Der in Kalifornien ansässige Chiphersteller Intel hat vergangene Woche den Abbau von 15.000 Stellen angekündigt, was etwa 15 Prozent der Arbeitsplätze weltweit entspricht. Zugleich mehren sich die Anzeichen für eine zunehmende Instabilität an den globalen Finanzmärkten. Nachdem die Arbeitslosigkeit in den USA im Juli nach offiziellen Zahlen auf 4,3 Prozent gestiegen ist, kam es zu einem Kursverfall der Aktien großer Unternehmen an der Wall Street.
Die Kürzungen bei Intel sind Teil einer weltweiten Offensive gegen Arbeitsplätze, bei der neue arbeitssparende Technologien als Waffe gegen die Belegschaften eingesetzt werden. Intel will 10 Milliarden Dollar einsparen, um auf dem Markt für Chips zu bestehen, die in der künstlichen Intelligenz benötigt werden. Deshalb sollen die Investitionsausgaben um 24 Prozent reduziert und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie für Marketing zusammengestrichen werden.
CEO Pat Gelsinger erklärte in einer Rundmail an die Belegschaft: „Unsere Kosten sind zu hoch und unsere Margen zu niedrig. Wir brauchen kühnere Maßnahmen, um beides anzugehen – insbesondere angesichts unserer Finanzergebnisse und der Aussichten für die zweite Hälfte des Jahres 2024, die düsterer sind als bisher erwartet.“
Die Bekanntgabe des Sparprogramms hat in Deutschland Fragen nach der Zukunft der geplanten Chipfabrik von Intel in Magdeburg ausgelöst, die mit staatlichen Subventionen in Höhe von knapp 10 Milliarden Euro gefördert werden soll. Zwar betont die Landesregierung von Sachsen, dass das Projekt nicht gefährdet sei, doch die Konzernleitung selbst hat sich nicht explizit dazu geäußert, und die Milliardensubvention ist von der EU-Kommission bislang noch nicht genehmigt worden. Obwohl CEO Gelsinger erklärt, man halte an den Ausbauplänen in Europa fest, sind Anfang des Jahres bereits umfangreiche Investitionsprojekte in Frankreich und Italien gestrichen worden. Und sollte das Werk in Sachsen, dem die Bundesregierung eine geostrategische wirtschaftliche Bedeutung beimisst, tatsächlich entstehen, gibt das jetzt angekündigte Sparprogramm einen Vorgeschmack auf die geplanten Ausbeutungsbedingungen.
Jerry White, der Kandidat der Socialist Equality Party für das Amt des US-Vizepräsidenten, prangerte den Stellenabbau bei Intel in einem Beitrag auf X/Twitter an:
Die Massenentlassungen, die sich in der Tech-, Auto-, Logistik- und in anderen Industrien ausbreiten, sind das Ergebnis einer bewussten Klassenpolitik. Die Androhung von Arbeitslosigkeit wird dazu benutzt, die Arbeiter bei Michigan Medicine, Boeing, Chicago Public Schools und in der gesamten Wirtschaft zu terrorisieren, die für deutliche Lohnerhöhungen kämpfen wollen, um ihre Familien vor der Inflation zu schützen.
Die herrschende Klasse führt mit voller Rückendeckung der Zentralbank, der Biden-Administration und der beiden von den Konzernen kontrollierten Parteien einen Klassenkrieg gegen die Arbeiter. Unterstützt wird sie dabei von der Gewerkschaftsbürokratie in der UAW, der IAM und anderen Gewerkschaften, die alles tut, um Streiks zu verhindern und den Widerstand gegen Stellenabbau zu blockieren. Gleichzeitig setzen die Gewerkschaftsfunktionäre alles daran, die Kandidatin Kamala Harris ins Weiße Haus zu bringen, die im Dienst der Wirtschaft steht und Kriegspolitik betreibt.
Die Arbeiter müssen auf der Grundlage ihrer eigenen Klasseninteressen aktiv werden. Gegen das Programm der herrschenden Klasse von Krieg, Sozialkürzungen und Diktatur braucht die Arbeiterklasse eine Strategie der globalen Einheit gegen das kapitalistische Profitsystem, die darauf abzielt, die Banken, die Logistik und die Industrie unter das demokratische Eigentum und die Kontrolle der Arbeiterklasse zu stellen.
Daher muss das Netzwerk der Aktionskomitees aufgebaut werden, um für die Verteidigung jedes Arbeitsplatzes zu kämpfen. Gleichzeitig müssen sich die Arbeiter auf der ganzen Welt zusammenschließen, um für den Sozialismus zu kämpfen. Nur so können die technologischen Fortschritte wie künstliche Intelligenz und Automatisierung genutzt werden, um die Arbeitszeit zu verkürzen und den Lebensstandard der Arbeiter deutlich zu erhöhen, anstatt sie in die Arbeitslosigkeit zu treiben.
Die Produktion im verarbeitenden Gewerbe ist in den USA im Juli den vierten Monat in Folge zurückgegangen. Das Gleiche gilt für die Zahl der Arbeitsplätze bei den Lkw-Fahrern, bei denen in den letzten 12 Monaten 30.000 Stellen gestrichen wurden.
Letzte Woche gab der Automobilhersteller Stellantis ein neues Angebot zum freiwilligen Ausscheiden von Angestellten bekannt und erklärte, dass Entlassungen notwendig werden könnten, wenn nicht genügend Beschäftigte das Abfindungsangebot annehmen. Stellantis und andere US-Autohersteller haben in diesem Jahr bereits Tausende von Arbeitsplätzen in der Produktion und der Verwaltung gestrichen, nachdem die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) mit Unterstützung des Weißen Hauses einen entsprechenden Ausverkauf durchgesetzt hatte. Der Landwirtschafts- und Schwermaschinenhersteller John Deere, dessen Fabrikarbeiter ebenfalls der UAW angehören, hat ebenfalls Massenentlassungen angekündigt.
Anfang dieses Monats kündigte United Parcel Service (UPS) die vorübergehende Schließung mehrerer Drehkreuze an, um sie zu automatisierten Einrichtungen mit einem Bruchteil der bisherigen Arbeitsplätze umzurüsten. Dies ist Teil von landesweiten Umstrukturierungsmaßnahmen, die durch den Ausverkauf des Tarifkampfs im letzten Jahr ermöglicht wurden und Zehntausende von Arbeitsplätzen kosten werden.
Der Stellenabbau ist nicht auf den privaten Sektor beschränkt. Die Entscheidung des Weißen Hauses, die staatlichen Pandemiehilfen einzustellen, zwingt die Schulbezirke in den gesamten USA zu massiven Kürzungen. Besonders betroffen sind Großstädte wie Chicago und Detroit. Allein in Chicago droht ein Defizit von 500 Millionen Dollar. Die Schulen in Michigan müssen zusätzlich zu den Einbußen bei der Pandemiehilfe mit einer Kürzung der staatlichen Mittel um 1 Milliarde Dollar rechnen.
Die Arbeitsvermittlungsfirma Challenger, Gray and Christmas meldet, dass die Arbeitgeber in den USA im Juli 25.885 Stellenstreichungen angekündigt haben. Dies ist zwar ein Rückgang gegenüber Juni, aber 9 Prozent mehr als im gleichen Monat 2023 und die höchste Zahl für einen Juli seit 2020, mitten in der ersten Welle der Pandemie. Der Technologiesektor baute im Juli mit 6.009 die meisten Stellen ab. Die Gesamtzahl im Jahresverlauf beträgt 65.863.
Challenger berichtet: „Für das Jahr haben die Arbeitgeber Pläne zur Einstellung von 73.596 Arbeitnehmern angekündigt, der niedrigste Stand seit 2012, als 72.858 Stellen besetzt werden sollten.“
Weitere Entlassungen sind:
- Disney entlässt 140 Mitarbeiter, das sind 3 Prozent der Belegschaft von Disney Entertainment Television, darunter 13 Prozent der Mitarbeiter von National Geographic.
- Die SunPower Corporation mit Sitz in Richmond, Kalifornien, entlässt 290 Mitarbeiter, da dem Unternehmen die Insolvenz droht.
- Das Spieleunternehmen Bungie hat angekündigt, 220 Mitarbeiter zu entlassen. Insgesamt hat die Spieleindustrie in diesem Jahr bereits den Abbau von 11.000 Stellen bekannt gegeben.
Der Anstieg der Arbeitslosenquote in den USA von 4,1 Prozent auf 4,3 Prozent im letzten Monat übertraf die Erwartungen der Analysten. Im vergangenen Monat entstanden nur 110.000 neue Arbeitsplätze, während die Zahl der Arbeitslosen um 352.000 auf 7,2 Millionen gestiegen ist und die Zahl der wöchentlichen Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung den höchsten Stand seit einem Jahr erreicht hat. Das Bureau of Labor Statistics (Amt für Arbeitsstatistik) korrigierte außerdem seine Zahlen für neue Arbeitsplätze für Mai und Juni um 29.000 nach unten.
Die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen ist weitaus höher, da Millionen gezwungenermaßen Teilzeitjobs annehmen oder die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben haben.
Die vom Bureau of Labor Statistics veröffentlichten monatlichen Arbeitsmarktdaten zeigen außerdem, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt hat. Die Löhne sind in den letzten 12 Monaten nur um 3,6 Prozent gestiegen, was kaum dem Anstieg des Verbraucherpreisindex von 3,0 Prozent entspricht, der ohnehin die Auswirkungen der steigenden Preise auf die Arbeiter unterschätzt.
Die Washington Post schrieb: „Mit der höchsten Arbeitslosenquote seit dem Ende des pandemiebedingten Abschwungs im Jahr 2021 warnen Ökonomen, Bankanalysten und Investoren: Hier blinken Rezessionssignale.“
Als Reaktion auf die Arbeitsmarktdaten und wegen der Angst vor einer Rezession sanken die Aktienkurse am Donnerstag weltweit deutlich. Der Aktienindex Dow Jones verlor 600 Punkte, der S&P 500 fiel um 1,5 Prozent und der technologielastige NASDAQ um 2,5 Prozent. Die Aktien von Intel, die in den Dow Jones einfließen, verloren volle 26 Prozent an Wert.
Der japanische Nikkei 225-Index brach am Freitag um 5,8 Prozent ein.
Die Verluste an den US-Aktienmärkten setzten sich am Freitag fort: Der Dow sank um weitere 600 Punkte, und der NASDAQ fiel um 10 Prozent von seinem jüngsten Höchststand.
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist die Folge einer Politik des Weißen Hauses, die darauf abzielt, den aufflammenden Klassenkampf durch Massenentlassungen zu unterdrücken. Die Zentralbank Federal Reserve hat die Leitzinsen auf den höchsten Stand seit mehr als 40 Jahren erhöht. Unterdessen arbeitet Biden, der selbsternannte „gewerkschaftsfreundlichste Präsident in der amerikanischen Geschichte“, mit der Gewerkschaftsbürokratie zusammen, um Lohnkämpfe zu ersticken und Krieg vorzubereiten.
Biden reagierte auf die neuen Arbeitsmarktzahlen mit einer selbstgefälligen Erklärung, die der Realität ins Gesicht schlägt. Er sagte:
Der heutige Bericht zeigt, dass die Beschäftigung allmählich wächst und die Inflation deutlich zurückgegangen ist. Die Unternehmensinvestitionen sind weiterhin stark, was zum Teil unserer Agenda „Investieren in Amerika“ zu verdanken ist, die gut bezahlte Arbeitsplätze in Regionen schafft, die zuvor abgehängt erschienen.
Mit den erhöhten Zinssätzen sollen die Profite durch Angriffe auf die Arbeiterklasse gesteigert werden. Diese Politik birgt allerdings enorme Gefahren für das Weltfinanzsystem, das mittlerweile völlig abhängig von billigem Geld geworden ist. Auch wenn die aktuellen Zinssätze im historischen Vergleich nicht hoch sind, spiegelt der Rückgang der Aktienkurse die Sorge wider, dass es zu einer Rezession kommen könnte, wenn die Zinsen nicht bald sinken.
Die Federal Reserve hat signalisiert dass sie beabsichtigt, bereits auf ihrer September-Sitzung mit schrittweisen Zinssenkungen zu beginnen. Es wird jedoch befürchtet, dass die Federal Reserve damit zu lange abwartet.
Die Senatorin und ehemalige Bankenaufsicht Elizabeth Warren (Demokraten) twitterte:
Der Fed-Vorsitzende [Jerome] Powell hat einen schweren Fehler gemacht, als er die Zinsen nicht senkte. Er ist immer wieder gewarnt worden, dass ein zu langes Abwarten der Wirtschaft das Genick brechen könnte.
Warren und die Demokraten sorgen sich auch, dass ein plötzlicher Abschwung die Präsidentschaftswahlen im November zu ihren Ungunsten beeinflussen könnte.
Die Arbeiterklasse muss mit einer eigenen, unabhängigen Lösung für die Krise eingreifen, indem sie für die Verteidigung von Arbeitsplätzen kämpft und den Versuch der herrschenden Klasse abwehrt, die Kosten von Rezession und Krieg auf ihrem Rücken auszutragen.
Mehr lesen
- Bidens „Nato im Inland“: Die Gewerkschaftsbürokratie unterstützt die Eskalation des globalen Krieges
- Baut die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees in den Vereinigten Staaten auf! Für eine globale Gegenoffensive der Arbeiterklasse!
- Arbeitsplatzmassaker in der deutschen Industrie
- Der Kahlschlag bei Volkswagen und der internationale Kampf der Autoarbeiter