Frankreich: Xi weist Macrons Forderung zurück, China solle im Ukraine-Krieg Druck auf Russland ausüben

Der chinesische Präsident Xi Jinping hielt sich vom 6. bis zum 7. Mai in Frankreich zu einem zweitägigen Gipfeltreffen mit Präsident Emmanuel Macron auf. Das Treffen markierte offiziell den 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und der Volksrepublik China, im Mittelpunkt stand jedoch die Forderung der Nato-Mächte, China solle mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und den israelischen Völkermord in Gaza die Beziehungen zu Russland und dem Iran abbrechen.

Das Gipfeltreffen fand im Schatten der Drohungen Frankreichs und Großbritanniens statt, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken und Langstreckenraketen gegen Russland einzusetzen. Vertreter Russlands haben ihrerseits mit atomaren Vergeltungsschlägen gedroht. Vor diesem Hintergrund forderte Macron Xi auf, Chinas Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg einzustellen. Allerdings einigten sie sich nur auf kosmetische Gesten – darunter die Forderung nach einem weltweiten Waffenstillstand während der Olympischen Spiele 2024 in Paris. Zudem stellt China vorerst Sanktionen auf französische Kognak-Exporte zurück.

Macrons Forderungen hinsichtlich der Ukraine wies Xi jedoch ebenso zurück wie die europäischen Drohungen mit weitreichenden Handelssanktionen gegen chinesische Exporte von Elektrofahrzeugen und anderen wichtigen Gütern.

Bei einer Pressekonferenz nach dem ersten Tag der Gespräche in Paris warnte Macron vor „einer historischen Wende angesichts von Bedrohungen in nie dagewesenem Ausmaß und eines beträchtlichen Risikos, dass sich die Welt fragmentiert“. Er erklärte, das Ziel des Gipfeltreffens zwischen Xi und Macron habe darin bestanden, „eine Blockbildung zu verhindern und stattdessen Konvergenzen aufzubauen“. Doch daraufhin verlangte Macron prompt, Xi solle sich den Forderungen der Nato beugen und seine Beziehungen zu Russland und dem Iran abbrechen – seinen beiden wichtigsten Energie- und Rohstofflieferanten.

Macron forderte China auf, Russland daran zu hindern, Europa in der Ukraine-Frage zu bedrohen. „Zum einen haben wir natürlich über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gesprochen“, sagte er und forderte die chinesischen Stellen auf, „keine Waffen und Hilfslieferungen an Moskau zu verkaufen“ sowie jedes chinesische Unternehmen zu melden, das gegen diese Regel verstößt. Er attackierte auch „den Iran, dessen unkontrollierte Entwicklung seiner Atomindustrie viele Risiken birgt“ und forderte China auf, „sich in dieser Frage vollständig mit uns abzustimmen“.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, die ebenfalls zu dem Gipfeltreffen nach Frankreich gekommen war, stellte die gleichen Forderungen in noch schärferer Form. Sie forderte von Peking, „seinen ganzen Einfluss auf Russland geltend zu machen, damit es seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet“ und Europa „bei der Deeskalation von Russlands verantwortungslosen Atomdrohungen“ zu helfen.

Sie forderte China außerdem auf, seine Exporte von „Dual-Use-Gütern“ an Russland zu verringern. Hierbei handelt es sich um Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, wie Mikrochips oder Bau- und Grabungsmaschinen. Von der Leyen erklärte: „Es müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, um die Lieferung von Dual-Use-Gütern an Russland einzudämmen, die ihren Weg auf das Schlachtfeld finden... Angesichts der existenziellen Bedrohung des Krieges sowohl für die Ukraine als auch für Europa spielt das Thema in den Beziehungen der Europäischen Union mit China eine Rolle.“

Sie bezeichnete Chinas Exporte von Elektrofahrzeugen und anderen Hightech-Produkten als „Chinas Überproduktion“ und drohte mit umfassenden Zöllen auf chinesische Güter: „Europa wird nicht vor harten Entscheidungen zurückschrecken, um seine Wirtschaft und Sicherheit zu schützen.“

Xi reagierte jedoch, indem er die Forderungen von Macron und von der Leyen auf der ganzen Linie zurückwies. In der Ukrainefrage verteidigte er Chinas Beziehungen zu Russland und erklärte: „China hat die Ukraine-Krise nicht ausgelöst und ist keine Partei und kein Teilnehmer daran. Wir haben nicht nur zugesehen, sondern eine wichtige Rolle für den Frieden gespielt. Der Sonderbeauftragte der chinesischen Regierung für eurasische Angelegenheiten befindet sich auf seiner dritten Runde der Pendeldiplomatie. Gleichzeitig lehnt China es ab, die Ukraine-Krise zu benutzen, um ein Drittland zum Sündenbock zu machen, zu verleumden oder einen neuen kalten Krieg zu schüren.“

Xi erwähnte den Iran in seiner öffentlichen Erklärung nicht, sondern kritisierte den Völkermord in Gaza, der von Israel verübt wird, das von den Nato-Mächten mit Waffen versorgt wird, und dass Israel den Iran vor kurzem bombardiert hat. Xi erklärte: „Diese andauernde Tragödie ist eine Prüfung für das menschliche Gewissen. Die internationale Gemeinschaft muss handeln. Wir rufen alle Parteien auf, an einem sofortigen umfassenden und nachhaltigen Waffenstillstand in Gaza zu arbeiten.“

Xi wies auch von der Leyens Behauptung zurück, China weise eine Überproduktion auf, die eine Bedrohung für die europäische Wirtschaft darstelle: „Das sogenannte ,Problem von Chinas Überkapazitäten‘ gibt es nicht.“

Der unlösbare Konflikt zwischen den imperialistischen EU-Mächten und China verdeutlicht die tiefe und unauflösliche Krise des kapitalistischen Weltsystems. Die Großmächte sind nicht in der Lage, eine Einigung zu erzielen, um einen katastrophalen Krieg zu verhindern, der in Europa ausbrechen und sich auf die ganze Welt ausbreiten könnte. In diesem Fall ergibt sich dies besonders deutlich aus der Unvereinbarkeit der Weltwirtschaft und -produktion mit dem Nationalstaatensystem: Die Frage, wie die Weltmärkte für Autos, Halbleiter oder andere Industriegüter aufgeteilt werden, provoziert erbitterte Konflikte.

Die imperialistischen Mächte haben sich durch ihre Unterstützung für den Völkermord in Gaza und die Androhung einer katastrophalen Eskalation des Kriegs gegen Russland in der Ukraine, den sie provoziert haben, entlarvt.

China hat in den letzten drei Jahrzehnten zweifellos eine massive und historische wirtschaftliche Expansion erlebt, indem es auf Ressourcen der Weltwirtschaft zugreifen konnte. Doch sein stalinistisches Regime hat keine tragfähige oder progressive Antwort auf die unablässige Eskalation des Kriegs der imperialistischen Mächte gegen Russland, den Iran und Gaza oder gegen China selbst in der Taiwanstraße und dem Südchinesischen Meer. Nachdem China in den 1980ern mit der Wiedereinführung des Kapitalismus seine antiimperialistischen Ambitionen aufgegeben hat, kann es nicht mehr an die massive Antikriegsstimmung in der internationalen Arbeiterklasse appellieren.

Le Figaro veröffentlichte am Montag einen offenen Brief von Xi, der beispielhaft für den Bankrott seiner nationalen Perspektive ist. Xi lobt die „strategische Vision“ von General Charles de Gaulle, der 1964 die Beziehungen zur VR China wiederhergestellt hatte, und schlägt eine „globale strategische chinesisch-französische Partnerschaft“ für „weltweite Kooperation“ vor. Weiter heißt es: „Seit der Gründung des neuen China vor 70 Jahren [durch die Revolution von 1949] hat China noch nie einen Krieg begonnen.“

Das ist jedoch keine tragfähige Grundlage für den Weltfrieden. Nicht nur Washington, sondern auch die imperialistischen EU-Mächte wie Frankreich drängen auf einen Krieg gegen Russland – am deutlichsten Macron mit seiner Forderung, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken. Zudem lehnen die herrschende Klasse und das politische Establishment Frankreichs heute die Kalkulation strikt ab, die de Gaulle 1960 dazu veranlasste, engere Beziehungen zur sowjetischen Regierung zu knüpfen und 1964 die VR China anzuerkennen.

Es lohnt sich, an die Reden zu erinnern, die de Gaulle in einer Zeit gehalten hat, in der der französische Imperialismus nach den verheerenden Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Nazi-Besatzung die Notwendigkeit verspürte, Zugeständnisse an die massive Unterstützung der Arbeiterklasse für die Revolutionen in Russland und China zu machen.

Als er 1960 engere Beziehungen mit der Sowjetunion forderte, warnte er vor der Gefahr eines globalen Atomkriegs: „Zwei Lager stehen sich gegenüber, und eine Entscheidung in Moskau oder Washington könnte dazu führen, dass ein Großteil der Menschheit in wenigen Stunden vernichtet wird. In dieser Situation ist Frankreich der Auffassung, dass es keinen territorialen oder doktrinären Kampf gibt, der größer ist als die Notwendigkeit, diese schreckliche Gefahr abzuwenden.“

De Gaulle rief dazu auf, die Spannungen zwischen der Nato und der Sowjetunion zu begrenzen, „um provokante Aktionen und Äußerungen auszuschließen“ und damit das Risiko zu verringern, dass „die Welt sich eines Tages plötzlich, warum auch immer, wieder im Krieg befinden könnte“. Er forderte außerdem „kategorische Abrüstungsmaßnahmen, die sich vorzugsweise auf Geräte beziehen, die in der Lage sind, Bomben über strategische Entfernungen zu transportieren“, d.h. auf atomar bewaffnete Langstreckenraketen.

Solche Ansichten haben nicht nur Macron, sondern das gesamte politische Establishment Frankreichs zurückgewiesen. Ungeachtet ihrer Kritik an Macron gibt es in den herrschenden Kreisen überwältigende Unterstützung für die Bewaffnung der Ukraine zur Durchsetzung territorialer Ziele, den Aufbau des französischen Atomarsenals und provokante Angriffe auf Putin. Das alles hat Europa an den Rand eines totalen Kriegs gebracht.

Um die Anerkennung der VR China zu rechtfertigen, appellierte de Gaulle 1964 – nur zwei Jahrzehnte nach der Besatzung Frankreich durch die Nazis – an die Sympathie der französischen Bevölkerung für Chinas Krieg gegen die japanische Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Über diesen Konflikt, der 20 Millionen Chinesen das Leben kostete, und frühere Kriege der USA und Europas gegen China, erklärte de Gaulle:

Für dieses Land war die Kontaktaufnahme mit modernen Staaten sehr hart und kostspielig. Die vielen europäischen, amerikanischen und japanischen Forderungen, Interventionen, Expeditionen und Invasionen bedeuteten für China viele Demütigungen und Aufteilungen. So viele nationale Erschütterungen und die Entschlossenheit der Eliten, ihre Nation um jeden Preis umzugestalten, um den Status der Länder zu erreichen, die es unterdrückt haben, führten China zur Revolution.

De Gaulle war ein bürgerlicher Politiker, der von 1958 bis 1962 einen blutigen Kolonialkrieg in Algerien führte. Er hegte keinerlei revolutionäre oder antikoloniale Sympathien. Im Interesse der imperialistischen Außenpolitik Frankreichs konnte er jedoch sorgfältig abgewogene Äußerungen darüber abgeben, wie wichtig es sei, einen katastrophalen Atomkrieg zu vermeiden, oder über den Heroismus der chinesischen Revolution von 1949.

Macron und die französische Kapitalistenklasse kontrollieren heute ein völlig heruntergekommenes Regime, das auf einen Atomkrieg zusteuert. Gleichzeitig propagieren sie die haltlose und falsche Behauptung, China verübe einen Völkermord an den Uiguren, während die Nato-Mächte einen echten Völkermord in Gaza unterstützen.

Dies verdeutlicht eine grundlegende politische Realität: Mit einer nationalen Perspektive oder mit Appellen an die kapitalistischen nationalen Regierungen ist kein Kampf gegen Völkermord und Krieg möglich. Der Weg vorwärts führt über die Vereinigung der Arbeiterklasse in einer internationalen revolutionären Bewegung gegen imperialistischen Krieg und Völkermord und für den Sozialismus.

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