Parteitag in Berlin:

SPD positioniert sich als führende Partei des deutschen Imperialismus

Als Kanzlerpartei spielt die SPD die zentrale Rolle bei der Umsetzung des militaristischen und arbeiterfeindlichen Programms der Ampel. Die letzten beiden Jahre unter Bundeskanzler Olaf Scholz standen ganz im Zeichen der Nato-Kriegsoffensive gegen Russland und den damit verbundenen massiven Angriffen auf soziale und demokratische Rechte. Auf ihrem Parteitag am Wochenende in Berlin stellte die SPD klar, dass sie ihren rechten Kurs in Zukunft sogar noch verschärfen wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während einer hochrangigen Sitzung des UN-Sicherheitsrates zur Lage in der Ukraine am 20. September 2023 [AP Photo/Mary Altaffer]

Die frenetisch gefeierte Rede von Scholz war in jeder Hinsicht eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse. Der Kanzler machte deutlich, dass er und die Bundesregierung voll hinter Israels Genozid an den Palästinensern im Gazastreifen stehen. „Wir werden das Land unterstützen, und wir unterstützen das Recht auf Selbstverteidigung“, rief er unter dem tosenden Applaus der Delegierten. „Wir wollen, dass es einen jüdischen Staat gibt, in dem Jüdinnen und Juden sicher leben können.“

In Wirklichkeit hat der israelische Bombenterror gegen die Palästinenser nichts mit „Selbstverteidigung“ oder gar „Sicherheit“ für die jüdische Bevölkerung zu tun. Mittlerweile ist bekannt, dass die rechtsextreme Netanjahu-Regierung vorab über den Angriff der Hamas am 7. Oktober informiert war und diesen zuließ, um ihre Politik der ethnischen Säuberung und Zerstörung ins Werk zu setzen. Deren Ausmaß ist so massiv, dass selbst UN-Menschenrechtler von einem „Genozid wie aus dem Lehrbuch“ sprechen.

Seit Beginn des Kriegs wurden laut Angaben des Informationsministeriums in Gaza bereits mehr als 18.000 Menschen getötet, viele weitere tausend werden vermisst. Die wirkliche Zahl der Toten dürfte damit bereits weit über 20.000 liegen – darunter viele Frauen und Kinder. Über 1,9 Millionen Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben und mehr 60 Prozent aller Wohnungen zerstört. Auch Krankenhäuser und Schulen werden gezielt attackiert. In den sozialen Medien kursieren schreckliche Bilder und Videos von Massengräbern und Abu-Ghraib-ähnlichen Foltermethoden durch die israelische Armee.

Scholz beschränkte sich nicht darauf, die imperialistische Gewalt im Nahen Osten zu umarmen. In seiner Rede positionierte er die SPD auch als aggressivste Aufrüstungspartei und Vollstreckerin der Nato-Kriegsoffensive gegen Russland.

„Wir haben dafür gesorgt, dass wir mehr für unsere Verteidigung ausgeben und ein Sondervermögen für die Bundeswehr geschaffen“, prahlte er und drohte Russland mit einem langen Krieg. „Er [Putin] soll und er darf nicht darauf rechnen, dass wir nachlassen. Wir müssen in der Lage sein, das, was wir heute tun, weiter zu tun – in diesem, im nächsten und auch im übernächsten Jahr.“ Gerade jetzt, wenn „andere schwächeln“, müsse Deutschland seinen „Beitrag“ noch vergrößern und „Entscheidungen treffen, die uns in die Lage bringen, das zu tun“.

Mit anderen Worten: bei den gegenwärtigen Haushaltsberatungen geht es vor allem darum, weitere Einsparungen zu verordnen, um noch mehr Milliarden für Aufrüstung und Krieg bereitzustellen. Scholz’ Behauptung, es werde „in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaates in Deutschland geben“, war eine dreiste Lüge. Tatsächlich beinhaltet bereits der bisherige Haushaltsentwurf massive Angriffe. Allein der Gesundheitshaushalt wurde gegenüber 2022 um drei Viertel von 64,4 auf 16,2 Milliarden Euro gekürzt, der Bildungsetat gegenüber 2023 um 5,4 Prozent. Was Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) aktuell hinter den Kulissen aushecken, wird diese Kürzungsorgie noch weit übertreffen.

All das rechtfertigte Scholz als Reaktion auf den „russischen Angriffskrieg“ und den „russischen Imperialismus“, der sich kleine Länder einverleibe und den „Frieden“ bedrohe. Welch ein Hohn! Natürlich weiß Scholz ganz genau, dass es Deutschland, die USA und die anderen imperialistischen Mächte sind, die auf dem Balkan, im Nahen Osten und in Zentralasien ganze Länder in Schutt und Asche gelegt und Millionen getötet haben. Und auch in der Ukraine sind sie der Hauptaggressor. Mit der systematischen Einkreisung Russlands hat die Nato den reaktionären Einmarsch Putins erst provoziert. Seitdem eskaliert sie den Konflikt immer weiter, um das rohstoffreiche Land zu unterwerfen. Dabei sieht vor allem Berlin den Krieg als Chance, lang gehegte Militarisierungspläne in die Tat umzusetzen.

Auch hier steht die SPD mehr als ein Jahrhundert nach ihrem historischen Verrat – der Zustimmung zu den Kriegskrediten für den Ersten Weltkrieg am 4. August 1914 – an der Spitze. Im Zentrum des Parteitags stand die Verabschiedung eines Antrags des Vorstands mit dem Titel „Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch“. Die WSWS hat bereits einen früheren Entwurf des Papiers kommentiert und geschrieben, ein passenderer Titel wäre „Sozialdemokratischer Griff nach der Weltmacht“. Das Papier verfolgt den alten Anspruch des deutschen Imperialismus, „Europa zu führen, um die Welt zu führen“, der im 20. Jahrhundert bereits in zwei Weltkriege und faschistische Barbarei geführt hatte.

Die sozialdemokratische Großmachtrhetorik mag – zumindest, wenn es um einige Phrasen von Menschenrechten und Demokratie geht – etwas anders sein als im Kaiserreich oder unter den Nazis. Aber das Ziel ist das gleiche. Die herrschende Klasse sieht den aktuellen Kampf um die Neuaufteilung der Welt als Chance für den deutschen Imperialismus, sich wieder zur militärischen Führungsmacht aufzuschwingen.

Gleich zu Beginn des Papiers heißt es: „Die Zeiten uni- oder bipolarer Ordnung sind vorbei. Neue Machtzentren ringen um Deutungshoheit, Einfluss und Kooperationen. Neben den USA und China sowie Europa erheben immer mehr Staaten des Globalen Südens Anspruch, die Zukunft der Weltordnung mitzugestalten. Diese Entwicklung hat sich über viele Jahre abgezeichnet. Während sich die Konturen einer neuen globalen Ordnung noch entwickeln, ist klar: Wir stehen am Beginn eines multipolaren Zeitalters.“

Deutschland habe in dieser Situation „die große Verantwortung, das Neue, was entstehen wird, mitzugestalten“ – „nicht zuletzt aufgrund seiner Größe und wirtschaftlichen Stärke“. Das erfordere vor allem, Europa zu organisieren. Denn „nur aus einem starken Europa heraus können wir uns global für unsere Werte und Interessen einsetzen – alleine sind wir zu klein, um Einfluss auszuüben“. Daher sei es in Deutschlands „ureigene[m] Interesse, eine Führungsrolle bei der Stärkung Europas“ einzunehmen.

Für die Sozialdemokratie sei „ein starkes Europa die wichtigste politische Aufgabe der kommenden Jahre. Nur als souveränes, attraktives Zentrum kann Europa die globale Ordnung nach seinen Werten und Interessen mitgestalten. Europa muss seine Rolle als geopolitischer Akteur annehmen und mehr in die eigene Sicherheit investieren.“

Wie die jüngst von der Bundesregierung verabschiedeten Verteidigungspolitischen Richtlinien betont der SPD-Beschluss explizit die militärische Komponente der deutschen Großmachtpolitik. „Die eigene Stärke definiert sich … auch über militärische Fähigkeiten“, heißt es im Abschnitt „Eigene Stärken definieren“. Die Bundeswehr leiste „einen essenziellen Beitrag zu den Fähigkeiten von EU und NATO“ und müsse „so ausgestattet sein, dass sie ihre Aufgaben jeder Zeit vollumfänglich erfüllen kann“. Damit verbunden sei die „klare Botschaft“: Deutschland übernimmt „Führung auf Augenhöhe auch in militärischen Fragen“.

Ziel ist die Verwandlung Europas in eine schlagkräftige Kriegsmacht unter deutscher Führung. Es sei „wichtig, dass die Europäische Union die ineffiziente und ineffektive Zersplitterung in ihrer Verteidigungspolitik überwindet“. Man wolle sich „selbstbewusst für gemeinsame, europäische Verteidigungsanstrengungen und mehr Zusammenarbeit in Produktion und Beschaffung engagieren“. Europa brauche „koordinierte Verteidigungsausgaben, eine schnelle Eingreiftruppe und ein echtes EU-Hauptquartier für eine klare Führungsstruktur“. All das stärke „die Sicherheit und Souveränität Europas“.

Das SPD-Papier lässt keinen Zweifel daran, dass sich die herrschende Klasse darauf vorbereitet, ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Ziele zukünftig unabhängiger von den USA und notfalls auch gegen sie durchzusetzen. Die USA und die Nato seien „nach wie vor Garanten für die europäische Sicherheit“. Aber „insbesondere die Amtszeit von Präsident Donald Trump“ habe „deutlich gemacht, dass Europa sich souveräner aufstellen und mehr in die eigene Sicherheit investieren muss“.

Dabei geht es nicht etwa um „Werte“, sondern um räuberische imperialistische Interessen. „Für die ökonomische Sicherheit brauchen wir eine störungsfreie Lieferung von kritischen Rohstoffen. Ohne Seltene Erden oder Lithium können zum Beispiel keine Chips und Batterien hergestellt werden.“ Notwendig sei deshalb „eine deutsche und europäische Rohstoffstrategie“, die auch „wirtschaftliche Anreize für die eigene europäische Rohstoffförderung setzt und Partnerschaften mit ressourcenreichen Staaten weltweit stärkt“.

Die Rückkehr des aggressiven deutschen Militarismus und Imperialismus mag auf SPD-Parteitagen lautstark gefeiert werden, unter Arbeitern und Jugendlichen ist sie so verhasst wie die Sozialdemokratie selbst. Laut dem aktuellen „Berlin Pulse“, einer repräsentativen Umfrage zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik der Körber-Stiftung, verneinen 71 Prozent der Befragten die Frage, ob Deutschland eine militärische Führungsrolle in Europa einnehmen soll. Auch ein „stärkeres diplomatisches Engagement“ wird von der großen Mehrheit abgelehnt. Die SPD liegt im jüngsten ARD-Deutschlandtrend nur noch bei kläglichen 14 Prozent und Scholz eigene Zustimmungswerte auf einem Rekordtief von 20 Prozent.

Loading