In ihrer Reaktion auf den Terroranschlag in der Crocus City Hall in Moskau vertuscht die französische morenoistische Website Révolution Permanente (RP) nicht nur die Verwicklung des ukrainischen Regimes und der imperialistischen Nato-Mächte in diesen Anschlag, sondern auch allgemein den reaktionären Charakter der Nato-Intervention in der Ukraine.
Dies offenbart die Kluft zwischen der RP – einer morenoistischen Gruppe, die mit der pablistischen Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA) verbunden ist – und der Parti de l’égalité socialiste (PES), der französischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Die PES kämpft gegen die Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Truppen zur Verteidigung des korrupten ukrainischen Regimes zu entsenden und Krieg gegen Russland zu führen. Die RP versucht, die Aggressivität und politische Kriminalität der Nato und des ukrainischen Regimes zu verschleiern und so den Opposition der Arbeiterklasse gegen Macrons militärische Eskalation einzuhegen.
In einer Analyse des Moskauer Anschlags, die auch auf den Seiten bürgerlicher Zeitungen wie der New York Times oder Le Monde hätte erscheinen können, schreibt RP:
Während sich der Islamische Staat zu dem Anschlag bekannte, meldete der FSB Putin heute früh die Festnahme von elf Personen, darunter vier mutmaßliche Täter, die in der Oblast Brjansk nahe der Grenze zur Ukraine abgefangen wurden. Dies genügte den russischen Behörden, um die Verantwortung Kiews für den Anschlag zu verkünden. Der FSB beteuerte, dass die Angreifer Kontakte zur ukrainischen Seite hatten und beabsichtigten, nach dem Anschlag auf ukrainisches Gebiet zu flüchten.
RP versucht, die These von einer ukrainischen Verwicklung in den Moskauer Anschlag zu diskreditieren, indem sie sie dem FSB in den Mund legt – dem russischen Geheimdienst und Abkömmling der stalinistischen Geheimpolizei, die Trotzki und die alten bolschewistischen Revolutionäre ermordet hat.
In Wirklichkeit deuten jedoch maßgebliche Indizien auf eine Beteiligung des ukrainischen Geheimdienstes und der Nato-Mächte hin. Bei dem Anschlag auf das Krokus-Rathaus haben Individuen aus Tadschikistan, einer ehemaligen Sowjetrepublik in Zentralasien, 143 Tote und mehr als 500 Verletzte hinterlassen. Die Terroristen planten, nach dem Anschlag – zu dem sich der Islamische Staat-Khorasan (IS-K) bekannte, ein eng mit den Nato-Kriegen verbundenes Terrornetzwerk – in die Ukraine zu fliehen.
Der Anschlag ist Teil einer Serie wiederholter Anschläge, die von ukrainischen Geheimdiensten und Militärs mit Billigung der Nato auf russischem Gebiet verübt wurden. Der jüngste Anschlag richtete sich gegen eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen und eine Raffinerie in der russischen Region Tatarstan, 1.000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
Netzwerke wie IS-K und Al Qaida sind aus den Interventionen des US-Imperialismus und seinen jahrzehntelangen Kriegen im Nahen Osten und in Zentralasien hervorgegangen. Tadschikistan ist seit den 1980er Jahren in bewaffnete Konflikte im benachbarten Afghanistan verwickelt, als Washington islamistische Netzwerke unter der Führung von Osama bin Laden nutzte, um in Afghanistan einen Krieg gegen das damalige prosowjetisches Regime zu führen.
Der Islamische Staat (IS) ist selbst das Ergebnis der neokolonialen Kriege, die die imperialistischen Nato-Mächte seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 im Irak, in Syrien und im gesamten Nahen Osten geführt haben. Nach der illegalen Invasion des Irak im Jahr 2003 mobilisierte die Nato erneut islamistische Netzwerke für die Kriege, die sie 2011 in Libyen und Syrien begann. Der französische Imperialismus und seine kleinbürgerlichen pseudolinken Verteidiger spielten eine zentrale Rolle dabei, die Mobilisierung von Al-Qaida-nahen Netzwerken für die Kriegführung in Libyen und Syrien zu verteidigen.
Die RP existierte 2011 noch nicht unter diesem Namen, sondern agierte als Fraktion der NPA, die die syrische Opposition als Trägerin einer „Revolution“ verherrlichte. Olivier Besancenot, Sprecher der NPA und ehemaliger Präsidentschaftskandidat, erklärte 2014 gegenüber dem französischen Auslandssender RFI: „[Außenminister Laurent] Fabius’ Platte hängt, er hält seit Monaten die gleiche Rede. Er muss den syrischen Revolutionären kostenlos Waffen liefern.“
Besancenot wies die Vorbehalte bestimmter Teile des imperialistischen Establishments zurück, die befürchteten, dass die Flutung der syrischen Opposition mit Waffen zur Bewaffnung von Terroristen führen würde: „Denjenigen, die sagen, ‚wir sollten auf keinen Fall Waffen geben, weil das bei den Dschihadisten landen wird‘, sage ich, das ist bereits der Fall... Mein Prinzip als Internationalist ist es, den Menschen zuzutrauen, dass sie über ihr eigenes Schicksal entscheiden.“
In Wirklichkeit haben die imperialistischen Kriege der Nato für die Völker der Region zu Katastrophen geführt. Dreizehn Jahre später sind Libyen und Syrien immer noch in Bürgerkriege verwickelt, die hunderttausende Tote gefordert und zehn Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht haben.
Der IS-K rekrutierte sich aus den Soldaten und Spionen, die die Nato während ihrer Besetzung Afghanistans zwischen 2001 und 2021 ausgebildet hatte. Diese Soldaten mussten untertauchen, als die Nato Afghanistan 2021 verließ und das afghanische neokoloniale Regime innerhalb weniger Tage zusammenbrach. Seitdem hat der IS-K Anschläge verübt, die den Bedürfnissen der Nato entsprachen, wie den Anschlag im Iran im Januar. Während des Jahrestags der Ermordung von General Qasem Soleimani, der im Jahr 2020 in Bagdad durch einen US-Drohnenangriff ermordet worden war, wurden dabei 84 Menschen getötet und 284 verletzt.
Diese islamistischen Kräfte kämpfen nun im Namen der Nato gegen Russland. Im Januar 2023 stellte die New York Times fest, dass nationalistische und rechtsextreme Elemente aus der gesamten ehemaligen Sowjetunion, einschließlich des Nordkaukasus und Zentralasiens, in die Ukraine geströmt waren, um Russland zu bekämpfen.
Die Zeitung berichtete, dass „die meisten von ihnen langfristige politische Ambitionen hegen, in ihre Heimat zurückzukehren und die russische und weißrussische Regierung zu stürzen. Die Freiwilligen selbst behaupten, dass sie mit vollem Wissen und auf Anweisung der ukrainischen Armee und Geheimdienste handeln. Viele ihrer Operationen sind verdeckt, einschließlich gefährlicher Aufklärungs- oder Sabotagemissionen hinter den russischen Linien“.
RP verschweigt die reaktionäre Rolle des Nato-Imperialismus und der NPA, freut sich aber darüber, dass der Anschlag in Moskau Putin „in Verlegenheit“ bringen wird. Die Tragik des Anschlags für die russischen Angehörigen der Opfer wird in dem Artikel nicht gewürdigt.
RP bezeichnet den Angriff auch nicht als reaktionären Akt, der hunderte Menschenleben gekostet hat, sondern als nützliche Intervention, die das russische Regime gegenüber der Nato und dem Kiewer Regime schwächen wird:
Wie schon bei den Nord-Ost- und Beslan-Anschlägen scheint Putin der Überraschungsangriff peinlich zu sein, der den Mythos der „Stabilität“ erschüttert, den sein Regime der Bevölkerung zu garantieren vorgibt. Derselbe Mann, der seine Herrschaft mit dem Versprechen begann, auf jeden Angriff brutal zu reagieren, indem er verkündete: „Wir werden sie sogar auf den Toiletten töten“, blieb mehr als 17 Stunden nach dem Angriff stumm.
Dann wirft RP die Frage auf, ob die große Zahl der Opfer Putins Herrschaft destabilisieren wird, indem ethnische und religiöse Spannungen in Russland und der ehemaligen UdSSR geschürt werden. Dies würde die Spaltung und Eroberung der Region erleichtern, die Macron und die Nato-Mächte durch ihr Eingreifen vor Ort in der Ukraine gegen Russland durchzusetzen hoffen. Wie die Unterstützung der Nato für den Völkermord in Gaza zeigt, ist dieser Krieg Teil einer reaktionären Offensive des Imperialismus in ganz Eurasien.
Somit wird deutlich, dass RP ihre Analysen vollständig im Rahmen der imperialistischen Politik entwickelt. RP geht weder auf die reaktionäre Rolle des Stalinismus ein, noch darauf, wie dessen Auflösung der Sowjetunion den imperialistischen Nato-Mächten den Weg für Kriege im gesamten Nahen Osten ebnete, noch auf den Zusammenhang zwischen Imperialismus und dem Aufstieg islamistischer Terrornetzwerke. Sie stützt ihre Opposition gegen das Putin-Regime nicht auf die trotzkistische Opposition gegen den Stalinismus, sondern auf eine pro-imperialistische Opposition gegen Russland.
RP leugnet weiter den aggressiven Charakter der neokolonialen Offensive der imperialistischen Nato-Mächte und behauptet fälschlicherweise, Washington wolle keinen Krieg. Die Gruppe schreibt:
Die Vereinigten Staaten wollen nicht länger die Rolle des Weltpolizisten spielen... In diesem heiklen Spagat, nicht schwach zu erscheinen, ohne eine Eskalation zu provozieren, reagierte die Biden-Regierung mit Angriffen auf 85 mit Teheran verbündete Ziele im Irak und in Syrien, hütete sich aber davor, den Iran direkt anzugreifen.
Dies ist eine politische Lüge. Wenn Washington keine Kriege führen will, warum stimmt es dann für einen Verteidigungshaushalt von fast einer Billion Dollar, und warum fordert Macron die Entsendung von Truppen in die Ukraine und den Aufbau einer „Kriegswirtschaft“ in Frankreich und ganz Europa? In Wirklichkeit ruft die Militärführung in Frankreich wie auch in anderen NATO-Ländern jetzt ständig dazu auf, sich auf einen „Krieg hoher Intensität“ vorzubereiten.
Die Fälschungen der RP sind organisch mit der antitrotzkistischen historischen Entwicklung der kleinbürgerlichen morenoistischen Tendenz verbunden, zu der die RP gehört. Unter der Führung von Nahuel Moreno in Argentinien brach sie 1963 mit dem IKVI und vollzog eine prinzipienlose Wiedervereinigung mit der pablistischen Tendenz, von der sich das IKVI 10 Jahre zuvor abgespalten hatte. Die politische Grundlage dieser Wiedervereinigung war die Ablehnung jeder unabhängigen revolutionären Rolle der internationalen Arbeiterklasse und die falsche Vorstellung der Pablisten, dass die stalinistischen Bürokratien die Führung der Revolution übernehmen würden.
Die Morenoisten stellten sich hinter die pablistischen Vorfahren der NPA, die im Chor mit imperialistischen Kommentatoren Gorbatschows Perestroika begrüßten. Diese Initiative, die den Weg für die Auflösung der UdSSR und die Restauration des Kapitalismus ebnete, verherrlichten sie als „demokratische Reform“. Damit wiesen sie Trotzki in aller Deutlichkeit zurück, der darauf bestanden hatte, dass nur eine politische Revolution der Arbeiter gegen die stalinistische Bürokratie die proletarische Demokratie in der Sowjetunion wiederherstellen könne.
Diese antisowjetische, prokapitalistische Politik bereitete die pablistischen und morenoistischen Kräfte in der postsowjetischen Periode nach 1991 darauf vor, die imperialistischen Kriege der Nato in Libyen und Syrien sowie die Intervention der Nato in der Ukraine als vermeintliche „demokratische Revolutionen“ zu bejubeln.
In der europäischen und internationalen Arbeiterklasse gibt es eine tiefe Opposition gegen den Krieg, den die Nato gegen Russland führt. Achtundsechzig Prozent der Franzosen, 80 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der Polen sind gegen die Entsendung von Truppen zum Kampf gegen Russland. Doch die Mobilisierung dieser Opposition gegen einen sich anbahnenden dritten Weltkrieg kann nur durch einen Kampf gegen die politischen und historischen Lügen erfolgen, die von pseudolinken Tendenzen wie der RP verbreitet werden.
Die RP spiegelt die materiellen Interessen von Studierenden und Bildungsbürgern aus der wohlhabenden Mittelschicht wider, die mit der stalinistischen Bürokratie der Gewerkschaft CGT und ihrer akademischen Peripherie verbunden sind. Die RP war 2021 aus der NPA ausgetreten, nachdem sie taktische Kritik an der Unterstützung der NPA für die Kriege in Libyen und Syrien und an ihrer Verurteilung der gegen Macron gerichteten „Gelbwesten“-Proteste geübt hatte. Doch ihre heutige Ausrichtung auf die antirussische Nato-Propaganda zeigt, dass dieser Bruch nur dazu diente, die eigene pro-imperialistische Haltung der Morenoisten zu verschleiern.
Der Bruch der RP mit der NPA hat sie nicht daran gehindert, bei den Präsidentschaftswahlen von 2022 zur Stimmabgabe für die NPA aufzurufen, was einem Blankoscheck für deren Unterstützung des Ukrainekriegs gleichkam.
Das IKVI und seine französische Sektion, die PES, waren die einzigen, die einen trotzkistischen Angriff auf die Unterstützung führten, den die NPA und dann RP dem Imperialismus leisteten. Diese Opposition bietet eine Perspektive für den Aufbau einer internationalen Massenbewegung gegen Krieg in der Arbeiterklasse. Die PES fordert und fördert die Organisation von Versammlungen und Demonstrationen gegen den Krieg, um Arbeiter zu mobilisieren und ihr Bewusstsein für die Notwendigkeit zu schärfen, eine internationale und sozialistische Bewegung gegen die Nato-Kriege und das Putin-Regime aufzubauen.
Die Voraussetzung für eine solche Mobilisierung von Arbeitern und Jugendlichen ist ein Kampf für die trotzkistische Perspektive der internationalen sozialistischen Revolution, gegen kleinbürgerliche Gruppen wie die RP, die sich am imperialistischen Krieg ausrichten und die Komplizenschaft des Imperialismus bei terroristischen Verbrechen vertuschen.