Am Dienstagabend gab Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Fernsehen eine weitschweifige, zweieinhalbstündige Pressekonferenz über die neue, von ihm eine Woche zuvor eingesetzte Regierung unter Premierminister Gabriel Attal. Obwohl er versuchte, seiner Politik einen liberalen Anstrich zu verleihen, bestätigten seine Äußerungen, dass er mit der Ernennung von Attal seine faschistoide Politik des Weltkriegs im Ausland und des Klassenkriegs im Inland eskalieren will.
Zu Anfang räumte Macron ein, dass seine Regierung zutiefst von einer Krise der gesamten kapitalistischen Weltordnung und heftigen Klassenkämpfen erschüttert wird. Er erklärte: „Die Welt von gestern wird ausgelöscht.“ Frankreich sei „von globalen Krisen“ und „inneren Spaltungen“ bedroht. Er werde zeigen, „woher wir kommen und wohin wir gehen, [damit] Frankreich Frankreich bleiben kann, das Frankreich des gesunden Menschenverstands, der Résistance und der Aufklärung.“
Macron legte keine Rechenschaft über die Beziehung zwischen seiner nun fast siebenjährigen Amtszeit und der globalen kapitalistischen Krise ab. Doch tatsächlich treibt die Politik, die seine Regierung zusammen mit allen anderen imperialistischen Nato-Mächten verfolgt, die globale Krise des Kapitalismus weiter an. Trotz seiner leeren Beschwörungen der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und des Widerstands gegen die Nazi-Herrschaft über Europa umriss er eine national-chauvinistische Politik der Militarisierung der französischen Gesellschaft, die völlig unvereinbar mit grundlegenden demokratischen und sozialen Rechten ist.
Macron verteidigte sein Bündnis mit dem israelischen Regime mitten in dessen völkermörderischem Krieg in Gaza und forderte eine Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine. Im Inland hat er nicht nur die Preise für Strom und Medikamente erhöht, sondern hat auch den „Kampf gegen Immigration“ und das Einwanderungsgesetz des rechtsextremen Innenministers Gérald Darmanin unterstützt. Vor allem forderte er, die Pläne zur Wiedereinführung der Wehrpflicht für die französische Jugend zu beschleunigen, nationalistische, „staatsbürgerliche Erziehung“ in den Oberschulen vorzuschreiben und den Zugang Jugendlicher zu internetfähigen Geräten zu beschränken.
Die von Macron skizzierte Politik unterstreicht das zentrale Argument der Parti de l’égalité socialiste (PES) während der Massenkämpfe gegen sein Regime im letzten Jahr: Mit Macron gibt es nichts zu verhandeln. Der einzige Weg vorwärts für Arbeiter und Jugendliche ist ein politischer Kampf, unabhängig von den gewerkschaftlichen und politischen Bürokratien, die mit Macron verhandeln. Ziel dieses Kampfs muss es sein, Macrons Polizeistaatsregime zu stürzen und die Macht in die eigenen Hände zu nehmen.
Macron behauptete: „Die größte Gefahr ist der russische Krieg in der Ukraine. Wir dürfen Russland nicht gewinnen lassen. Damit würden wir letztlich akzeptieren, dass die Regeln der internationalen Ordnung nicht respektiert werden können.“ Er forderte die Lieferung von Artillerie, Dutzenden Raketen und Hunderten von Bomben an die ukrainischen Streitkräfte, um den Krieg zu eskalieren.
Macron rechtfertigte den Völkermord in Gaza und betonte, die Palästinenser seien wegen ihrer „Terroranschläge“ die Hauptverantwortlichen. Er erklärte zynisch, er sei „erschüttert über den Verlust von Menschenleben in Gaza“ in Folge der Bombenangriffe des israelischen Regimes auf wehrlose Flüchtlingslager, Krankenhäuser und Schulen. Allerdings gab er der Hamas-Regierung des Gazastreifens die Schuld daran. Er behauptete, in Anlehnung an die Propaganda des israelischen Regimes, die Hamas verfolge eine „abscheuliche Strategie, Waffen in Schulen und Krankenhäusern zu deponieren.“ Deshalb seien diese Gebäude berechtigte militärische Ziele.
Er lobte die US-Regierung, die eine führende Rolle dabei gespielt hat, den Ukraine-Krieg voranzutreiben und das israelische Regime im Krieg gegen Gaza mit Waffen zu beliefern, und nannte sie einen „großartigen Verbündeten, der unsere Werte teilt.“ Er versprach, mit dem Sieger der US-Präsidentschaftswahl 2024 zusammenzuarbeiten, einschließlich Trump. Allerdings fügte er den Vorbehalt hinzu, Europa müsse angesichts der „strukturellen amerikanisch-chinesischen Rivalität“, die die Welt destabilisiert, in der Lage sein, als „Pol der Stabilität“ zu agieren.
Macrons Verteidigung von Krieg und Völkermord stellt selbst im Vergleich zu dem Kurs, den er nach seinem ersten Wahlsieg 2017 vertreten hat, einen deutlichen Rechtsruck dar.
Im Jahr 2019 hatte Macron angesichts der Militärinterventionen der Nato und Russlands in Syrien gegenüber dem Economist erklärt, die Nato sei „hirntot“ und steuere auf einen offenen Krieg gegen Russland zu. Er kritisierte Washingtons Kriegspolitik und forderte, „unsere Politik gegenüber Russland zu überdenken... Wenn die USA sehr hart mit Russland umgehen, dann ist das eine Form von staatlicher, politischer und historischer Hysterie.“
Macron warnte 2019, eine Politik direkter globaler Eroberung sei nicht der beste Weg, den imperialistischen Interessen Frankreichs und der Nato zu dienen: „Manchmal haben wir Fehler gemacht, indem wir versucht haben, unsere Werte durchzusetzen und Regimewechsel herbeizuführen. So war es im Irak und in Libyen. ... Ich würde verallgemeinernd sagen, dass es ein Element der westlichen Herangehensweise ist, das seit Anfang des Jahrhunderts ein Fehler war, vielleicht ein verhängnisvoller, aufgrund der Konvergenz von zwei Tendenzen: dem Recht auf Interventionen im Ausland und dem Neokonservatismus.“
Seit den Rettungsaktionen für die Banken und die herrschenden Klassen in Höhe von Billionen Euro zu Beginn der Corona-Pandemie und den darauf folgenden Klassenkämpfen hat Macron jedoch seinen Kurs geändert. Seither setzt er auf Krieg und soziale Reaktion und gerät damit in direkte Konfrontation mit der Arbeiterklasse. Deshalb hat er Kurs auf eine faschistische Politik genommen, mit der Chauvinismus gegen Immigranten geschürt wird.
Letztes Jahr löste Macron durch seine unpopuläre Rentenkürzung, die hunderte Milliarden Euro in Militärausgaben umleiten soll, die größten Streiks in Frankreich seit den Generalstreiks von 1936 und 1968 aus. Diese Streiks wurden zwar von der Gewerkschaftsbürokratie abgewürgt und von Macrons Bereitschaftspolizei brutal unterdrückt, haben aber sein Regime vollständig diskreditiert. Unter französischen Arbeitern und Jugendlichen herrscht weithin die Meinung, dass Macron gegen die Bevölkerung regiert.
Darauf folgten im letzten Sommer landesweite Massenunruhen, nachdem ein Handyvideo auftauchte, das die kaltblütige Hinrichtung des jungen Nahel durch die Polizei zeigt. Schließlich begannen im letzten Herbst die Proteste gegen den Völkermord des israelischen Regimes in Gaza.
Macron reagierte darauf, indem er das faschistische Einwanderungsgesetz von Darmanin vorlegte, einem Sympathisanten der Action française, die mit den Nazis kollaboriert hatte. Dieses Gesetz sieht vor, die Mittel für die medizinische Versorgung von Ausländern zu streichen und Kindern von Immigranten, die auf französischem Boden geboren wurden, die Staatsbürgerschaft zu verweigern. Vertreter der Macron-Regierung haben zugegeben, dass das Gesetz, das momentan vom Verfassungsrat verhandelt wird, verfassungswidrig ist. Dieses Gesetz ist, wie die Führerin des neofaschistischen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, begeistert erklärte, ein „ideologischer Sieg“ der extremen Rechten.
Am Dienstagabend erläuterte Macron vor allem seine Pläne, Nationalismus zu schüren und die Polizeistaatsunterdrückung im Inland zu verschärfen. Er prahlte mit der „unerbittlichen Reaktion des Staats, der Polizei und des Justizsystems“ und der „Rekordzahl von Verhaftungen und Schuldsprüchen“ während der Proteste im letzten Jahr. Er versprach, die „Polizeipräsenz auf Frankreichs Straßen zu verdoppeln.“
Macron erklärte, die Unruhen gingen darauf zurück, dass Jugendliche „viele Stunden vor [Computer- und Smartphone-] Bildschirmen verbringen... Deshalb wächst eine Generation von Verschwörungstheoretikern heran.“ Er forderte die Wissenschaftler auf, ein Konzept zu entwickeln, das den Zugang der Jugend zum Internet beschränkt. Es müsse Regeln geben, laut denen man „vor einem gewissen Alter keinen Bildschirm benutzen darf. Zwischen diesen Altersgruppen muss die Nutzung von Bildschirmen auf einige Stunden beschränkt bleiben.“
Weiter erklärte er: „Frankreich wird in dieser Welt der Erschütterungen stärker sein, wenn wir durch ein gemeinsames Gefühl geeint sind.“ Er forderte die Wiedereinführung der Wehrpflicht, der Schuluniformen und des Absingens der französischen Nationalhymne in Schulen zu beschleunigen. Weiter behauptete er, in Frankreich fühlten sich „alle verloren“, und unter diesen Bedingungen haben „die alten Regeln ihren Wert.“
Macron erklärte, der französischen Bevölkerung müsse beigebracht werden, dass die Nation „etwas mehr Seele, ein mystisches gemeinsames Programm, etwas Spirituelles [hat], das über uns hinausgeht.“
Mit diesen mystischen und rassistischen Appellen verwischt Macron die Grenze zwischen seiner Partei und den Neofaschisten, denen er einen Weg zur Macht eröffnet. Der faschistische Wahn, den er der französischen Öffentlichkeit als Rechtfertigung für seine Unterstützung von Völkermord, Austerität und Krieg präsentierte, ist das klarste Anzeichen dafür, dass die gesamte Kapitalistenklasse hirntot ist. Sie befindet sich in einer Sackgasse und hat jede historische Legitimation für ihre Herrschaft verloren.
Dies entlarvt auch die Gewerkschaftsbürokraten und die mit ihnen verbündeten pseudolinken Politiker, die während der Kämpfe gegen die Rentenkürzung im letzten Jahr eine Verhandlungslösung mit Macron forderten, obwohl laut Umfragen zwei Drittel der französischen Bevölkerung einen Generalstreik befürworteten, um die Wirtschaft zum Erliegen zu bringen und Macron zu stürzen. Sie sind politisch mitverantwortlich für Macrons kriminelle Bilanz. Die entscheidende Aufgabe ist der Aufbau unabhängiger Kampforganisationen in der Arbeiterklasse und der Aufbau der Parti de l’égalité socialiste zur trotzkistischen revolutionären Vorhut der Arbeiterklasse für einen Kampf um die Macht.
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