Britische Regierung greift demokratische Rechte von Gaza-Protesten massiv an

Am Donnerstag veröffentlichte Premierminister Rishi Sunak ein einminütiges Videostatement, in dem er ein hartes Durchgreifen gegen die Massenproteste gegen den Völkermord im Gazastreifen ankündigte.

Sunak, an dessen eigenen Händen Blut klebt, warf den Demonstranten „entsetzliche Beispiele von Antisemitismus, gewalttätige Einschüchterung und Verherrlichung des Terrorismus“ vor. Er fügte drohend hinzu, er habe sich „mit der Frage an die Polizei gewandt, welche Befugnisse sie braucht, um Ordnung auf unsere Straßen zu bringen“.

Er kündigte erste Maßnahmen an, die sich gegen die Verwendung von Leuchtraketen und Feuerwerkskörpern bei Demonstrationen, das Verhüllen des Gesichts und das Klettern auf Kriegsdenkmäler richten, und erklärte abschließend: „Diejenigen, die ihre Freiheit zu protestieren missbrauchen, untergraben die öffentliche Sicherheit und unsere demokratischen Werte. Und ich werde der Polizei die nötigen Befugnisse geben, um gegen dieses einschüchternde und entsetzliche Verhalten hart durchgreifen zu können.“

Diese Äußerungen sind eines Polizeistaats würdig. Sie signalisieren einen weiteren Angriff auf die demokratischen Rechte im Vereinigten Königreich, der sich aus der Unterstützung der britischen herrschenden Elite für Israels Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser ergibt.

Die Polizei rückt nach der Demonstration in Whitehall an, nachdem sie zu deren vorzeitiger Auflösung aufgerufen hatte

Die Verhaftungen und Festnahmen, die in den letzten Monaten auf der Grundlage von Gesetzen gegen „Hasskriminalität“ und „Anti-Terror“-Gesetzen durchgeführt wurden, verdeutlichen die rechte, diktatorische Agenda der konservativen Regierung, die von der oppositionellen Labour Party nach Kräften unterstützt wird.

Zu den Betroffenen gehören der Journalist Craig Murray, der Mitbegründer des Palästina-Solidaritätskomitees Tony Greenstein, der Gründer des schottischen Palästina-Solidaritätskomitees Mick Napier sowie Mitglieder der Kommunistischen Partei Großbritanniens (Marxistisch-Leninistisch), der Revolutionary Communist Group und der International Marxist Tendency. Die Angriffe auf diese Personen stehen sämtlich im Zusammenhang mit Aktivitäten in Bezug auf Gaza. Bei vielen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt und elektronische Geräte beschlagnahmt. Zudem wurden strenge Kautionsauflagen verhängt.

Diese Verhaftungen, die sich gegen Mitglieder linker Organisationen richten, sind nicht nur ein Akt der politischen Einschüchterung. Sie sind die Vorbereitung auf eine viel umfassendere Kampagne politischer Unterdrückung, wie sie von Sunak angekündigt wurde.

Die Verhaftungen, insbesondere bei Protesten in London, stützen sich auf ein ausgeklügeltes und teures System der staatlichen Überwachung. Rund 22 Millionen Pfund wurden bisher für die „Operation Brocks“ ausgegeben, die die Londoner Polizei als ihre „Antwort auf den anhaltenden Konflikt in Israel und Gaza und seine Auswirkungen auf London“ beschreibt.

Bei jeder Großdemonstration werden Informationen von Videoüberwachungsanlagen mit Gesichtserkennung, Aufklärungseinheiten der Polizei und verdeckten Ermittlern an den Special Operations Room in Lambeth weitergeleitet, wo die Polizei den leitenden Staatsanwälten des Crown Prosecution Service einen eigenen operativen Arbeitsbereich zur Verfügung gestellt hat. Die leitenden Sonderberater des Innenministers für Hasskriminalität sowie für Medien und Kommunikation haben ebenfalls wöchentlich Zugang erhalten.

In einem offenen Brief der Islamischen Menschenrechtskommission (Islamic Human Rights Commission) werden „ernste Bedenken“ gegen diese „vorgezogene Anklageerhebung und Strafverfolgung“ geäußert. Dies sei „das erste Mal, dass die Metropolitan Police derartige Maßnahmen einsetzt“.

Das Ziel dieses Vorgehens besteht darin, den Widerstand gegen den britischen Imperialismus und dessen Unterstützung für den Völkermord in Gaza in den strafbaren Bereich zu drücken. Die Meinungen von Millionen Menschen werden kriminalisiert, indem an ausgewählten Personen und Organisationen Exempel statuiert werden. Ein wesentlicher Teil dieser Kampagne besteht darin, linke Politik als „extremistisch“ zu brandmarken und auf diese Weise Aktivisten unter Anwendung zutiefst antidemokratischer Anti-Terror-Gesetze der Überwachung, Schikane, Zensur und Verhaftung zu unterwerfen.

Die Pläne, die nun aktiviert wurden, sind über Jahre vorbereitet worden. Inmitten einer explosiven sozialen und wirtschaftlichen Krise werden sie nun auf den Ausbruch der Proteste gegen den Krieg Israels in Gaza gerichtet.

2019 veröffentlichte die Kommission der britischen Regierung zur Bekämpfung des Extremismus (Commission for Countering Extremism) einen Bericht über „gewalttätige Taktiken der Extremisten und die Ideologie der sektiererischen extremen Linken“.

Der Bericht, in dem eine „revolutionäre und auf Arbeiter orientierte“ Anschauung als „extremistisch“ bezeichnet wird, nennt als Beispiele etwa folgende Überzeugungen: „Die größte Bedrohung für die Demokratie ging schon immer von der extremen Rechten ausgegangen“; „Zionismus ist eine Form von Rassismus“; „Zeitungen und Fernsehsender des Mainstream verbreiten Lügen, um die herrschende Klasse zu schützen' und „Proteste gegen die Regierung machen die Welt zu einem besseren Ort“.

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die „Überzeugungen [linksextremer sektiererischer Gruppen] auf plausible Weise … eine Motivation zum Gesetzesbruch“ darstellen könnten, einschließlich „tödlicher ... terroristischer Aktionen“.

Weniger als ein Jahr später wurde ein „Leitfaden“ zur Terrorismusbekämpfung geleakt, in dem neben faschistischen Terrorgruppen auch Organisationen wie die Socialist Workers Party (SWP), die Socialist Party (SP), die Stop the War Coalition und Extinction Rebellion genannt wurden.

Im Jahr 2021 kündigte die Regierung eine Untersuchung des „Linksextremismus“ unter Leitung des ehemaligen Labour-Abgeordneten John Woodcock an. Woodcock war von den Tories rekrutiert worden, nachdem er aus der Labour Party ausgetreten war. Er vertrat nachdrücklich die Ansicht, dass der damalige Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn „als Premierminister ein klares Risiko für die nationale Sicherheit des Vereinigten Königreichs darstellen würde“.

Woodcock nannte ausdrücklich die SWP als Bedrohung und warnte vor einem „blinden Fleck in Großbritannien in Bezug auf progressiven Extremismus, d. h. inakzeptable Störungen oder sogar Gewalt im Namen progressiver Anliegen“.

Ende letzten Jahres wurde berichtet, dass der Minister für Wohnen, Kommunen und lokale Selbstverwaltung, Michael Gove, kurz vor dem Abschluss einer Untersuchung des „gewaltlosen Extremismus“ stehe. Dieser wird definiert als „Förderung oder Unterstützung jeglicher Ideologie, die darauf abzielt, das System der parlamentarischen Demokratie des Vereinigten Königreichs, seine Institutionen und Werte zu stürzen oder zu untergraben“ oder „die Rechte von Einzelpersonen zu bedrohen oder ein günstiges Umfeld für Radikalisierung, Hasskriminalität und Terrorismus zu schaffen“.

Diese pauschalen und weitgehenden Definitionen verdeutlichen die umfassende Repression, die für die Gaza-Proteste und auch für den breiteren Widerstand gegen Kapitalismus und Krieg geplant ist.

Die Minister der Regierung haben etwas derartiges seit der ersten landesweiten Demonstration im Oktober letzten Jahres gefordert und wurden dabei von führenden Labour-Politikern unterstützt.

Die Polizei hielt sich zunächst von einem solchen Frontalangriff zurück – nicht aus Sorge um die demokratischen Rechte, sondern aus Angst, dass die politischen und gesetzlichen Vorbereitungen noch nicht getroffen worden sind. So hat sie es gegenüber der Regierung erklärt und der Premierminister hat gut zugehört. Sunaks Rede vom Donnerstag ist ein Signal, dass die herrschende Klasse alle notwendige Unterstützung für eine rasche Ausweitung der bereits bestehenden polizeistaatlichen Maßnahmen bereitstellen wird.

Damit wird vor allem der Tatsache Rechnung getragen, dass das bisher wichtigste Hemmnis der Antikriegsbewegung – die Perspektive der derzeitigen Führung aus den Reihen der Stop the War Coalition – schwindet. Die Aufforderung an die Millionen von Arbeitern und Jugendlichen, die nach einem Weg suchen, den Völkermord zu stoppen, dass sie sich an ihre Abgeordneten, vor allem die Labour Party, und die Gewerkschaften sowie an die Vereinten Nationen und den Internationalen Gerichtshof wenden sollen, haben sich angesichts des eskalierenden Angriffs Israels als zwecklos erwiesen.

Der Bankrott dieser Kräfte bestätigt die grundlegende Erfahrung, die Millionen von Arbeitern während der Streikwelle des letzten Jahres gemacht haben, als sich die Labour Party offen gegen sie stellte und die Gewerkschaftsbürokratie einen Kampf nach dem anderen verriet.

Die herrschende Klasse ist darauf angewiesen, dass die Bürokratien in der Labour Party und den Gewerkschaften als ihre Polizei in Politik und den Betrieben agiert. Sie ist sich bewusst, dass die Tatsache, dass diese Bürokratien weitgehend diskreditiert sind, die Wahrscheinlichkeit explosiver Klassenkonflikte, die sich ihrer Kontrolle entziehen, erhöht. Diskreditiert sind auch die „linken“ Vertreter der herrschenden Klasse wie der ehemalige Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn, die sich geweigert haben, auch nur einem einzigen Angriff vom rechten Flügel der Labour Party entgegenzutreten.

In der Annahme, dass es zu weiteren Antikriegsdemonstrationen kommt und immer breitere Teile der Arbeiterklasse, vor allem die jüngere Generation, nach neuen Wegen des Kampfs suchen werden, bereitet der Staat brutale Unterdrückung vor.

Schon vor dem Ausbruch der Gaza-Proteste hatte die britische Regierung zwei diktatorische Gesetze verabschiedet, die das Recht auf Protest aushöhlen: den Police, Crime, Sentencing and Courts Act (2022) und den Public Order Act (2023).

Darauf folgte der Strike (Minimal Service Levels) Act (2023), der den Unternehmen die nötigen Werkzeuge verschaffte, um Streiks in wichtigen Wirtschaftszweigen zu brechen, indem sie die Beschäftigten unter Androhung von Entlassungen zum Überschreiten der Streikpostenkette zwangen.

Die Massenbewegung gegen den Völkermord Israels hat diese Entwicklung hin zum Polizeistaat beschleunigt.

Mit dem gleichen Problem sind Arbeiter und Jugendliche weltweit konfrontiert. Überall griff die Polizei Demonstrationen heftig an, während gleichzeitig die Gegner von Israels völkermörderischem Krieg in einer unerbittlichen Propagandakampagne als Antisemiten verleumdet werden. Als Antwort darauf muss eine internationale, sozialistische Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufgebaut werden. Nur eine solche Bewegung kann es mit den imperialistischen herrschenden Eliten aufnehmen, die Israels Völkermord unterstützen, einen Krieg gegen Russland in der Ukraine führen und einen Krieg gegen den Iran und China vorbereiten.

Loading