Massenentlassungen in der Autoindustrie bei rasant steigenden Profiten

Die Produktionsstraße im Ford-Rouge-Fertigungswerk in Dearborn (Michigan) (AP Photo/Carlos Osorio) [AP Photo/Carlos Osorio]

Ford kündigte einen drastischen Stellenabbau in seinem Werk für Elektro-Kleinlaster in Dearborn (Michigan) an. Und das war nur die jüngste Ankündigung in einer Woche, in der weite Teile der Wirtschaft von Stellenstreichungen betroffen waren.

Ford erklärte, von den insgesamt 2.100 Arbeitern im Rouge Electric Vehicle Center (REV-C) in Dearborn würden 1.400 entweder in andere Werke verlegt oder aufgefordert, in Frührente zu gehen. Ford kündigte an, das Produktionsvolumen beim elektrogetriebenen Pickup F-150 zu senken und statt ursprünglich geplanten 180.000 dieses Jahr nur 55.000 im REV-C zu bauen. Für die 700 Arbeiter, die ins Michigan Assembly Plant in Wayne verlegt werden sollen, wurde kein Starttermin festgelegt. Zwischenzeitlich wurden sie entlassen.

Auch General Motors hat 1.000 Arbeiter bei Orion Assembly nördlich von Detroit und weitere 400 in Lansing Grand River (ebenfalls Michigan) entlassen. Letzte Woche hatte Stellantis zudem 400 Büroangestellte während eines Pflichttags im Home-Office entlassen.

Der Bau- und Landmaschinenhersteller John Deere wird zum 26. April 300 Arbeiter in seinem Werk in Waterloo (Iowa) entlassen. Anfang März kündigte Deere zudem die Entlassung weiterer 150 Arbeiter im Werk Des Moines Works in Ankeny (Iowa) für April und Mai an.

Während sich der Angriff auf Arbeitsplätze verschärft, zeigen neue Zahlen von Staatsbehörden, dass die Gewinne in den USA 2023 so groß waren wie noch nie. Das US-Wirtschaftsministerium meldete einen Anstieg der Gewinne um 133,5 Milliarden Dollar im vierten Quartal 2023, was einer Rekordsumme von 3,4 Billionen Dollar entspricht.

Die Gewinne nahmen derart rasant zu, obwohl die Gewerkschaften United Auto Workers und Teamsters angeblich „historische“ Tarifverträge ausgehandelt hatten. In Wirklichkeit liegen die Lohnerhöhungen weiterhin unter der Inflationsrate, während die Konzerne unter Mithilfe der bürokratisierten Gewerkschaften die Belegschaften verkleinern und rationalisieren, wobei sie immer mehr Profite und Ausstoß aus der immer kleineren Zahl an Arbeitern herauspressen. In den Gewinnzahlen spiegelt sich auch die Profitgier der Konzerne wider – laut einer Berechnung wurden schätzungsweise 53 Prozent der Inflation von April bis September 2023 durch höhere Profite verursacht.

Die Gewinnzahlen sind zudem ein direktes Produkt der Politik der Biden-Regierung, die die Zinssätze erhöht hat, um durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit den Widerstand der Arbeiter zu schwächen. Gleichzeitig hat das Weiße Haus mit dem Gewerkschaftsapparat zusammengearbeitet, um Streiks zu unterdrücken und die Lohnzuwächse unter der Inflationsrate zu halten.

Der Präsident der United Auto Workers, Shawn Fain (links), bei einer Rede im Gewerkschaftshaus der UAW-Region 1 am 1. Februar 2024 in Warren (Michigan). Rechts neben ihm US-Präsident Joe Biden. (AP Photo/Evan Vucci) [AP Photo/Evan Vucci]

Die Biden-Regierung veröffentlichte als Reaktion auf den Gewinnbericht eine Erklärung, in der sie die Unternehmen absurderweise aufforderte, ihre „Einnahmen an die Verbraucher weiterzugeben“. In Wirklichkeit besteht die gesamte Politik des Weißen Hauses darin, die Profite der herrschenden Klasse abzusichern.

Der Vizepräsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Jerry White, erklärte zu der anhaltenden Welle von Stellenstreichungen:

Fords Ankündigung, im REV-C Arbeitsplätze zu streichen, ist nicht nur ein brutaler und empörender Angriff auf die Lebensgrundlagen der Arbeiter. Sie entlarvt auch einmal mehr die Lügen von UAW-Präsident Shawn Fain und Präsident Biden, der Auto-Tarifvertrag von 2023 sei ein „historischer“ Fortschritt für die Autoarbeiter. Zuvor waren bei Stellantis 2.000 Leiharbeiter entlassen worden und General Motors hat in den Werken Lake Orion und Lansing Grand River Stellen abgebaut.

Diese Stellenstreichungen und die immer größere Zahl von Entlassungen in der gesamten Wirtschaft sind Teil einer bewussten Politik der Biden-Regierung mit dem Ziel, der Arbeiterklasse die Kosten für Rettungspakete für die Unternehmen und die Rekord-Militärausgaben aufzubürden. Höhere Gewinne an der Wall Street bedeuten mehr Elend, frühzeitige Todesfälle und Selbstmorde in den Familien der Arbeiterklasse.

Die Socialist Equality Party ruft Autoarbeiter und alle anderen Arbeiter, die von diesen Entlassungen betroffen sind, dazu auf, den Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und des Lebensstandards selbst in die Hand zu nehmen und von den Gewerkschaftsapparaten unabhängige Aktionskomitees zu gründen.

Der Kampf gegen Entlassungen ist ein globaler Kampf. Die Arbeiter müssen die nationalistische und militaristische Rhetorik der Gewerkschaften und der Biden-Regierung zurückweisen und sich mit ihren Kollegen auf der ganzen Welt in einem gemeinsamen Kampf gegen die transnationalen Konzerne vereinen, die aus ihrer Arbeit Profit schlagen. Dieser Kampf muss durch die Ausbreitung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) über nationale Grenzen hinweg koordiniert werden.

Die Konzerne der Auto- und Logistikindustrie müssen in öffentliche Versorgungsbetriebe unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse umgewandelt werden. Nur auf diese Weise können sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze für alle Arbeiter geschaffen werden.

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Neben der Autoindustrie findet auch in anderen Sektoren der Wirtschaft Stellenabbau statt.

Im März kündigte Tyson Foods die Schließung seines Werks in Perry (Iowa) und damit den Abbau von 1.300 Arbeitsplätzen an. Die Schließung wird verheerende Folgen für den Ort haben, der seinen größten Arbeitgeber verliert. Der Dienstleister Packer Sanitation Service, der als Vertragsfirma in dem Werk tätig war, wird weitere 76 Arbeiter entlassen.

Im Vorfeld dieser Kürzungen hatten die Vorstände von United Parcel Service (UPS) auf einer Investorenkonferenz Pläne für massive landesweite Einschnitte vorgelegt. Der Logistikkonzern plant die Schließung von 200 Verteilzentren in den USA bis 2028. Dieser Schritt ist Teil eines Plans, um auf Kosten der Arbeiter bis 2028 drei Milliarden Dollar einzusparen. UPS erklärte, alle Einrichtungen würden darauf geprüft, inwiefern Automatisierung eingesetzt werden kann, um Mitarbeiter loszuwerden.

UPS-Vorstandschefin Carol Tomé erklärte bei der Ankündigung der geplanten Kürzungen stolz, dass der Tarifvertrag, den die Gewerkschaft Teamsters letzten Sommer ausgehandelt hat, den Plan möglich gemacht habe: „Wir sind sehr zufrieden mit diesem Vertrag.“

Auch der Paketzusteller FedEx plant Kürzungen im Rahmen eines Plans zur Senkung der Kosten um vier Milliarden Dollar, der auf die Forderungen der Wall-Street-Investoren zurückgeht. In einem separaten Schritt kündigte das Unternehmen bereits den Abbau von 300 Stellen in einem Verteilzentrum in Union City (Georgia) an.

In einer weiteren Runde von Stellenstreichungen bei Amazon entlässt das Unternehmen 160 Mitarbeiter in seiner Werbeabteilung.

Auch im Bildungswesen kommt es zu umfassenden Entlassungen, da die Pandemie-Hilfsmittel auslaufen und die Schulbezirke aufgrund der Sparhaushalte der Bundesstaaten vor finanzielle Hürden stoßen. Kürzungen sind u.a. in Boston und San Diego geplant. Hunderte von Lehrern und Beschäftigten der Schulen von San Diego haben bereits Kündigungen erhalten.

Den Schulbusfahrern, die für Missouri Central School Bus arbeiten, droht derweil der Abbau von 332 Arbeitsplätzen. Die Student Transportation of America in Kansas City plant bis zum 30. Juni die Entlassung von 149 Beschäftigten.

Streikende Arbeiter im Ford-Montagewerk Michigan

Während die wöchentlichen Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung mit 210.000 relativ niedrig blieben, wird sich die derzeitige Runde von Entlassungen vermutlich erst im Mai in den offiziellen Zahlen niederschlagen. Im Februar stieg die offizielle Arbeitslosenquote um 0,2 auf 3,9 Prozent und die Gesamtzahl der Arbeitslosen um 334.000 auf 6,5 Millionen.

Die Zahl der Streiks, die in den letzten Jahren immer weiter gestiegen ist, weil die Arbeiter Widerstand gegen das beispiellose soziale Elend leisten wollen, war in diesem Jahr bisher äußerst niedrig. Dies verdeutlicht die Rolle des Gewerkschaftsapparats als Polizeitruppe des Managements.

Bisher gab es im Jahr 2024 laut dem US Bureau of Labor Statistics nur einen großen Streik – der eintägige Ausstand von Beschäftigten der California State University. Im Jahr 2023 lag die Zahl der großen Streiks, d. h. der Streiks unter Beteiligung von 1.000 oder mehr Beschäftigten, bei 33.

Die Zahlen des letzten Jahres stellen zwar einen deutlichen Anstieg der Streiks von fast Null während der Obama-Regierung dar, sind jedoch nur ein schwaches Abbild des wahren Ausmaßes der sozialen Opposition, da Millionen von Arbeitern zwar für Streiks gestimmt haben, sie danach aber Ausverkäufe aufgezwungen bekamen.

Aufgrund der Verrätereien der Gewerkschaftsbürokratie ist die Streikaktivität weiterhin auf historisch niedrigem Niveau. Zum Vergleich: im Jahr 1974 gab es 474 große Streiks. Seit 1981 und der Niederlage der Fluglotsen aufgrund des Verrats der AFL-CIO-Bürokratie gab es nie mehr als 100 Arbeitsniederlegungen pro Jahr.

Der jüngste Finanzbericht der United Auto Workers (UAW) verdeutlicht einmal mehr die parasitäre Rolle der Gewerkschaften. Er zeigt, dass die UAW im Jahr 2023 13.000 Mitglieder verloren hat und auf 370.239 Mitglieder geschrumpft ist. Das ist die niedrigste Mitgliederzahl seit der Insolvenz von General Motors und Chrysler im Jahr 2009. Trotzdem stieg ihr Nettovermögen im Jahr 2023 auf 1,13 Milliarden Dollar.

Im letzten Jahr hatte UAW-Präsident Fain seine Entscheidung, nicht den gesamten Betrieb der drei großen Autokonzerne („Big Three“) zu bestreiken, sondern nur eine Handvoll ausgewählter Werke, mit der Behauptung gerechtfertigt, ein größerer Arbeitskampf könnte die Gewerkschaft in den Bankrott treiben. Der angeblich epische „Stand-Up-Streik“ von 2023, ein Teilstreik, der keine ernsthaften Auswirkungen auf die Produktion hatte, führte auch zu keinerlei wirklichen Dellen in der gigantischen Streikkasse. Die Bürokratie benutzt die Streikkasse als riesiges „Sparschwein“, um ihren verschwenderischen Lebensstil und ihre sechsstelligen Gehälter zu finanzieren.

Die Arbeiter benötigen für ihre Kämpfe eine neue Strategie. Solange die Initiative in den Händen der Gewerkschaftsbürokratie und der beiden Parteien des Großkapitals verbleibt, werden sie trotz aller Militanz gelähmt bleiben. Der Ausweg besteht darin, dem Apparat und dem gesamten System der von den Gewerkschaften und Konzernen ausgeübten Kontrolle durch den Aufbau von Aktionskomitees aus den Reihen der Belegschaften entgegenzutreten.

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