Volkswagen: Belegschaft muss über „Zukunftstarifvertrag“ abstimmen!

Seit Betriebsratschefin Daniela Cavallo und IGM-Bezirksleiter Thorsten Gröger ihr „Weihnachtswunder von Hannover“ verkündet haben, wird von Tag zu Tag deutlicher: Sie haben die Volkswagen-Belegschaft systematisch über den Tisch gezogen. Nichts ist in dem „Zukunftstarifvertrag“ geregelt, den IG Metall und VW vereinbart haben – außer einer endlosen Rutschbahn nach unten, ohne rote Linie.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Betriebsrätin Daniela Cavallo, VW-Chef Oliver Blume und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg im Februar 2023 [Photo by Volkswagen]

Klar ist nur, dass Cavallo und Gröger dem Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen sowie einer Senkung der Realeinkommen um bis zu 20 Prozent zugestimmt haben. Bereits damit haben sie alle Rekorde gebrochen. Niemals zuvor haben angebliche Arbeitnehmervertreter mit einem einzigen Federstrich die Vernichtung derart vieler Arbeitsplätze besiegelt. Noch nicht einmal auf dem Höhepunkt der Stahlkrise war dies der Fall.

Doch während der Abbau der Arbeitsplätze begonnen hat, erweisen sich die so genannten „Haltelinien“, die IGM und BR angeblich vereinbart haben, als reines Hirngespinst: Keine Werksschließung; keine Massenentlassungen (betriebsbedingte Kündigungen); kein Einschnitt in die Monatsentgelte.

In Wirklichkeit ist kein Werk sicher. Kleinere Werke, wie Osnabrück und Dresden, sind sogar akut gefährdet. Aber auch die Zukunft der großen Werke in Zwickau, Emden und Kassel steht in den Sternen.

Der Kasseler BR-Vorsitzende Carsten Büchling berichtete kürzlich in seinem Podcast, viele Detailfragen seien noch offen. Es gebe zwar die Vereinbarung über den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, man brauche „aber auch Produktzusagen, sowohl im Fahrzeugbau als auch in der Komponente. Deshalb finden im Moment weitere Gespräche und zentrale Verhandlungen statt. Wir arbeiten unter großem Druck an einem Standortpapier.“

Mit anderen Worten, es gibt überhaupt keine Vereinbarung über den Erhalt der Standorte. Darüber wird erst jetzt hinter den Kulissen verhandelt. Immer neue Meldungen, welches Modell und welches Untermodell zukünftig in welchem Werk produziert wird, erinnern dabei an ein Hütchenspiel mit dem Zweck, jeden zu verwirren. Das gilt auch für die heutige Betriebsversammlung. Egal was dort versprochen wird – morgen wird wieder alles anders sein.

Es gibt auch keinen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Für Leiharbeiter gilt diese Regelung nicht. Im Werk Kassel werden die Verträge eines Drittels der weit über 1000 Leiharbeiter nicht verlängert, die Verträge der restlichen 730 laufen Ende Juli aus. Hinzu kommen tausende Beschäftigte von Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen, die von Volkswagen abhängig sind.

Auch die VW-Kollegen selbst können nicht auf den Kündigungsschutz vertrauen. Der IG Metall hat es nie an Phantasie gefehlt, wenn es darum ging, sie mit Abfindungen, Beschäftigungsgesellschaften und anderen Instrumenten aus dem Betrieb zu drängen. Das Opel-Werk in Bochum sowie zahlreiche Stahlwerke wurden auf diese Weise plattgemacht.

Bereits jetzt nimmt der Konzern – offenbar mit Einwilligung des Betriebsrats – Mitarbeiter mit gesundheitlichen Einschränkungen ins Visier. In Wolfsburg wird die operative Werklogistik mit rund 1000 Beschäftigten an den privaten Dienstleister DC World outgesourct. Dort sind vor allem Kolleginnen und Kollegen über das Projekt Work2Work eingestellt, das leistungsgeminderten und kranken Beschäftigten bisher eine Weiterbeschäftigung bot. Ihnen droht nun die Arbeitslosigkeit oder eine wesentlich schlechtere Bezahlung beim neuen Dienstleister.

Aus Zwickau haben die WSWS Berichte von Kollegen erreicht, dass nun ältere Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, an die harte Arbeit am Band zurückgeschickt würden. Bestehende Teams würden „radikal und über Nacht aufgelöst“.

Völlig absurd ist die Behauptung, die IGM habe einen „Einschnitt in die Monatsgehälter“ verhindert. In Wirklichkeit werden die Gehälter bei steigender Inflation jahrelang eingefroren sowie Zulagen und Prämien gestrichen (teilweise müssen sie sogar zurückbezahlt werden), was auf eine zweistellige Senkung der Realeinkommen hinausläuft.

Bei Bedarf kann der Konzern die Wochenarbeitszeit auf bis zu 28 Stunden senken. Einen 100-prozentige Lohnausgleich (der aus der zurückgehaltenen Tariferhöhung finanziert wird) gibt es dabei nur für die erste beiden Stunden. Für die dritte und vierte Stunde wird nur noch ein Ausgleich von 30 und für die folgenden von 20 Prozent bezahlt.

Die wichtigste Passage des „Zukunftstarifvertrags“ halten IGM und BR bis heute geheim. Paragraf 7 enthält eine „Revisionsklausel“, in der es heißt: „Bei wesentlichen Änderungen der Grundannahmen oder der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ könne der Konzern ein „Überprüfungsgespräch“ einberufen. „Die Tarifvertragsparteien erörtern dabei die notwendigen Maßnahmen unter Einschluss sozialpolitischer Instrumente.“

Das bedeutet, dass der Konzern jederzeit den Abbau weiterer Arbeitsplätze und weitere Lohnsenkungen verlangen kann, wenn er die angestrebte Profitmarge nicht erreicht. Laut einem Bericht der WirtschaftsWoche muss jeder einzelne Standort vorgegebene Ziele erreichen, von denen dann die Vergabe weiterer Produktionsvolumina abhängt.

Betriebsrat und Management tagen also permanent, um der Belegschaft die Kehle immer enger zuzuschnüren. Die Wolfsburger Nachrichten haben das treffend in die Worte gefasst: „Es ist ein offenes Geheimnis: Sparen wird bei VW zu einer Art Ewigkeitslast. Heißt: Das Erreichte reicht keineswegs aus, um die Probleme ein für alle Mal zu beheben. Für Generationen jetziger und künftiger Beschäftigter wird der Gürtel deshalb stetig enger geschnallt.“

Das kann und darf nicht akzeptiert werden. Kolleginnen und Kollegen, die dagegen kämpfen wollen, müssen unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die die Verteidigung der Arbeitsplätze und Einkommen selbst in die Hand nehmen.

Auf die IG Metall und ihren Betriebsrat können sie sich nicht verlassen. Diese stehen auf der Seite des Vorstands. Sie betrachten die Interessen des Konzerns aus derselben Sicht wie die Aktionäre und das Management. Ihre gutbezahlten Funktionäre sind zu jedem Zugeständnis bereit, damit „ihr“ Konzern im globalen Kampf um niedrigere Kosten und höhere Profite die Oberhand behält.

Die global operierenden Autokonzerne liefern sich einen darwinistischen Kampf ums Überleben, der sich mit der Machtübernahme Donald Trumps in den USA weiter zuspitzt. Der Handelskrieg, der weltweit Millionen Existenzen bedroht, wird zunehmend mit militärischen Mitteln ausgetragen.

Auch Deutschland rüstet auf wie seit Hitler nicht mehr und unterstützt die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten mit Milliardensummen. Diese Kriegspolitik erfordert einen Frontalangriff auf die Arbeiterklasse. Alles, was sie über Jahrzehnte an Löhnen, sozialer Sicherheit und demokratischen Rechten erkämpft hat, muss rückgängig gemacht werden.

Der Kahlschlag bei Volkswagen ist Bestandteil davon. Millionen Arbeitsplätze, die Zukunft ganzer Regionen, Renten, Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen und Bildung stehen auf dem Spiel. Und das nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt.

Diesem kapitalistischen Wahnsinn muss die internationale Einheit der Arbeiterklasse entgegengestellt werden, die in unversöhnlichem Gegensatz zu den Interessen des Kapitals steht. Das VW-Aktionskomitee tritt für folgende Forderungen ein:

  • Abstimmung über den „Zukunftstarifvertrag“! IGM und BR haben kein Mandat, der Belegschaft diesen Knebelvertrag aufzuzwingen. Der Vertrag muss der Gesamtbelegschaft zur Abstimmung vorgelegt werden!
  • Kein Cent für Dividenden! Das Recht auf Arbeit und Lohn steht höher als die Profitinteressen der Anleger. Die Milliarden, die bislang den Eignern, allen voran der Familie Porsche-Piëch und den Scheichen aus Katar, in den Rachen geworfen wurden, müssen in die Produktion guter und kostengünstiger Autos investiert werden.
  • Vorbereitung eines unbefristeten Vollstreiks! An allen Standorten müssen Aktionskomitees aus Kolleginnen und Kollegen gegründet werden, die wirklich für die Interessen der Belegschaft kämpfen wollen.
  • Für die internationale Zusammenarbeit und Einheit der Belegschaften! Auf Betriebsversammlungen gewählte Delegationen kampfbereiter Kolleginnen und Kollegen der Aktionskomitees müssen weltweit Kontakt zu den Beschäftigten des Konzerns aufnehmen, in Europa, den USA, in Südamerika, Asien und Afrika.

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