Donald Trumps Ernennung eines Sondergesandten für Grönland verdeutlicht, dass der US-Imperialismus alle Hemmungen bei der Durchsetzung seiner Interessen abgelegt hat. Der Schritt offenbart auch die zunehmende Kluft zwischen Washington und seinen ehemaligen europäischen Verbündeten. Sowohl Dänemark, zu dessen Staatsgebiet Grönland als halbautonomes Gebiet gehört, als auch die Europäische Union (EU) reagierten erbost auf die Entscheidung. Kopenhagen bestellte zum dritten Mal in diesem Jahr den US-Botschafter ein.
Trump gab die Ernennung des Gouverneurs von Louisiana, Jeff Landry, für diese ehrenamtliche Tätigkeit am 21. Dezember auf Social Media bekannt. Er schrieb: „Jeff versteht, wie wichtig Grönland für unsere nationale Sicherheit ist.“ Landry bezeichnete es daraufhin als eine „Ehre“, dem Möchtegern-Diktator auf diese Weise helfen zu können, „Grönland zu einem Teil der USA zu machen“.
Am Montag hatte Trump erneut betont, dass er bereit ist, die Kontrolle über die Insel auch mit militärischen Mitteln zu erlangen. Auf einer Pressekonferenz erklärte er, Dänemark habe Grönland vor 300 Jahren mit Booten unter seine Kontrolle gebracht. Deshalb könnten die USA heute ihre eigenen Boote schicken. Er bekräftigte, dass der Hauptgrund für sein Vorhaben „die nationale Sicherheit“ sei, warnte vor der Präsenz „russischer und chinesischer Schiffe“ und warf Dänemark vor, es habe „kein Geld“ und „keine Streitkräfte“ in der Region.
Die New York Times wies in einem Bericht darauf hin, dass Trump in ähnlicher Weise bereits Sondergesandte für den Krieg gegen Russland in der Ukraine und Israels Völkermord an den Palästinensern in Gaza ernannt hat.
Trumps Vorgehen muss im Zusammenhang mit der Nationalen Sicherheitsstrategie seiner Regierung verstanden werden, in der seine „America First“-Außenpolitik und seine Vorbereitung auf einen Weltkrieg festgelegt sind. In einer modernisierten Version der Monroe-Doktrin wird in dem Dokument erklärt, die westliche Hemisphäre sei „unsere Hemisphäre“, aus der die USA sämtliche Konkurrenten unter Einsatz aller wirtschaftlichen und militärischen Mittel fernhalten würden. Zu diesem Zweck will Trump Grönland annektieren, Kanada zum 51. Bundesstaat machen und Krieg gegen Venezuela führen, um den Einfluss Chinas und Russlands in Lateinamerika zu beenden. Nach diesem wahnsinnigen Plan soll die Vorherrschaft der USA über Nord- und Südamerika als Ausgangsbasis dienen, um einen „erfolgreichen“ Dritten Weltkrieg zur Verteidigung der globalen imperialistischen Hegemonie Amerikas zu führen.
Die Reaktion der europäischen Mächte auf Trumps Ernennung eines Sondergesandten für Grönland bestätigt erneut, dass die transatlantischen Beziehungen der Nachkriegszeit zusammengebrochen sind. Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Antonio Costa veröffentlichten fast zeitgleich Erklärungen, in denen sie Trumps Entscheidung kritisierten und die Notwendigkeit betonten, das „Völkerrecht“ hinsichtlich der Souveränität von Staaten und der Unverletzlichkeit nationaler Grenzen aufrechtzuerhalten.
Das ist eine bemerkenswerte Anmaßung seitens des europäischen Imperialismus, der sich in den letzten drei Jahrzehnten begeistert an Angriffskriegen gegen Länder beteiligt hat, die ihm als Hindernis für seine Interessen erschienen. Das Völkerrecht war kein Problem, als Deutschland in den 1990er Jahren zusammen mit den USA die Aufteilung des ehemaligen Jugoslawiens vorantrieb, oder als die Nato die neokoloniale Besetzung Afghanistans, den illegalen Überfall auf den Irak und den Luftkrieg gegen Libyen unterstützte.
Jetzt beschwören die europäischen Mächte das „Völkerrecht“, weil ihre Interessen mit denen des US-Imperialismus kollidieren. Während Trump eine Einigung mit Russland zur Beendigung des Ukrainekriegs auf Kosten der europäischen Mächte forciert, fordern die europäischen Imperialisten eine aggressivere Aufrüstung, um sich aus der Abhängigkeit von den USA im militärischen Bereich und bei der Kriegsführung zu befreien. Sie wollen den Krieg gegen Russland um jeden Preis fortsetzen, um Russland auf den Status einer Halbkolonie zu reduzieren und sicherzustellen, dass europäische, nicht amerikanische Banken und Investoren den Zugang zu seinen Rohstoffen und billigen Arbeitskräften erhalten.
Doch um ihre Ziele zu erreichen, muss die herrschende Klasse alle noch bestehenden Sozialprogramme und alle anderen Zugeständnisse zerstören, die sie der Arbeiterklasse in der Nachkriegszeit gemacht hat, was eine dramatische Verschärfung des Klassenkampfs unausweichlich macht. Um diesen Klassenkrieg zu führen, greifen die europäischen Mächte zu den gleichen Methoden wie Trump: autoritäre Herrschaftsformen, Hetzkampagnen gegen Flüchtlinge und massive Kürzungen der Sozialausgaben.
Bei dieser eskalierenden Neuaufteilung der Welt zwischen den Großmächten ist die Arktis zur Beute geworden. Die herrschende Klasse der USA hofft, sich durch die Kontrolle über Grönland ungehinderten Zugang zu den umfangreichen Rohstoffen der Insel zu verschaffen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, da durch den Klimawandel das Eis schmilzt, das ihre Ausbeutung bisher verhindert hat. Gleichzeitig nimmt Grönland eine strategisch wichtige Stellung zwischen Nordamerika und Russland ein. Die Eroberung der Region würde den USA eine führende Rolle bei der Steuerung neuer Seewege und der Nutzung arktischer Öl- und Gasvorkommen ermöglichen, die infolge des schwindenden Meereises zugänglich werden.
Die europäischen Mächte sind in diesem Teil der Welt direkte Konkurrenten der USA. Anfang des Jahres besuchte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius Island, um mit Reykjavik ein Abkommen zu unterzeichnen, das deutschen U-Booten und Schiffen den Zugang zu den Häfen des Landes sichern soll. Grönland ist wegen seines autonomen Status innerhalb des Königreichs Dänemark zwar kein EU-Mitglied, doch die europäischen Mächte betrachten es als Teil ihres Territoriums und haben in den letzten Jahren systematisch versucht, ihre Präsenz auf der Insel durch Investitionen und wirtschaftliche Beziehungen auszuweiten. Als Trump Anfang des Jahres drohte, Grönland mit militärischen Mitteln zu besetzen, schlug der französische Außenminister die Entsendung europäischer Truppen vor – ein Vorschlag, der von Dänemark zurückgewiesen wurde.
Das Königreich Dänemark brachte Grönland im Jahr 1725 unter seine Kontrolle und integrierte es daraufhin als Kolonie. Die Insel erwies sich als lukrative Profitquelle für dänische Kapitalisten, zuerst durch den Handel mit Tran und Fisch und später durch die Ausbeutung von Mineralien wie Kryolith. Der formale Kolonialstatus der Insel endete 1953, doch Kopenhagen setzte die Ausbeutung der Rohstoffe und die brutale Behandlung der überwiegend indigenen Bevölkerung fort. 1979 erlangte Grönland den Status eines selbstverwalteten Gebiets und 2009 zusätzliche Autonomiebefugnisse, darunter die Kontrolle über seine Bodenschätze und das Recht, ein Referendum über seine Unabhängigkeit abzuhalten.
Dänemark hat versucht, einen Balanceakt zwischen seinem traditionell engen Bündnis mit dem US-Imperialismus und seiner Beteiligung an der Aufrüstungsorgie der europäischen Mächte zu halten, was jedoch zunehmend unmöglich wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem die USA zahlreiche Militärbasen auf Grönland unterhielten, war Dänemark einer der engsten europäischen Verbündeten der USA im Kalten Krieg. Kopenhagen gewährte Washington nahezu uneingeschränkten Zugang zu Grönlands Territorium, wo die USA die Thule Air Base unterhielten und Atomwaffen lagerten. Die Streitkräfte des Landes sind bis heute eng mit dem US-Militär vernetzt.
Letzten Januar kündigte Dänemark als Reaktion auf Trumps Drohungen, Grönland zu besetzen, den Kauf von weiteren 16 F-35-Kampfjets des US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin an – ausdrücklich mit dem Ziel, seine Militärpräsenz in der Arktis auszuweiten. Kopenhagen bewilligte eine Reihe neuer Rüstungsausgaben, darunter Investitionen in Kriegsschiffe, Drohnen und den Ausbau des Hauptquartiers der Arktis-Kommandos in Grönland. Das Ziel ist es, Trump zu beschwichtigen und die Bereitschaft zu demonstrieren, militärische Gewalt zum Schutz der gemeinsamen Interessen in der Region gegen potenzielle Rivalen einzusetzen. Auf diese Weise hofft Kopenhagen, seine Kontrolle über Grönland und seine Präsenz in der Arktis zu erhalten. Das würde es Dänemark ermöglichen, trotz seines geringen wirtschaftlichen Gewichts und der geringen Größe des Landes bei der Ausbeutung der Rohstoffe und allgemein in den internationalen Beziehungen überproportional Einfluss zu nehmen.
Doch Trump zeigt keine Bereitschaft, Dänemark als Juniorpartner des US-Imperialismus zu akzeptieren. Das ist der Grund für die wütende Reaktion Kopenhagens. Außenminister Lars Løkke Rasmussen erklärte, er sei „zutiefst verärgert“ über die Ernennung Landrys zu Trumps Sondergesandtem. Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen bezeichnete das Vorgehen als „völlig inakzeptabel“.
Die herrschenden Kreise Dänemarks sind empört, dass sie bei der Ausbeutung der Arktis möglicherweise außen vor bleiben könnten. Ihre Empörung verbinden sie mit heuchlerischen Beteuerungen ihres angeblichen Engagements für das demokratische Recht der Grönländer, über ihre Zukunft selbst zu bestimmen. In einer gemeinsamen Erklärung der sozialdemokratischen dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und des grönländischen Ministerpräsidenten Jens-Frederik Nielsen hieß es: „Man kann nicht andere Länder annektieren. Nicht einmal, wenn man sich dabei auf die internationale Sicherheit beruft. Grönland gehört den Grönländern, und die USA dürfen Grönland nicht übernehmen.“
Die zunehmende Rivalität zwischen dem amerikanischen Imperialismus und den europäischen Mächten um Grönland und die Arktis ist ein Konflikt zwischen konkurrierenden imperialistischen Räubern. Die Arbeiter in Europa und den USA haben kein Interesse daran, sich auf die eine oder andere Seite zu stellen. Trumps provokative Versuche, Grönland zu besetzen, lösen zwar berechtigte Empörung aus, können aber nicht durch die Unterstützung des ehemaligen kolonialen Ausbeuters Dänemark oder der europäischen Großmächte bekämpft werden, denn diese wollen nur ihre eigene Beute sichern.
Die notwendige Antwort der Arbeiterklasse auf das Wiederaufleben der Großmachtkonflikte in der Arktis und weltweit ist der Aufbau einer Massenbewegung gegen Krieg auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms, um den Kapitalismus zu stürzen. Die internationale Arbeiterklasse muss die Forderung der Kapitalisten zurückweisen, dass sie mit ihren Arbeitsplätzen und sozialen Errungenschaften für die immer größeren Aufrüstungsprogramme bezahlen soll. Sie muss den Widerstand gegen imperialistische Kriege mit dem Kampf für ein Ende der Massenentlassungen und Sozialangriffe verbinden.
