Volkswagen: Vorstand und Betriebsrat einigen sich über Milliarden-Sparprogramm

Nach monatelangen Geheimgesprächen haben sich der Vorstand und der Betriebsrat von Volkswagen am 19. Dezember auf die konkrete Ausgestaltung des einschneidenden Sparprogramms geeinigt, das der Aufsichtsrat am 13. Juni mit Unterstützung der sogenannten „Arbeitnehmervertreter“ beschlossen hatte.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Betriebsrätin Daniela Cavallo, VW-Chef Oliver Blume und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg im Februar 2023 [Photo by Volkswagen]

Bereits im kommenden Jahr sollen bei der VW-Kernmarke 4 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2026 sogar 10 Milliarden. Die Umsatzrendite soll dadurch von 3,4 auf 6,5 Prozent steigen. Die Kosten für diese Verdoppelung des Profits trägt die Belegschaft.

Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo versucht zwar weiterhin, die Belegschaft hinters Licht zu führen. Sie behauptet, der größte Teil der Einsparungen werde nun außerhalb des Personalbereichs stattfinden. Bewusst nannte sie keine Zahlen über die abzubauenden Arbeitsplätze. Auch der Chef der VW-Kernmarke, Thomas Schäfer, schwieg sich darüber aus. Beide behaupten, es gebe nur finanzielle Ziele, nicht aber eine konkrete Zahl von Personen. Doch das ist eine Lüge.

In der Konzernspitze geht man davon aus, dass „eine fünfstellige Zahl an Stellen“ – also mindestens 10.000 – wegfallen werden, wie die F.A.Z. berichtet. Allein in der Verwaltung sollen laut der getroffenen Vereinbarung die Kosten um 20 Prozent sinken, was nach Informationen der F.A.Z. den Abbau von mehr als 4000 Stellen bedeutet.

Dieses Arbeitsplatzmassaker soll zwar wie üblich ohne „betriebsbedingte Kündigungen“ erfolgen. Es bleibe bei der vereinbarten Beschäftigungssicherung bis 2029, behauptet Cavallo. Doch das bedeutet nur, dass die Beschäftigten mit anderen Methoden aus dem Betrieb gedrängt werden: durch Altersteilzeit ab Jahrgang 1967, durch Aufhebungsverträge und durch unerträglichen Arbeitsstress. Außerdem wird der bestehende Einstellungsstopp verlängert. Das Ziel sei, „entlang der demographischen Kurve Personal maximal abzubauen“, nennt sich das im Unternehmenssprech.

Der Personalabbau geht mit einer entsprechenden Verschärfung des Arbeitsdrucks einher. Auch hier sagt Cavallo bewusst die Unwahrheit. „Wir werden auch weiterhin darauf achten, dass Prozesse, Strukturen und Aufgaben tatsächlich besser und schneller werden,“ erklärte sie, „denn Arbeitsverdichtung darf nicht das Ergebnis sein.“

Doch genau das wird die Folge des Arbeitsplatzabbaus sein. Eine drastisch reduzierte Belegschaft muss zwangsläufig zu „Arbeitsverdichtung“ führen, zu Verhältnissen wie bei Tesla, zu höherem Arbeitstempo, weniger Pausen, Überstunden und Sonderschichten je nach Bedarf.

Diese „Arbeitsverdichtung“ betrifft nicht nur Produktion und Verwaltung, sondern auch Entwicklung und Zulieferer. Der Betriebsrat und der Vorstand haben dafür konkrete Sparziele vereinbart.

200 Millionen Euro sollen allein im kommenden Jahr durch kürzere Produktionszeiten, also eine Verschärfung des Arbeitstempos eingespart werden. Beim Einkauf sind Einsparungen von 320 Millionen Euro vorgesehen, was die Pleite- und Entlassungswelle in der Zulieferindustrie weiter beschleunigen wird. Bereits jetzt melden jede Woche Mittelstandunternehmen mit hunderten Beschäftigten Konkurs an, während die Großen – Bosch, ZF, Continental – tausende Arbeitsplätze abbauen. Die IG Metall spielt hier ihre Mitglieder in der Autoproduktion gezielt gegen die Kolleginnen und Kollegen bei den Zulieferern aus.

Auch die Optimierung des „After-Sales-Geschäftes“ – Ersatzteile, Reparaturen und andere Dienste – soll mehr als 250 Millionen Euro Einsparungen bringen, was Entlassungen in diesem Bereich bedeutet.

Besonders stark wird der Arbeitsdruck in den Entwicklungsabteilungen erhöht. Hier soll bis 2028 eine Milliarde Euro eingespart werden, indem die Entwicklungszeit für neue Modelle von 50 auf 36 Monaten gesenkt wird. Für die Entwickler bedeutet dies schlaflose Nächte und Überstunden.

Auch das Lohnniveau, das bereits durch mehrere Tarifabschlüsse unter der Inflationsrate abgesenkt wurde, wird in den nächsten Jahren weiter sinken. Nicht Tesla wir sich an Volkswagen anpassen, sondern VW an die Ausbeutungsmethoden von Elon Musk.

All das wissen natürlich die IG Metall und der Betriebsrat. Deshalb versuchen sie diesen Kahlschlag schön- und seine sozialen Auswirkungen kleinzureden. Die Behauptung, der massive Stellenabbau und die anderen Verschlechterungen seien notwendig und alternativlos, ist falsch. So argumentiert nur, wer die hochgesteckten Profitziele des Konzerns verfolgt und nicht die existenzielle Interessen der VW-Arbeiter.

Die IG Metall und ihre Betriebsräte sind Experten darin, die Belegschaften bis aufs Blut zu schröpfen, um den Aktienkurs und die Profitrate eines Unternehmens in die Höhe zu treiben. Ein Insiderbericht des Managermagazins über eine VW-Aufsichtsratssitzung gab neulich einen Einblick, wie die milliardenschweren Kapitaleigner mit Hilfe ihrer Handlanger, fälschlicherweise „Arbeitnehmervertreter“ genannt, und der SPD-Grünen-Landesregierung von Niedersachsen ihre Profitinteressen durchsetzen.

Auf der Sitzung Mitte November hätten die Aufsichtsräte Markenchef Schäfer regelrecht abgekanzelt, berichtet das Managermagazin. „Was er den Konzernkontrolleuren etwa zu Jobabbau, Investitionskürzungen und anderen Sparideen vorstellte, gefiel denen nicht. Zu weich, nicht fundiert genug, fassen Eingeweihte die Kritik zusammen.“

Besonders Oliver Porsche (62) und Günther Horvath (71) als Vertreter der Großaktionärsfamilien Porsche und Piëch hätten in der Runde immer wieder kritisch nachgefragt und ihre Unzufriedenheit gezeigt. Schließlich hätten sie Schäfer mit der Forderung gedemütigt, seine Präsentation zu überarbeiten und sie beim nächsten Mal von einem Team des Unternehmensberaters Roland Berger vortragen zu lassen.

Nicht nur der Vorstand, sondern auch der Betriebsrat haben sich dem Druck der milliardenschweren Familienclans gebeugt, deren Vermögen auf die Verbrechen der Nazis zurückgehen. Was sie nun vorgelegt haben, entspricht deren Forderungen.

Seit Jahren jagt bei VW ein Sparprogramm das nächste. Und alle werden von der IG Metall und ihrem Betriebsrat mit ausgearbeitet und gegen die Belegschaft durchgesetzt. Es ist Zeit, daraus die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen können nur unabhängig von der IG Metall und ihrem Funktionärsapparat und gegen diese verteidigt werden.

Dafür müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, in denen sich alle VW-Arbeiterinnen und Arbeiter zusammenschließen, die ernsthaft kämpfen wollen. Diese Komitees müssen unabhängig vom Betriebsrat und der IG Metall sein.

Der drohende Kahlschlag bei Volkswagen ist Teil eines internationalen Angriffs auf die Arbeiterklasse. Um die gewaltigen Kosten für Krieg und Handelskrieg zu finanzieren und die Aktienkurse weiter in die Höhe zu treiben, greifen Kapital und Regierungen überall soziale Errungenschaften und Rechte an.

Die Autokonzerne nutzen die Umstellung auf E-Mobilität, um die Profite drastisch zu erhöhen. Studien und Strategiepapiere der internationalen Automobilkonzerne planen den Abbau von bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze in der weltweiten Autoindustrie. Dieses Arbeitsplatzmassaker soll genutzt werden, um Löhne und Sozialleistungen drastisch zu senken. Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne muss daher von Anfang an als internationaler Kampf vorbereitet und geführt werden.

Die VW-Arbeiter sind nicht allein. Gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitees haben sich bereits in mehreren Autowerken gebildet und zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC), die den wachsenden Widerstand weltweit koordiniert.

Die Gründung eines Aktionskomitees bei VW wird entscheidend dazu beitragen, eine Achse des Widerstands zwischen Wolfsburg, Detroit und anderen Autometropolen aufzubauen und den Kampf gegen den Kahlschlag bei VW zum Bestandteil einer systematischen, internationalen Offensive in der Auto- und Zulieferindustrie zu machen.

Dazu müssen in jedem VW-Werk Aktionskomitees gebildet werden. Als erste konkrete Forderungen schlagen wir vor:

  • ·Schluss mit den Verhandlungen hinter geschlossenen Türen. Offenlegung aller Pläne des „Performance-Programms“. Das gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitee wird sie überprüfen und standortübergreifende Kampfmaßnahmen ergreifen.
  • ·Kampf gegen die Spaltung der Belegschaften nach Standorten, Ländern und Automarken. Das Aktionskomitee muss sich der Profitlogik widersetzen und die Bedürfnisse und Rechte der Beschäftigten höherstellen als die Rendite der Milliardärclans und Investoren.

Wir rufen alle VW-Beschäftigten auf: Beteiligt euch an der Gründung des Aktionskomitees. Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 oder füllt das Formular aus.

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