Trumps Nationale Sicherheitsstrategie vertieft Spaltung der NATO

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA zeigt, dass das transatlantische Bündnis nicht nur oberflächliche Schrammen hat, sondern tief gespalten ist. Was Präsident Donald Trump bisher in einzelnen X-Botschaften und Vizepräsident JD Vance in einer Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz verkündet haben, ist nun offizielle US-Außenpolitik.

Präsident Donald Trump und Kriegsminister Pete Hegseth im Oval Office des Weißen Hauses in Washington am 21. März 2025 [AP Photo/Pool]

Das Strategiedokument, das in der Regel während jeder Präsidentschaft einmal überarbeitet wird, übersetzt Trumps Slogan „Make America Great Again“ in die Sprache der Außenpolitik. Seit Präsident Woodrow Wilson am Ende des Ersten Weltkriegs seine „14 Punkte“ veröffentlichte, hatten die USA ihr Streben nach Weltherrschaft stets mit Phrasen über „Freiheit“, „Demokratie“ und „Rechtsstaatlichkeit“ verschleiert. Selbst in Trumps erster Nationaler Sicherheitsstrategie von 2017 war dies noch der Fall. Das gilt nun nicht mehr.

Die neue Strategie spricht ihre raubgierigen Ziele offen aus. „Der Zweck der Außenpolitik ist der Schutz der zentralen nationalen Interessen; dies ist der einzige Schwerpunkt dieser Strategie,” heißt es in dem Dokument. Die Strategie soll sicherstellen, „dass Amerika auch in den kommenden Jahrzehnten das stärkste, reichste, mächtigste und erfolgreichste Land der Welt bleiben wird”.

Zu diesem Zweck wollen die USA „die mächtigsten, tödlichsten und technologisch fortschrittlichsten Streitkräfte der Welt rekrutieren, ausbilden, ausrüsten und einsetzen“, „die weltweit robusteste, glaubwürdigste und modernste nukleare Abschreckung“ aufbauen und „die stärkste, dynamischste, innovativste und fortschrittlichste Wirtschaft der Welt“ besitzen.

Sämtliche Beziehungen zu allen anderen Ländern werden diesen Zielen untergeordnet.

Lateinamerika soll durch einen „Trump-Zusatz“ zur Monroe Doktrin von 1823 wieder zum Hinterhof der USA werden:

Nach Jahren der Vernachlässigung werden die Vereinigten Staaten die Monroe-Doktrin wieder geltend machen und durchsetzen, um die Vorrangstellung Amerikas in der westlichen Hemisphäre wiederherzustellen und unser Heimatland sowie unseren Zugang zu wichtigen geografischen Gebieten in der gesamten Region zu schützen. Wir werden Wettbewerbern außerhalb der Hemisphäre die Möglichkeit verweigern, Streitkräfte oder andere bedrohliche Kapazitäten in unserer Hemisphäre zu stationieren oder strategisch wichtige Vermögenswerte zu besitzen oder zu kontrollieren.

Der Indo-Pazifik „ist bereits heute und wird auch weiterhin zu den wichtigsten wirtschaftlichen und geopolitischen Schauplätzen des nächsten Jahrhunderts gehören.“

Am abruptesten ist der Kurswechsel gegenüber Europa. Die USA wollen sich in die inneren Angelegenheiten ihrer NATO-Partner einmischen, die Europäische Union sprengen, faschistische Parteien stärken und einer rassistischen Remigrationspolitik zum Durchbruch verhelfen. Sonst sei es „mehr als plausibel, dass spätestens innerhalb weniger Jahrzehnte bestimmte NATO-Mitglieder mehrheitlich nicht-europäisch sein werden,“ heißt es in ungeschminkt rassistischer Sprache.

Russland wird nicht mehr als Gegner bezeichnet, stattdessen soll Europa „geholfen“ werden, „strategische Stabilität mit Russland“ zu erreichen. „Die Trump-Regierung steht im Widerspruch zu europäischen Politikern, die unrealistische Erwartungen an den Krieg haben,“ wird angemerkt.

Der ökonomische Niedergang Europas werde „durch die reale und noch düsterere Aussicht auf die Auslöschung der Zivilisation“ übertroffen, heißt es in dem Dokument. Es wirft der Europäischen Union vor, politische Freiheit und Souveränität zu untergraben. Die europäische Migrationspolitik spalte den Kontinent und stifte Unfrieden, die Redefreiheit werde zensiert und politische Opposition unterdrückt, nationale Identität und Selbstvertrauen gingen verloren. „Sollten sich die aktuellen Trends fortsetzen, wird der Kontinent in 20 Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein.“

Das Strategiedokument verspricht, „Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen zu fördern“, und bezeichnet „den wachsenden Einfluss patriotischer europäischer Parteien“ als „Grund für großen Optimismus“. Gemeint sind rechtsextreme und faschistische Parteien wie die deutsche AfD, die spanische Vox und die italienischen Fratelli d’Italia.

Man wolle Europa befähigen, „auf eigenen Beinen zu stehen und als Gruppe gleichgesinnter souveräner Nationen zu agieren“, heißt es weiter. „Europa der Souveränen Nationen“ ist der Name der rechtextremen Fraktion im EU-Parlament, der die AfD angehört. Weiter sollen „die gesunden Nationen Mittel-, Ost- und Südeuropas durch Handelsbeziehungen, Waffenverkäufe, politische Zusammenarbeit sowie kulturellen und bildungspolitischen Austausch“ von den USA gestärkt werden. Gemeint sind hier Staaten wie Ungarn mit extrem rechten Regierungen.

Die Ausdehnung der NATO soll beendet, europäische Märkte sollen für US-Güter und -Dienstleistungen geöffnet sowie die faire Behandlung von US-Arbeitern und -Unternehmen sichergestellt werden.

In der europäischen Presse hat das Strategiedokument einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die französische Zeitung Le Monde schreibt:

Die Trennung ist endgültig, die Aufteilung der Vermögenswerte steht noch aus. So erscheint die Veröffentlichung der nationalen Sicherheitsstrategie durch das Weiße Haus am Freitag, dem 5. Dezember, aus transatlantischer Perspektive. … [Sie] markiert einen historischen Bruch. Nie zuvor hat ein offizielles Dokument dieser Art eine solche Gleichgültigkeit gegenüber den Gegnern Amerikas und eine solche Missachtung seiner traditionellen Verbündeten, insbesondere in Europa, an den Tag gelegt.

Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit bezeichnet das Dokument als „Anti-Europa-Doktrin“ und als „brutalen Weckruf für alle Transatlantiker, die an der Idee eines wertegebundenen Westens festhalten wollten“, die Frankfurter Allgemeine als „Papier, in dem die USA mit Europa abrechnen“.

Vertreter der europäischen Regierungen und der Europäischen Union reagierten zurückhaltender, weil sie Trump angesichts der angespannten Ukraineverhandlungen nicht zusätzlich reizen wollen. Sie überließen die Antwort Politikern aus der zweiten Reihe, die keine direkte Regierungsverantwortung tragen, wie dem stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Röttgen.

Dieser bezeichnete das US-Strategiedokument als „zweite Zeitenwende für Europa“. Es handle sich um eine grundlegend neue geopolitische Positionierung der Vereinigten Staaten im Verhältnis zu Europa, China und Russland. Röttgen kritisierte auch die gezielte Kooperation mit den rechtsextremen Parteien.

Der CDU-Politiker, der in der Vergangenheit jedes Kriegsverbrechen der USA gerechtfertigt hat und bedingungslos hinter dem Gaza-Genozid steht, warf Washington vor, die „umfassende Dominanz in der westlichen Hemisphäre“ anzustreben. Er drängte darauf, die eingefrorenen russischen Staatsgelder zu nutzen, um die Ukraine im Krieg gegen Russland auch gegen den Willen der USA zu unterstützen. „Wenn das nicht gelingt, werden die Folgen verheerend sein,“ so Röttgen.

Die europäischen Mächte haben auf den wachsenden Konflikt mit den USA keine andere Antwort als Krieg und Klassenkrieg. Die USA hatten dem diskreditierten westeuropäischen Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg das Überleben ermöglicht und der Kalte Krieg gegen die Sowjetunion hatte die imperialistischen Mächte zusammengeschweißt. Das bildete die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung und die sozialen Kompromisse der Nachkriegszeit.

Doch nun sprengen, wie wir bereits in einem früheren Artikel schrieben, „die globale Krise des Kapitalismus und der damit einhergehende erbitterte Kampf um Rohstoffe, Märkte und Profite das Bündnis zwischen den beiden größten imperialistischen Machtblöcken, die zusammen für 45 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aufkommen.“ Trump ist nicht die Ursache, sondern lediglich der subjektive Ausdruck dieser Entwicklung.

Deutschland und die anderen europäischen Mächte bemühen sich seit Jahren, sich von der US-Vorherrschaft zu befreien und wieder eine eigenständige Großmachtrolle zu spielen. Nun beschleunigen sie diese Bemühungen, stecken hundert Milliarden in die Aufrüstung, setzen den Krieg gegen Russland fort und kompensieren die gewaltigen Kosten durch Sozialabbau und Massenentlassungen. Sie bauen, wie Trump, einen Polizeistaat auf und haben die brutale Migrationspolitik der Rechtsextremen längst übernommen.

Die Arbeiterklasse darf in dem eskalierenden transatlantischen Konflikt weder die eine noch die andere Seite unterstützen. Sie muss sich international zusammenschließen und auf beiden Seiten des Atlantiks für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft kämpfen.

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