Maifeiertag 2025: Sozialismus gegen Faschismus und Krieg

Die WSWS veröffentlicht hier das Video und den Text der Rede des Vorsitzenden der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, David North, der die Kundgebung zum 1. Mai 2025 eröffnete.

Rede zum 1. Mai 2025 von David North

Zu Beginn der Maifeier 2025 erklärt das Internationale Komitee der Vierten Internationale, die Weltpartei der Sozialistischen Revolution, seine Solidarität mit allen, die von den kapitalistischen Staaten und ihrer Polizei auf der ganzen Welt angegriffen und ihres demokratischen Rechts auf Freiheit und sogar Leben beraubt werden.

Das Internationale Komitee ruft Arbeiter und Jugendliche auf, den Kampf für die Freiheit des ukrainischen Sozialisten Bogdan Syrotjuk auszuweiten, der seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt und des „Hochverrats“ angeklagt ist, d. h. des Kampfs für die Einheit der ukrainischen und russischen Arbeiter und Jugend gegen den Stellvertreterkrieg, angezettelt vom US- und europäischen Imperialismus, und gegen den reaktionären nationalen Chauvinismus der Regime in Kiew und Moskau.

Wir erklären unsere Solidarität mit den Menschen in Gaza, die dem gewaltsamen Völkermord des kriminellen israelischen Regimes ausgesetzt sind, das mit Unterstützung aller imperialistischen Regierungen handelt.

Das Internationale Komitee und die ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien kämpfen weiter für die Mobilisierung der Arbeiterklasse zur Unterstützung des Kampfs der Palästinenser gegen den israelischen kapitalistischen Staat. Wir wiederholen unseren Aufruf an die Arbeiterklasse und die Jugend in Israel, die mörderische Ideologie und politische Sackgasse des zionistischen Chauvinismus abzulehnen und sich mit ihren arabischen Brüdern und Schwestern im Kampf für ein sozialistisches Palästina und eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens zu vereinen.

Die Socialist Equality Party in den Vereinigten Staaten fordert die sofortige Rückkehr von Mahmoud Khalil, Rümeysa Öztürk und Leqaa Kordia, die von Trumps Gestapo-Agenten festgenommen wurden, in ihr Zuhause in den USA. Wir fordern ein sofortiges Ende der Verfolgung aller Studierenden und Dozenten, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben, das die US-Verfassung Bürgern und Nichtbürgern gleichermaßen garantiert.

Wir verurteilen auch die Abschiebung von Hunderten Migranten, die in den USA leben, wie Andry Hernandez Romero und Kilmar Armando Abrego Garcia, in ein Konzentrationslager in El Salvador. Vor 20 Jahren schockierte die Welt die Veröffentlichung von Fotos, die die Folter von Irakern im Gefangenenlager Abu Ghraib aufdeckte. Die Bush-Regierung versuchte, sich der direkten Verantwortung für die sadistische Misshandlung irakischer Soldaten zu entziehen, indem sie die Verbrechen einzelnen, eigenmächtig handelnden Tätern zuschrieb.

Heute wird nicht einmal der Versuch unternommen, sich der Verantwortung zu entziehen. Die Trump-Regierung brüstet sich mit ihren Plänen, Tausende Migranten, die in den USA leben, in das berüchtigte Terrorismus-Gefangenenlager von El Salvador CECOT abzuschieben.

Diese Einrichtung, die für 40.000 Menschen ausgelegt ist, entspricht einem Konzentrationslager. Die Zellen sind mit 65 bis 156 Gefangenen belegt, die 23,5 Stunden am Tag unter ständiger künstlicher Beleuchtung eingesperrt sind. Sie schlafen auf Metallpritschen ohne Matratzen, Kissen oder Laken. Die Häftlinge werden geschlagen und und erhalten keine angemessene Nahrung und medizinische Versorgung. Sie werden systematisch gedemütigt, und es gibt Berichte über Folter, einschließlich der Anwendung von Elektroschocks.

Insassen des Terrorismus-Gefangenenlagers CECOT, März 2023 [Photo: Presidencia de El Salvador]

Als der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, im April das Weiße Haus besuchte, erklärte US-Präsident Trump öffentlich seine Absicht, „einheimische“ Amerikaner – also US-Bürger – nach CECOT abzuschieben. Es sei notwendig, fünf weitere Lager zu errichten, um Zehntausende unterzubringen, die er abschieben will, so Trump.

Zu den jüngsten Opfern von Trumps Rasterfahndung gehören drei Kinder im Alter von zwei, vier und sieben Jahren, alle amerikanische Staatsbürger, die nach Honduras abgeschoben wurden. Eines der Kinder ist ein Vierjähriger, bei dem Krebs im vierten Stadium diagnostiziert wurde. Er wurde ohne Medikamente und Zugang zu medizinischer Versorgung abgeschoben.

Wenn wir den 1. Mai 2025 begehen, müssen wir die Ereignisse in den richtigen historischen Kontext einordnen. Dieser Maifeiertag fällt mit dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa zusammen. Am 8. Mai 1945 kapitulierte das Nazi-Regime. Drei Monate später folgte die Kapitulation Japans nach der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki durch Atombombenabwürfe der USA.

Die sechs Jahre des Zweiten Weltkriegs zwischen 1939 und 1945 waren geprägt von einer Barbarei, die alles übertraf, was die Welt bis dahin erlebt hatte. Die Öffnung der Konzentrationslager in Europa enthüllte die Ungeheuerlichkeit der faschistischen Barbarei. Der Völkermord an den europäischen Juden – die Umsetzung eines systematisch geplanten industriellen Massenmords – war nur ein grauenvoller Teil der globalen Gewalt, die der Kapitalismus entfesselte.

Der Krieg forderte 70 bis 85 Millionen Menschenleben, etwa 3 Prozent der Weltbevölkerung. Die Zahl der Soldatentoten wird auf 21 bis 25 Millionen geschätzt, die der zivilen Todesopfer auf 50 bis 55 Millionen. Nach dem Krieg behaupteten die Sieger, dass sich die Schrecken dieses Kriegs nicht wiederholen dürfen. Beim Nürnberger Prozess von 1945–46 verkündeten die amerikanischen Ankläger, dass die neuen Gesetze, unter denen die Naziführer für Völkermord und Verbrechen gegen den Frieden bestraft werden, künftig gegen die Führer aller Länder geltend gemacht würden, die ähnliche Taten begehen – einschließlich der Vereinigten Staaten.

Blick auf die Angeklagten beim Kriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg [Photo: Raymond D’Addario]

Natürlich wurde dieses Versprechen schnell vergessen. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg führten die imperialistischen Mächte Kriege, die Millionen Todesopfer forderten. Aber selbst wenn man die blutige Bilanz der imperialistischen Verbrechen berücksichtigt, ist es klar, dass die gegenwärtige Weltordnung den Prozess eines gewaltigen politischen und moralischen Rückschritts durchläuft.

Inmitten des Ersten Weltkriegs warnte Lenin, dass der Imperialismus in der Praxis dazu tendiere, den Unterschied zwischen absolutistischen und demokratischen Regimen aufzuheben. Die Regel sei „Reaktion auf der ganzen Linie“.

Diese Regel wird durch die aktuellen Ereignisse bestätigt. Das Verbrechen des Völkermords in Gaza wird vor den Augen der ganzen Welt verübt. Die Nazi-Bombardierungen von Guernica 1937 und Rotterdam 1940 wurden als abscheuliche Taten angesehen, wie sie nur ein verbrecherischer Staat begehen konnte. Doch nun wird die systematische Vernichtung des Gazastreifens, auf dessen wehrlose Einwohner 2.000-Pfund-Bomben abgeworfen werden, von den „demokratischen“ Regierungen Europas, Nordamerikas, Australiens und Neuseelands verteidigt.

Weit davon entfernt, Israel zu verurteilen, haben die imperialistischen Mächte die Erkenntnisse des Internationalen Strafgerichtshofs ignoriert und Proteste von Studenten und Arbeitern gegen den Genozid angeprangert und kriminalisiert. Mit einem Maß an Täuschung und Zynismus, das man bislang nur totalitären Regimen zutraute, werden Worte verdreht und mit einer Bedeutung versehen, die im Gegensatz zu ihrem ursprünglichen und objektiven Sinn steht. So wird die Verurteilung des Völkermords als „Antisemitismus“ deklariert, und jüdische Menschen, die gegen den naziähnlichen Massenmord demonstrieren, werden als Antisemiten denunziert.

Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes argumentierten unzählige Akademiker, das Dritte Reich sei ein bizarres historisches Ereignis, wie ein unvorhersehbarer Autounfall, der sich einer logischen Erklärung entzieht. Sie versuchten, den Marxismus zu widerlegen und den Kapitalismus und seine Eliten von der Verantwortung freizusprechen, indem sie die Ursache des Faschismus nicht in der kapitalistischen Wirtschaft und der imperialistischen Geopolitik suchten, sondern in der Psychologie, d. h. im irrationalen Charakter des menschlichen Bewusstseins.

Solche Erklärungen lieferten keine wissenschaftlich fundierte Einsicht in die wirklichen Ursachen der Katastrophen der 1930er und 1940er Jahre, und sie taugen auch nichts, wenn man die heutigen Ereignisse erklären will. 80 Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkriegs bricht die rechtsstaatliche Demokratie zusammen. Der Einfluss und die Macht faschistischer Politiker nehmen zu. Alle imperialistischen Mächte erhöhen massiv ihre Militärausgaben. Deutsche Eliten sprechen von der Notwendigkeit, sich auf einen neuen Krieg mit Russland noch vor dem Ende des Jahrzehnts vorzubereiten. Die Menschheit ist einem Atomkrieg näher als jemals zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Die wesentlichen Ursachen für den Abstieg in die politische Barbarei und einen katastrophalen Weltkrieg sind die gleichen wirtschaftlichen und sozialen Widersprüche des kapitalistischen Systems, die im letzten Jahrhundert zu Krieg und Faschismus führten. Diese miteinander verbundenen Widersprüche sind erstens die Unvereinbarkeit der Weltwirtschaft mit dem kapitalistischen Nationalstaatensystem und zweitens der zerstörerische Charakter des kapitalistischen Privateigentums an den Produktivkräften, kontrolliert von geldgierigen Oligarchen, im Widerspruch zur gesellschaftlichen Produktion, die die Arbeit von Milliarden Menschen umfasst, der internationalen Arbeiterklasse.

Diese Widersprüche wirken in einem Ausmaß und einer Intensität, die um ein Vielfaches größer sind, als vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Souveränität der nationalen Volkswirtschaften wurde durch ein gewaltiges globales Produktionsnetzwerk aufgehoben. Die Produktion von Waren ist ein Prozess, der die Arbeit von Arbeitern aus der ganzen Welt verbindet. Versuche, die konkrete nationale Herkunft eines Großteils der Waren zu bestimmen, sind geradezu absurd.

Während die imperialistischen Staaten die Unantastbarkeit der nationalen Wirtschaft und die nationale Produktion als oberstes Ideal verkünden, ist ihr eigentliches Ziel die Kontrolle über oder zumindest eine günstige Position im weltweiten Produktionsprozess und den globalen Lieferketten. Ihr Kampf um die Vorherrschaft und sogar das Überleben führt unweigerlich zum Wettlauf um den Zugang zu wichtigen Ressourcen, darunter Arbeitskräfte und Weltmärkte.

Die Vereinigten Staaten sind der Hauptprotagonist in diesem weltweiten Kampf. Was ihrem Handeln einen besonders rücksichtslosen und gewaltsamen Charakter verleiht, ist die Tatsache, dass der Kampf der amerikanischen herrschenden Klasse um globale Hegemonie vor dem Hintergrund des langwierigen Niedergangs ihrer realen Wirtschaftskraft stattfindet. Die goldenen Zeiten, als die kraftstrotzende amerikanische Industrie die Welt beherrschte, als die Autorität des Dollars durch Gold gedeckt war und auf einer großen Industriebasis ruhte, die sich in Handelsüberschüssen äußerte, sind längst vorbei.

US-Staatsverschuldung [Photo: Federal Reserve Economic Database]

In den letzten 50 Jahren hat sich das Fundament der US-Wirtschaft von industrieller Produktion zum Finanzparasitentum verschoben. Der Reichtum der amerikanischen herrschenden Klasse beruht nicht auf dem Wachstum der Produktion, sondern auf einer uferlosen Ausweitung der Verschuldung. Der amerikanische Kapitalismus besteht heute aus einer riesigen Menge an fiktivem Kapital – also Ansprüchen auf künftige Einnahmen aus Krediten und unzähligen Schuldverschreibungen.

Die Staatsverschuldung der USA betrug 1970 brutto 371 Milliarden Dollar. Im Jahr 1980 stieg sie auf 908 Milliarden Dollar. 2020 waren es 26 Billionen Dollar und zu Beginn dieses Jahres sind noch einmal 10 Billionen Dollar dazugekommen. Das Ausmaß dieses Parasitentums ist nahezu unfassbar.

Der fiktive Charakter des Vermögens zeigt sich daran, dass nur etwa 15 Prozent der über US-Finanzinstitute zirkulierenden Gelder in neue Unternehmensinvestitionen fließen. Die verbleibenden 85 Prozent sind auf der Jagd nach bestehenden Anlagen. Der Preis der Wertpapiere, die an der Wall Street und globalen Finanzmärkten gehandelt werden, hat somit wenig oder gar nichts damit zu tun, dass in einem realen Produktionsprozess unter dem Einsatz von Arbeitskraft Mehrwert geschaffen wird.

In einer Studie über internationale Finanzen von 2021 berichtet das McKinsey Global Institute: „Von 2000 bis 2020 wuchs das Volumen von Wertpapieren wie Aktien, Anleihen und Derivaten vom 8,5- auf das 12-fache des BIP. Mit dem Anstieg der Wertpapierpreise entstanden fast 2 Dollar an Schulden und etwa 4 Dollar an Gesamtverbindlichkeiten für jeden Dollar, der netto neu investiert wurde.“

In den letzten Monaten wurde viel über die wachsende Vertrauenskrise in den US-Dollar geschrieben, die mehrere starke Abverkäufe an der Wall Street auslöste und den Goldpreis auf einen Rekordwert von 3.500 Dollar pro Unze trieb. Das ist das Hundertfache des offiziellen Goldpreises im August 1971, als Präsident Nixon die Konvertierbarkeit des Dollars in Gold zu einem Preis von 35 Dollar pro Unze aufhob.

Die objektive Bedeutung des „Vertrauensverlusts“ ist, dass die Unhaltbarkeit der massiven Handelsdefizite und des Schuldenbergs der USA nun von globalen Investoren klar gesehen wird. Sie befürchten schlicht, dass die Vereinigten Staaten kurz vor dem Bankrott stehen.

Hierin liegt der Schlüssel zum Verständnis der Politik der Trump-Regierung. So verrückt und skrupellos seine Politik auch erscheinen mag, letztendlich ist alles, was er tut, eine verzweifelte Reaktion auf die reale Krise des amerikanischen Imperialismus. Da er keine humane Antwort auf die Probleme hat, die im Kapitalismus unlösbar sind, vertieft Trump mit seinen Maßnahmen die Krise nur und verschlimmert die Lage.

Handelsdefizite in Billionenhöhe sollen durch Zölle abgebaut werden, massive Haushaltsdefizite durch einen brutalen Angriff auf elementare Sozialprogramme. Unfähig, durch Produktion Wohlstand zu schaffen, plant Trump unverblümt, die Ressourcen anderer Länder zu plündern. In seiner vielleicht einzigen ehrlichen Aussage seit seinem Amtsantritt erklärte Trump, dass das Schicksal der Ukraine für die USA nur insofern von Interesse ist, als sie eine Quelle für strategische Mineralien im Wert von Billionen Dollar darstellt.

Nach dem Vorbild Hitlers, der 1938 Österreich und die Tschechoslowakei annektierte, droht Trump damit, sich Kanada und Grönland einzuverleiben. Er beabsichtigt, den Panamakanal wieder unter amerikanische Kontrolle zu stellen.

US-Vizepräsident J.D. Vance bei seiner Rede auf der Pituffik Space Base des US-Militärs in Grönland am 28. März 2025 – daneben Energieminister Chris Wright (links), US-Sicherheitsberater Mark Waltz (rechts) [AP Photo/Jim Watson]

Die Ähnlichkeiten zwischen Hitler und Trump sind unverkennbar, betrachtet man ihre objektiven Beweggründe und Entscheidungsprozesse. Der britische Historiker Tim Mason beschrieb Hitlers Regierung als „ein Regime, das sich in selbst verschuldete wirtschaftliche und politische Widersprüche verstrickte und sich auf der Suche nach einem Ausweg, einer Lösung oder zur Selbsterhaltung in eine Abfolge abrupter Kurswechsel flüchtete und immer waghalsigere Risiken einging.“

Zwar hat sich die zugrunde liegende Krise in den USA über Jahrzehnte angebahnt, doch diese Beschreibung der Politik Hitlers trifft auch auf den heutigen amerikanischen Präsidenten zu.

Wenn man Trumps Politik nicht als die geistigen Zuckungen eines böswilligen Idioten betrachtet, sondern als Reaktion der amerikanischen herrschenden Klasse auf eine Krise, auf die sie keine fortschrittliche oder friedliche Antwort hat, bestätigt dies Trotzkis Analyse über das reaktionäre und gewalttätige Wesen des „Machtwillens“ der Vereinigten Staaten.

Trotzki schrieb im Jahr 1928:

Während der Krise wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken als während der Aufstiegsperiode. Die Vereinigten Staaten werden versuchen, ihre Schwierigkeiten und Krankheiten auf Kosten Europas zu bekämpfen und zu überwinden, ganz gleich, ob in Asien, Kanada, Südamerika, Australien oder Europa selbst, oder ob auf friedlichem oder kriegerischem Wege.[1]

Sechs Jahre später, im Jahr 1934, traf er eine weitere erschreckende Voraussage:

Die Welt ist bereits aufgeteilt? Dann muss man sie eben neu aufteilen! Deutschland ging es darum, Europa zu »organisieren«. Den Vereinigten Staaten fällt es zu, die ganze Welt zu »organisieren«. Die Geschichte treibt die Menschheit einem Vulkanausbruch des amerikanischen Imperialismus entgegen.[2]

Leo Trotzki im Jahr 1932

Dieser Ausbruch ist nun im Gange. Doch um einen Weltkrieg vorzubereiten, muss zunächst der Krieg im eigenen Land verschärft werden. Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit nutzt Trump das Amt des Präsidenten als Leitstelle einer militärisch-polizeistaatlichen Diktatur. Er macht keinen Hehl daraus, dass er die Verfassung und gesetzliche Bestimmungen verachtet. Wenn Trump immer wieder Dekrete erlässt, anstatt die Zustimmung des Kongresses einzuholen, dann will er seine unbegrenzte Macht zur Schau stellen.

In einem Dekret vom 28. April genehmigt Trump die Anwendung von militärischer und polizeilicher Macht ohne rechtliche Einschränkungen. Abschnitt 4 des Dekrets trägt den Titel „Einsatz nationaler Sicherheitskräfte für Recht und Ordnung“. Darin steht:

Innerhalb von 90 Tagen nach Erlass dieses Dekrets werden der Justiz- und der Verteidigungsminister, in Absprache mit dem Minister für Heimatschutz und ggf. den Leitern der Behörden, verstärkt überschüssige militärische und nationale Sicherheitskräfte zur Unterstützung der bundesstaatlichen und lokalen Strafverfolgung bereitstellen.

Weiter heißt es:

Der Verteidigungsminister, in Abstimmung mit dem Justizminister, legt fest, wie militärische und nationale Sicherheitskräfte, Ausbildungsmaßnahmen, nicht-letale Waffen und Personal am wirksamsten zur Verbrechensverhütung eingesetzt werden können.

Dieses Dekret, das in der amerikanischen Geschichte ohne Beispiel ist, beseitigt unter dem betrügerischen Deckmantel der „Verbrechensbekämpfung“ die Bill of Rights. Der diktatorische Charakter dieses Dekrets wird in Abschnitt 6 unterstrichen:

Der Justizminister und der Heimatschutzminister sollen die Homeland Security Task Forces (HSTFs), eingerichtet gemäß dem Dekret 14159 vom 20. Januar 2025 (Schutz des amerikanischen Volkes vor Invasion), nutzen, um die Ziele dieses Dekrets zu koordinieren und voranzubringen.

Genau wie in der Außenpolitik agiert Trump nicht aufgrund persönlicher Launen, sondern als Vertreter der Oligarchie, die in den Vereinigten Staaten herrscht.

Die Trump-Administration ist keine Ausnahmeerscheinung, sondern vielmehr der politische Ausdruck der Unvereinbarkeit von massiver sozialer Ungleichheit mit Demokratie. Als er Elon Musk zu seinem Hauptberater machte und sein Kabinett mit Millionären und Milliardären besetzte, versuchte Trump gar nicht erst, zu vertuschen, dass er eine Regierung anführt, die aus der Oligarchie besteht und ihr dient. Aber Trump hat die Oligarchie nicht geschaffen. Sie ist das Produkt der Finanzialisierung und der Akkumulation von fiktivem Kapital.

US-Präsident Donald Trump mit Elon Musk im Oval Office des Weißen Hauses am 11. Februar 2025 [AP Photo/Alex Brandon]

Die krankhafte Fixierung auf die Steigerung des Shareholder Value, also der Geldströme in die Kassen der Oligarchen, stützt ein von Natur aus korruptes System, das nicht aus produktiven Tätigkeiten Profit schöpft, sondern aus manipulativen Finanzgeschäften, z. B. Aktienrückkäufen, Fusionen und fremdfinanzierten Übernahmen.

In absoluten Zahlen, selbst inflationsbereinigt, übertrifft das Privatvermögen der Multimilliardärs-Oligarchen die Räuberbarone des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Ausmaß der Konzentration von Reichtum auf einen winzigen Teil der Bevölkerung ist kaum zu fassen.

Eine aktuelle Analyse der Vermögensverteilung in den USA ergab, dass allein im Jahr 2024 für die 19 reichsten amerikanischen Haushalte 1 Billion Dollar an Vermögenszuwachs generiert wurde. Diese 0,00001 Prozent der Bevölkerung – einer von zehn Millionen – besitzen fast 2 Prozent des Gesamtvermögens der US-Haushalte.

Die soziale Polarisierung wuchert wie ein bösartiger Tumor. Im Jahr 2021 gab es 1.370 Milliardäre. Bis Ende 2024 stieg ihre Zahl auf 1.990 an – ein Anstieg um 45 Prozent. Das reichste 1 Prozent besitzt 31 Prozent des Vermögens in den USA. Insgesamt besitzen die reichsten 10 Prozent 67 Prozent des Vermögens im Land. Zum Vergleich: Die unteren 50 Prozent besitzen nur 3 Prozent.

Dieses enorme Ausmaß an sozialer Ungleichheit lässt sich nicht auf demokratischem Wege aufrechterhalten. Die Oligarchen sind wohlgemerkt davon abhängig, dass die Finanzmärkte kontinuierlich mit Krediten versorgt werden, insbesondere dann, wenn – wie 2008 und 2020 – das gesamte Kartenhaus vom Zusammenbruch bedroht ist.

Besonders deutlich wurde dies anhand der Reaktion der Federal Reserve und der Zentralbanken auf die Corona-Pandemie. Das Hauptanliegen der Regierungen war es nicht, Leben zu retten, sondern die Finanzmärkte und ihre Investoren aus der herrschenden Klasse.

Wie Genosse Nick Beams, der auf dieser Kundgebung noch sprechen wird, erklärt hat:

Der Reichtum der Finanzoligarchie beruht nicht auf der Wertschöpfung durch Produktion, sondern auf der kontinuierlichen Zufuhr von fiktivem Kapital in die Finanzmärkte durch den Staat.

Objektiv betrachtet bedeutet der Angriff der Trump-Regierung auf die Demokratie eine brachiale Neuausrichtung der politischen Herrschaftsformen entlang der Klassenverhältnisse in der Gesellschaft. Das Weiße Haus treibt auf einem stinkenden Morast aus Betrug. Trump, der vulgäre Gaukler und Meisterbetrüger, ist die Verkörperung einer kriminellen Oligarchie.

Aber die amerikanische Erfahrung ist nicht völlig einzigartig. Sie ist der deutlichste Ausdruck jener Welle der politischen und sozialen Konterrevolution, die in allen großen kapitalistischen Ländern um sich greift. 80 Jahre, nachdem Mussolinis Leiche in Mailand kopfüber aufgehängt wurde und Hitler sein Leben durch einen Kopfschuss beendete, gewinnen faschistische Parteien und Politiker in praktisch allen fortschrittlichen Ländern an Stärke. Mit dieser gefährlichen Tatsache muss man sich konfrontieren. Jedes Abschwächen der Realität, begleitet von einer beruhigenden Selbsttäuschung, dass die Gefahr irgendwie vorübergehen und alles wieder normal werden wird, dient nur dazu, den Weg für eine politische Katastrophe freizumachen.

Aber die Gefahr durch Faschismus und Weltkrieg anzuerkennen, bedeutet nicht, beide als unvermeidliche Folgen der Krise des Weltkapitalismus zu akzeptieren. Ein ganz anderes Ergebnis ist möglich. Man sollte die Gefahr des Faschismus nicht unterschätzen. Aber man sollte sie auch nicht übertreiben. Trump ist nach seinen Absichten und nach seiner Persönlichkeit ein Faschist. Aber er verfügt noch nicht wie Hitler über eine faschistische Massenbewegung. Die Geschichte lehrt, dass das Aufkommen und der Sieg einer solchen reaktionären Massenbewegung von der Demoralisierung der Arbeiterklasse abhängt. Aber das ist nicht die Situation, die heute vorherrscht.

Es stimmt, dass die kapitalistische Politik in den ersten fünf Jahren dieses Jahrzehnts einen grausam reaktionären Charakter angenommen hat.

Aber neben dem Wachstum der kapitalistisch-imperialistischen Reaktion ist ein weiterer, gegenläufiger Prozess im Gange – die zunehmende soziale und politische Radikalisierung der Arbeiterklasse. Diese Bewegung ist weltweit im Aufwind.

Die gleichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Widersprüche, die die herrschenden Eliten zu Faschismus und Krieg treiben, geben auch den Anstoß zur Verschärfung des Klassenkampfs und zur sozialen Revolution. Erinnert euch daran, dass auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 der Ausbruch der Russischen Revolution im Februar 1917 folgte, die zur Eroberung der Macht durch die Bolschewiki im Oktober 1917 und zur Gründung des ersten Arbeiterstaates der Welt führte. Der Zweite Weltkrieg löste eine Welle revolutionärer Massenkämpfe der Arbeiterklasse und der kolonialen Massen aus, die sich über den ganzen Globus ausbreitete.

Arbeiter- und Soldatendemonstration im Oktober 1917 [Photo: Hulton Archive/Getty Images]

Die gleiche historische Dialektik ist auch heute am Werk. Die globale Krise, die sich auf der Grundlage eines überholten kapitalistischen Systems entwickelt, lässt zwei mögliche Lösungen zu – entweder das Ende der menschlichen Zivilisation als Folge von Faschismus und Krieg oder ihre Erneuerung durch eine sozialistische Revolution.

Ungeachtet aller gegenwärtigen Gefahren und ohne die enormen zerstörerischen Mittel und Fähigkeiten der herrschenden Klasse zu unterschätzen, ist das Potenzial für eine soziale Revolution heute größer als je zuvor in der Geschichte. Die Macht der Arbeiterklasse befindet sich, objektiv gesehen, auf dem Höhepunkt. Der Zerfall des Nationalstaatensystems hat die historischen Grundlagen der kapitalistischen Herrschaft dramatisch ausgehöhlt. Aber die Globalisierung der Produktion hat die physische Größe und potenzielle wirtschaftliche Macht der internationalen Arbeiterklasse enorm ausgeweitet.

Allein in den letzten 30 Jahren ist das globale Proletariat um mehr als 1 Milliarde Menschen gewachsen. Die Größe des Proletariats ist in Afrika, Asien und Lateinamerika stark angestiegen. In den fortgeschrittenen Ländern hat der Prozess der Proletarisierung jene Berufe erfasst, die zuvor als kleinbürgerlich oder bürgerlich definiert wurden.

Über 60 Prozent der Amerikaner leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck, darunter viele in ehemals bürgerlichen Berufen. Selbst besserverdienende Arbeiter beziehen heute praktisch ihr gesamtes Einkommen aus Löhnen. In den 1930er Jahren bemerkte Präsident Franklin Roosevelt zynisch, er werde eine Revolution verhindern, indem er die USA zu einer Nation von Hausbesitzern mache. Doch in den letzten 40 Jahren ist das Wohneigentum der Arbeiterklasse drastisch zurückgegangen, von 65 Prozent auf 35 Prozent.

Das einst sagenumwobene „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ist das Land der unbezahlbaren Schulden geworden. Die Schulden der privaten Haushalte in den USA belaufen sich inzwischen auf 17,5 Billionen Dollar, davon entfallen 12,4 Billionen Dollar auf Hypotheken, 1,6 Billionen Dollar auf Autokredite, 1,1 Billionen Dollar auf Kreditkartenschulden und 600 Milliarden Dollar auf Privatkredite. Studierende, die gerade erst ins Leben einsteigen, tragen eine Schuldenlast von 1,7 Billionen Dollar. Die 43 Millionen aktuellen oder ehemaligen Studierenden haben im Schnitt 37.000 Dollar Schulden. Viele der Studenten mit erstem Abschluss noch viel mehr.

Diese Zahlen sind zwar bedeutsame Indikatoren für die soziale Notlage, aber für sich genommen nicht die entscheidende Triebkraft der sozialistischen Revolution. Der Prozess der Globalisierung, der das Nationalstaatensystem ruiniert, vereinigt gleichzeitig die Arbeiterklasse. Die globalen Produktionsketten können in globale Netzwerke für bewusstes revolutionäres Handeln verwandelt werden.

Zudem erleben wir derzeit eine der größten Revolutionen der Wissenschaft in der Geschichte. Die Fortschritte in der Kommunikation, ein Nebenprodukt dieser Revolution, hat der Arbeiterklasse außergewöhnliche Mittel an die Hand gegeben, um ihre Kämpfe im globalen Maßstab zu planen, zu organisieren und zu führen.

Eine weitere mächtige Waffe steht der Arbeiterklasse nun zur Verfügung. Die Entwicklung der Technologien künstlicher Intelligenz ermöglicht ein exponentielles Wachstum der Fähigkeit der Arbeiterklasse, an Informationen und Wissen zu gelangen. Natürlich versuchen die herrschenden Eliten, diese Technologien im Interesse des Profitsystems zu nutzen.

Doch KI eröffnet bisher unvorstellbare Möglichkeiten für die Bildung und politische Aufklärung der Massen. Der Appell an die Arbeiter in der englischen Version der sozialistischen Hymne „Die Internationale“ – „Away with all your superstitions“ (dt. „Hinfort mit allem Aberglauben“) – hat ein mächtiges Mittel zu seiner Verwirklichung erhalten.

Als er im Juli 1945 die erste Detonation einer Atombombe beobachtete, erinnerte sich der Physiker Robert Oppenheimer an eine Passage aus einer Hindu-Schrift: „Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“ Mit der Entwicklung der KI, die man passender als „exponentiell erweiterte menschliche Intelligenz“ beschreiben könnte, wird Technologie – in dem Maße, wie sie die politische Praxis der Massen durchdringt und beeinflusst – zu einem Verbündeten der Arbeiterklasse bei der Zerstörung des Kapitalismus.

Aber die Technologie allein kann nicht die sozialistische Revolution herbeiführen. Damit die Arbeiterklasse ihre sozialistische Lösung für die Krise des Weltkapitalismus durchsetzen kann, muss sie die Krise der revolutionären Führung lösen. Sie muss sich von der Kontrolle der pro-kapitalistischen Parteien und Gewerkschaftsbürokratien befreien, die alles tun, um den Klassenkampf zu unterdrücken.

Vor allem muss die Arbeiterklasse alle Spielarten des reaktionären Nationalismus zurückweisen. Der Aufruf zur Einheit der internationalen Arbeiterklasse ist kein utopischer Wunschtraum. Diese Einheit ist die wesentliche und einzig realistische Grundlage der revolutionären Strategie in der modernen Welt.

Vor fünfzig Jahren feierten die vietnamesischen Arbeiter und Bauern den Maifeiertag 1975 mit dem Einmarsch in Saigon und dem Sturz der Marionettenregierung der USA. Es war eine schwere Niederlage für den amerikanischen Imperialismus. Doch die Revolution wurde durch die nationalistische Politik der stalinistischen Bürokratien in Moskau und Peking isoliert. Und trotz aller Opfer, die 30 Jahre Kampf gekostet hatten, führte die nationale Isolation zur Restauration des Kapitalismus und zur Herabwürdigung Vietnams zu einer Quelle billiger Arbeitskräfte.

Ein nordvietnamesischer Panzer fährt in den Präsidentenpalast von Saigon, 30. April 1975 [Photo by Milano in Movimiento / CC BY-NC-SA 2.5]

Diese historische Erfahrung ist ein erneuter Beweis, dass es für die Arbeiterklasse keine nationalen Wege gibt, um die globalen Widersprüche des Imperialismus zu lösen. Die Behauptung, dass ein multipolares Bündnis von Nationalstaaten eine Alternative zur Vorherrschaft des US-Imperialismus darstellt, ist eine Illusion. Was wir brauchen, ist keine neue strategische Allianz der Nationalstaaten, die sich gegen die USA und Westeuropa aufstellen, sondern die Beseitigung des Nationalstaatensystems und des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln.

Wir sind in eine Periode der größten revolutionären Kämpfe der Weltgeschichte eingetreten, von denen das Schicksal der Menschheit abhängt. Es hat keinen Sinn, Zeit mit Spekulationen darüber zu verschwenden, ob die Arbeiterklasse revolutionär oder der Sozialismus möglich ist. Marx schrieb in seinen Thesen über Feuerbach, dass der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens, das von der Praxis isoliert ist, bedeutungslos ist. Debatten über die Möglichkeit, den Krieg zu beenden, den Faschismus zu besiegen und den Sozialismus aufzubauen, sind völlig nutzlos, wenn sie von der Teilnahme am Klassenkampf getrennt werden. Ob Sozialismus erreicht werden kann, wird in der Praxis entschieden werden.

Die Geschichte des letzten Jahrhunderts hat gezeigt, dass eine sozialistische Revolution möglich ist. Sie hat aber auch bewiesen, dass der Sieg vom Aufbau einer marxistisch-trotzkistischen Führung in der Arbeiterklasse abhängt. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien widmen sich der Erfüllung dieser Aufgabe.

An diesem entscheidenden Maifeiertag rufen wir alle Teilnehmer dieser weltweiten Kundgebung dazu auf, sich unserer Weltpartei anzuschließen und für den Sieg des Sozialismus zu kämpfen.


[1]

Leo Trotzki, Die Dritte Internationale nach Lenin, Essen 1993, S. 29, Hervorhebung im Original.

[2]

Leo Trotzki, »Der Krieg und die IV. Internationale«, in: Trotzki Schriften. Linke Opposition und IV. Internationale 1928–1934, Bd. 3.3, Köln 2001, S. 553.

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