Koalitionsverhandlungen in Österreich: Rechtskoalition plant drastisches Sparpaket

Die rechtextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) und die konservative Volkspartei (ÖVP), die in Österreich über eine gemeinsame Regierung verhandeln, planen massive Angriffe auf die Arbeiterklasse und auf Migranten.

Demonstration gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung auf dem Wiener Ballhausplatz am 9. Januar 2025 [Photo by C.Stadler/Bwag / CC BY-SA 4.0]

Nachdem Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, Sozialdemokraten (SPÖ) und rechtsliberalen Neos gescheitert waren, hatte Bundespräsident Alexander van der Bellen letzte Woche FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt. Die ÖVP, die Kickl im Wahlkampf noch als „Rechtsextremisten“ und „Sicherheitsrisiko für Österreich“ bezeichnet und eine Regierungsbeteiligung unter ihm ausgeschlossen hatte, erklärte sich bereit, dem Faschisten als Mehrheitsbeschafferin zu dienen.

Zurzeit führt Außenminister Alexander Schallenberg anstelle des zurückgetretenen Karl Nehammer interimsweise die Regierung. Der ÖVP-Politiker hatte bereits im Oktober 2021 für wenige Wochen das Kanzleramt übernommen, nachdem Sebastian Kurz wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten war.

Unmittelbar nach Beginn der Verhandlungen begannen beide Parteien mit dem Schnüren eines umfangreichen Sparhaushalts. Mit dramatischen Kürzungen soll das Budgetdefizit wie von der EU vorgegeben unter drei Prozent gesenkt werden. Aktuell beträgt es, je nach Einschätzung, bis zu 3,7 Prozent. Der Streit darüber, wie und in welchem Zeitraum die Einsparungen durchgeführt werden, hatte zum Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos geführt.

Nach den bisher vorliegenden Informationen belaufen sich die geplanten Einsparungen allein in diesem Jahr auf über 6,4 Milliarden Euro. Innerhalb der nächsten sieben Jahre will die Regierung mindestens 18 Milliarden Euro einsparen.

Details über die Einsparungen sollen erst Ende der Woche verkündet werden, doch bereits jetzt ist klar, dass die Kosten der Budgetsanierung allein zu Lasten der Arbeiterklasse gehen werden. Eine Erhöhung von Unternehmenssteuern, wie der Körperschaftssteuer, schlossen beide Parteien kategorisch aus.

Über drei Milliarden Euro sollen durch Kürzungen bei Förderungen und Subventionen eingespart werden, der Rest durch „Reformen“ und „weitere Maßnahmen“. Weitgehend sicher ist dabei, dass die Kürzungen den öffentlichen Dienst treffen werden. Unter dem Schlagwort „Bürokratieabbau“ sollen massiv Stellen in der öffentlichen Verwaltung, aber auch in Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen gestrichen werden.

Ebenfalls beschlossen ist, dass sämtliche Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels gestoppt werden. Auch wenn diese Maßnahmen meist kaum mehr als symbolischen Charakter haben, wie beispielsweise der Klimabonus, bedeutet dies eine völlige Abkehr von jeder Art von Klimaschutz.

Schon im Vorfeld der Verhandlungen haben beide Parteien erklärt, Sozialleistungen beschneiden zu wollen. Die FPÖ-Forderung nach einer generellen Kürzung von Sozialleistungen für Zugewanderte findet auch in der ÖVP breite Unterstützung. Hier gehen die Vorschläge von einer Halbierung der Leistungen für Migranten bis zur vollständigen Koppelung von Leistungen an die österreichische Staatsbürgerschaft.

Unter dem Vorwand, Sozialleistungsbetrug zu bekämpfen, haben beide Parteien in der Steiermark eine „Task Force Sozialleistungsbetrug“ eingeführt. Das bisher von der ÖVP-geführte Innenministerium lobt diese regelmäßig, daher wird erwartet, dass sie nun auch im Bund kommt. Tatsächlich dient die Taskforce dazu, Sozialhilfeempfänger zu schikanieren und ihnen zustehende Leistungen zu kürzen.

Die Kürzungen richten sich darüber hinaus gegen alle Arbeitenden. So gilt als sicher, dass die Bildungskarenz (bezahlte Weiterbildung), wie von Wirtschaftsverbänden schon lange gefordert, endgültig abgeschafft wird. Gleichzeitig sollen die geltenden Tages- und Wochenarbeitszeiten verlängert werden.

Zur Kürzung von Renten und Gesundheitsleistungen gibt es noch keine konkreten Pläne, doch beide Parteien haben sich in der Vergangenheit für umfangreiche Einschnitte in diesen Bereichen ausgesprochen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Verhandlungen wird der Angriff auf Flüchtlinge und Migranten sein.

Die FPÖ hat in ihrem Wahlkampf aggressiv die faschistische und menschenverachtende Forderung nach „Remigration“ vertreten. Sie soll nun umgesetzt werden. Kickl hatte schon im Dezember eine „Schwerpunktaktion“ verlangt, um Geflüchteten aus Syrien sofort den Schutzstatus zu entziehen und sie abzuschieben. Weitere Asylanträge von Geflüchteten sollen nicht mehr angenommen werden. Das gleiche gilt für Flüchtlinge aus Afghanistan.

Im „Kampf gegen illegale Migration“ fordern beide Parteien Grenzschließungen. Grenzübergänge, wie etwa zu den Balkanstaaten, sollen mit Zäunen gesichert werden.

Auch seit langem in Österreich lebende Personen mit Migrationshintergrund können ins Visier der künftigen Regierung geraten. Ein Kopftuchverbot für Frauen im öffentlichen Dienst, wie es im steirischen Regierungsprogramm von FPÖ und ÖVP bereits festgehalten ist, könnte nun auch im Bund folgen. Der Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft soll ausschließlich „assimilierten“ Personen vorbehalten werden. Der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer hat gefordert, Antragssteller vom Staatsschutz auf den Grad ihrer Integration überprüfen und ihre Internet-Aktivitäten überwachen zu lassen.

FPÖ und ÖVP sind sich ebenfalls einig, die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten deutlich zu erweitern und diese gegen jede Art von Opposition einzusetzen.

Die FPÖ will für „linke“ Lehrkräfte eine zentrale Meldestelle einrichten. Den dort gemeldeten Lehrkräften sollen „notfalls Konsequenzen” drohen.

Auch sollen weitere Programme zur „Bekämpfung von Extremismus“ aufgebaut werden. Diese richten sich, wie kaum anders zu erwarten, gegen „linke“ Tendenzen. In diesem Zusammenhang haben beide Parteien eine Verschärfung des Vereins- und Versammlungsrechts gefordert, um Demonstrationen und missliebige Organisationen zu verbieten. Bereits in Diskussion ist die Wiedereinführung der bedingt obligatorischen Untersuchungshaft, mit der Personen faktisch ohne hinreichenden Verdacht oder Beweis in Untersuchungshaft genommen werden können.

Die Ankündigung Kickls, man wolle in den Koalitionsverhandlungen auch den Österreichischen Rundfunk (ORF) thematisieren, kann nur als Drohung verstanden werden, parallel zu den Kürzungen auch die Pressefreiheit zu beschneiden.

Rechtsradikale oder offen faschistische Gruppierungen haben unterdessen unter einer FPÖ-Regierung nichts zu befürchten. Im Gegenteil: sie könnten direkt in hohe Ämter aufsteigen.

Kickl und die FPÖ pflegen enge Beziehungen zur Identitären Bewegung. Bei der Wahlparty der FPÖ zur Nationalratswahl im September waren Mitglieder der Identitären anwesend. Einige ließen sich mit Herbert Kickl fotografieren und zeigten dabei das White-Power-Zeichen. Öffentlich hatte er bereits zuvor erklärt, die Identitäre Bewegung sei ein „interessantes und unterstützenswertes Projekt“.

Die ÖVP unterstützt die Einbeziehung dieser Kreise. In einem Interview stellte der Wiener Standard dem ÖVP-Vorsitzenden Stocker die Frage: „Sie schließen also nicht aus, dass Identitäre bald in staatlichen Institutionen oder Ministerbüros arbeiten könnten?“ Woraufhin Stocker antwortete: „Ich werde keine Personallisten der Freiheitlichen kontrollieren. Ich bin auch nicht die Nanny der FPÖ.“

Während die etablierten Parteien den Rechtsextremen zur Macht verhelfen, um ihre aggressive Innen- und Außenpolitik umzusetzen, stößt eine mögliche Regierung unter der Führung der FPÖ in der Bevölkerung auf Widerstand. Allein in Wien versammelten sich am 9. Januar vor dem Kanzleramt mindestens 30.000 Menschen. Die Demonstranten trugen Transparente mit Botschaften wie: „Wir wollen kein rechtsextremes Österreich“ und „Nie wieder ist jetzt“. Proteste gab es auch in weiteren Städten wie Innsbruck, Salzburg und Graz.

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