaber von „Gegossenes Blei“ ihn dem Verdacht „schwerwiegender Völkerrechtsverstöße“ aussetze.

Galant ist jetzt Befehlshaber eines Angriffs, der die Operation Gegossenes Blei weit in den Schatten stellt. Nachdem er die beispiellose Zahl von 360.000 Reservisten mobilisiert hat, von denen viele bereits an den Grenzen zum Gazastreifen stationiert sind, wird er vermutlich eine Bodenoffensive beginnen. Israel erklärte, es habe ganze 35 Bataillone und vier Divisionen mobilisiert und baue „eine Infrastruktur für künftige Operationen“ auf.

Israels wahllose Luftangriffe auf den Gazastreifen haben bereits 1.100 Todesopfer gefordert – neben den 1.500 Hamas-Kämpfern, die während des Angriffs „Al-Aksa-Flut“ getötet wurden. Große Teile der Infrastruktur und der Häuser sind bereits zerstört und die 2,3 Millionen Einwohner haben keine Möglichkeit, vor den Luftangriffen zu fliehen, da der Grenzübergang nach Ägypten bei Rafah geschlossen ist.

Die USA sprechen mittlerweile von einer Einigung, die es einigen tausend US-Staatsbürgern erlauben soll, den Gazastreifen nach Ägypten zu verlassen.

Galant selbst räumte am Wochenende auf groteskeste Weise die wirklichen Ziele Israels ein: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln entsprechend … Wir verhängen eine vollständige Belagerung gegen den Gazastreifen. Es wird keinen Strom, keine Nahrung, kein Wasser und keinen Treibstoff geben. Alles wird lahmgelegt werden.“

In einer weiteren rassistischen Hetzrede erklärte er am Dienstag an der Grenze vor Truppen der IDF: „Ich habe alle Beschränkungen aufgehoben, wir haben die Kontrolle über das Gebiet [zurückgewonnen] und gehen zu einer vollen Offensive über... Sie alle werden die Chance bekommen, die Realität zu verändern. Sie haben gesehen, welcher Preis gezahlt werden musste, und Sie werden die Veränderungen erleben. Die Hamas wollte Veränderungen in Gaza. Sie wird das genaue Gegenteil von dem bekommen, was sie sich darunter vorgestellt hat. Sie werden diesen Moment bereuen; Gaza wird nie mehr so sein wie davor.“

Es ist mittlerweile vor aller Augen sichtbar, dass Gantz und Lapid nie irgendeine progressive Alternative zu Diktatur und Autoritarismus verkörperten, geschweige denn zum Krieg gegen die Palästinenser, den Iran und seine Verbündeten. Ihr Widerstand gegen Netanjahu basierte ausschließlich auf der Befürchtung, er und seine rechtsextremen Koalitionspartner würden Israels Ansehen in der Welt schädigen, vor allem in der jüdischen Gemeinde der USA, indem sie dem Staat die dünne demokratische Fassade herunterreißen und die ohnehin schon zutiefst polarisierte Gesellschaft bis zum Bürgerkrieg zersplittern.

Trotz der überwältigenden Opposition wurde nie versucht, die Netanjahu-Regierung zu Fall zu bringen. Angesichts der weit verbreiteten Kritik an den katastrophalen Auswirkungen seiner Politik, der Niederlagen des Militärs und der Sicherheitsdienste sowie der Fragen, wie viel er von möglichen Aktionen der Hamas wusste, ist es nun die „Opposition“, die ihm zu Hilfe eilt, um sein Regime und seine rechtsextremen Verbündeten zu stützen.

Die Massenbewegung, die breite Teile des Kleinbürgertums, der Jugend und der Arbeiter umfasst, hat sich nie einen bewussten Widerstand gegen die nationalistische Ideologie des Zionismus zu eigen gemacht und es zudem unterlassen, die Verteidigung der Palästinenser ins Zentrum ihrer Forderungen nach „Demokratie“ zu stellen. Nur so konnten Gantz und Konsorten die Unzufriedenheit für das massenhafte Schwenken israelischer Flaggen und Bekundungen von Patriotismus einspannen.

Die bittere Erfahrung hat gezeigt, dass es in einem Staat, der auf religiösem Exklusivismus und der gewaltsamen Vertreibung und Unterdrückung der Palästinenser beruht, für niemanden, einschließlich der Juden, echte Demokratie geben kann. Die einzigen Ergebnisse eines solchen Projekts sind Faschismus, Krieg und Völkermord.

Die zionistische Protestbewegung ist zusammengebrochen und kann nicht wiederbelebt werden. Jüdische Arbeiter, die verhindern wollen, dass der Nahe Osten in Strömen von Blut ertrinkt, müssen sich gegen den Nationalismus stellen. Sie müssen sich die sozialistische Strategie der revolutionären Vereinigung der jüdischen und arabischen Arbeiter in einem gemeinsamen Kampf zu eigen machen. Dazu müssen sich die Arbeiter in Israel zuerst schützend vor die Palästinenser stellen und gleichzeitig Stellung gegen diesen schmutzigen Krieg beziehen.

Damit eine solche Opposition Form annehmen kann, müssen sich die weitsichtigsten Arbeiter und Jugendlichen mit den historischen und strategischen Lehren vertraut machen, welche die trotzkistische Weltbewegung gezogen hat, die für eine revolutionäre und internationalistische Alternative zum Alptraum des Zionismus eintritt.

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