Perspektive

Prozess gegen Trump wegen „Schweigegeld“ beginnt - ein politisches Ablenkungsmanöver

Am Montag hat in Manhattan der Strafprozess gegen Ex-Präsident Donald Trump wegen der Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels begonnen. Richter Juan Merchan traf eine Reihe von Verfahrensentscheidungen, gefolgt von der Befragung der ersten potenziellen Geschworenen in einem voraussichtlich langen und umstrittenen Verfahren zur Auswahl der Geschworenen.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump mit seinem Anwaltsteam vor dem Beginn der Geschworenenauswahl in Manhattan, 15. April 2024 [AP Photo/Jabin Botsford/Pool]

Die New Yorker Gerichtsverhandlung, der vom Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, angestrengt wurde, lenkt von wichtigen politischen Fragen ab. Die wirklich bedeutenden politischen Fragen sind verbunden mit Trumps vierjähriger Amtszeit im Weißen Haus und den anschließenden drei Jahren, in denen er seine Rückkehr an die Macht geplant und vorbereitet hat.

Der jetzige Prozess in Manhattan hat nichts mit Trumps wirklichen Verbrechen zu tun. Insbesondere hat er keinerlei Bezug zu Trumps zentraler Rolle beim Putschversuch am 6. Januar 2021, als seine Anhänger das US-Kapitol angriffen und die Bestätigung der Präsidentschaftswahlen 2020 durch den Kongress blockierten, die der Demokrat Joe Biden gewonnen hatte. Sie hatten versucht, Trump trotz der verlorenen Wahl, d.h. des ablehnenden Votums der amerikanischen Bevölkerung im Amt zu halten.

Trumps sexuelle Begegnung mit Daniels ist nur für seine Frau und seine Familie von Interesse. Das Geld, das Daniels während des Wahlkampfs 2016 gezahlt wurde, um sie davon abzuhalten, ihre Geschichte an die Medien zu verkaufen, ist ebenfalls von geringem Interesse. Die Art und Weise, wie die Gelder von Trump über seinen persönlichen Mann-für-alle-Fälle Michael Cohen an Daniels weitergeleitet wurden, stellt allenfalls einen formalen Verstoß gegen Bundeswahlgesetze dar, der normalerweise mit der Zahlung einer Geldstrafe abgegolten wäre.

Das Einreichen falscher Geschäftsberichte, in denen das an Cohen gezahlte Geld als Zahlungen für juristische Dienstleistungen dargestellt wurde, war aus rechtlicher Sicht nur ein Vergehen, und die Verjährungsfrist ist längst abgelaufen. Staatsanwalt Bragg macht jedoch aus dem Vergehen ein Verbrechen, indem er behauptet, die Falschdeklarierungen seien Bestandteil einer Verschwörung zur Verletzung von US-Bundesgesetzen, obwohl kein Bundesstaatsanwalt einen solchen Fall angestrengt hat. Er erhebt für jede der 34 Falschdeklarationen gesondert Anklage wegen eines vierjährigen Kapitalverbrechens, das bei einer Verurteilung zu maximal 20 Jahren Gefängnis führen kann.

Sowohl der Inhalt als auch der Zeitpunkt des Verfahrens sind eindeutig darauf ausgelegt, die Demokratische Partei bei den Wahlen 2024 zu begünstigen. Dies geschieht zumindest dadurch, dass Trump an jedem Verhandlungstag – und von ihnen wird es mutmaßlich viele geben in den kommenden Wochen - im Gerichtssaal in Manhattan ist, fernab von seinem eigenen Präsidentschaftswahlkampf. Dieses politische Kalkül könnte sich als völlig falsch erweisen. Im Laufe des vergangenen Jahres hat Trump den offensichtlich an den Haaren herbeigezogenen und politisch motivierten Charakter des Strafverfahrens in Manhattan genutzt für die Behauptung, dass alle anderen Anklagen gegen ihn ebenso fingiert sind - insbesondere jene, die im Zusammenhang mit dem 6. Januar 2021 und anderen Bemühungen stehen, die Ergebnisse der Wahlen von 2020 zu verfälschen.

Nur die Demokratische Partei konnte dies schaffen, dass sie Trump die Möglichkeit gibt, sich als Opfer eines politischen Komplotts darzustellen - und dies auch noch mit einem Fünkchen Glaubwürdigkeit zu versehen. Dies steht im Einklang mit der gesamten Haltung der Demokraten seit Trumps Einzug ins Weiße Haus: Die Demokratische Partei ist allen grundlegenden demokratischen Fragen aus dem Weg gegangen, die durch die Umwandlung der Republikanischen Partei unter Trumps Ägide in eine zunehmend faschistische politische Formation aufgeworfen wurden.

Die Differenzen zwischen den Demokraten und Trump drehen sich weitgehend um die Außenpolitik, insbesondere um die Nutzung der Ukraine als politische und militärische Speerspitze gegen Russland. Dies geht auf den Maidan-Putsch von 2014 unter der Obama-Biden-Regierung zurück, bei dem ein gewählter prorussischer Präsident gestürzt und ein radikal antirussisches Rechtsregime in Kiew eingesetzt wurde, das von faschistischen und neonazistischen Gruppen unterstützt ist.

Die Mueller-Ermittlungen, die auf falschen Behauptungen über eine weitreichende russische Einmischung in die US-Wahlen 2016 beruhen, und das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, das auf der vorübergehenden Zurückhaltung der US-Militärhilfe für die Ukraine beruht, sind beides Beispiele für diesen Konflikt über die Außenpolitik. Heute geht es im offiziellen Washington darum, trotz des Widerstands von Teilen der Republikaner im Repräsentantenhaus eine weitere militärische Soforthilfe in Höhe von 60 Milliarden Dollar für die Ukraine durchzusetzen.

Nichts von dieser politischen Realität wird in der Berichterstattung der Leitmedien über den Trump-Prozess zur Kenntnis genommen. Stattdessen gibt es feierliche, leise Kommentare über den „historischen“ Charakter des allerersten Strafprozesses gegen einen ehemaligen Präsidenten.

Die offensichtliche Frage - die natürlich nie in den Nachrichten auftaucht - lautet, warum eigentlich Trump der Erste ist. Jeder Ex-Präsident der jüngeren US-Geschichte hätte strafrechtlich verfolgt werden müssen, z. B. wegen der Billigung von Massenmord, des Führens völkerrechtswidriger Kriege, der Unterstützung von Militärputschen, der Genehmigung von Folter und der Bespitzelung der ganzen Welt, einschließlich der amerikanischen Bürger. Aber diese Handlungen, die zur Verteidigung der weltweiten Interessen der herrschenden US-Elite begangen wurden, werden von der US-Justiz nicht als Verbrechen angesehen.

Und nun wird Trump - der als Präsident Tausende von Migrantenkindern von ihren Eltern trennte und damit viele Familien unwiederbringlich zerstörte, der offen zu faschistischer Gewalt gegen politische Gegner aufruft, der erste Präsident, der sich über die Ergebnisse einer Wahl hinwegsetzt, die er fast haushoch verloren hat - für etwas angeklagt, das überhaupt kein Verbrechen ist.

Wir haben letztes Jahr bereits geschrieben:

Es ist nicht illegal, jemanden dafür zu bezahlen, dass er über eine sexuelle Begegnung schweigt, oder die Geschichte einer Person zu kaufen, um sie nicht zu veröffentlichen. Ebenso wenig ist es verboten, im Wahlkampf über sein persönliches Verhalten zu lügen. Wenn jeder Politiker, der in solchen Angelegenheiten lügt, strafrechtlich verfolgt würde, würden die Gefängnisse überquellen.

Die Kriminalisierung privater sexueller Handlungen ist grundsätzlich reaktionär, ebenso wie Sexskandale im Allgemeinen. Sie drücken das politische Bewusstsein der Bevölkerung nach unten und ertränken das politische Verständnis in einem Geysir aus Sensationslust und Geilheit. Solche Vorwürfe sind immer ein Versuch, die tatsächlichen politischen Differenzen, die innerhalb der herrschenden Elite ausgetragen werden, vor den Massen zu verbergen.

Was die Frage des „Schweigegeldes“ angeht, so ist bekannt, dass der demokratische Präsident Bill Clinton Paula Jones 700.000 Dollar angeboten hatte, um ihre Klage wegen ungebührlichen Verhaltens beizulegen. In diesem Fall wurde Jones von rechtsgerichteten republikanischen Anwälten dazu gebracht, das Geld zu verweigern, um die Meineid-Falle zu konstruieren, die zum Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton führte. Im aktuellen Fall wendet ein der Demokratischen Partei verbundener Staatsanwalt ebenso hinterhältige Methoden an. Ein solcher politischer Zynismus hat nichts Fortschrittliches oder Demokratisches an sich.

Die WSWS und die Socialist Equality Party (SEP) stehen kompromisslos gegen die Politik von Trump und seinen Gegnern aus der Demokratischen Partei. Wir haben immer wieder vor der faschistoiden Verwandlung der Republikanischen Partei gewarnt, auch wenn Biden und die Demokraten ihre republikanischen „Kollegen“ weiterhin anflehen, sich ihnen in Fragen einer überparteilichen Politik des Militarismus im Ausland und des Sparprogramms im Inland anzuschließen.

Wir werden die Verteidigung der Demokratie nicht „Genocide Joe“ und der Demokratischen Partei überlassen, die letztlich die Interessen der Wall Street und des militärisch-geheimdienstlichen Apparats vertreten. Die einzige wirksame Methode zur Bekämpfung der von Trump verkörperten faschistischen Bedrohung ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse durch die Entwicklung des Klassenkampfes und die politische Organisation der Arbeiter als unabhängige Kraft gegen die beiden Parteien des Großkapitals.

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