„PSG stellte Jugendunruhen in GB ins Zentrum ihres Wahlkampfs“

Die Partei für Soziale Gleichheit veranstaltete am 17. September zum Abschluss ihres Berliner Wahlkampfs eine Europäische Arbeiterversammlung gegen Rassismus, Krieg und Sozialkahlschlag. Im Tempodrom in Kreuzberg sprachen Vertreter der PSG und der Vierten Internationale über die Krise des Kapitalismus, das Programm der PSG und die Bedeutung ihres Wahlkampfs.

 

Wir dokumentieren heute die Rede von Julie Hyland von der britischen Socialist Equality Party zur Bedeutung der Jugendunruhen in Großbritannien.

Das Podium im Tempodrom Das Podium im Tempodrom

Die PSG hat die Unruhen in London und anderen britischen Städten, die sich Anfang August ereigneten, zum zentralen Thema ihres Wahlkampfes in Berlin gemacht.

Das war eine korrekte und prinzipientreue Entscheidung, denn die Unruhen und die Reaktion darauf waren keineswegs etwas, was nur für Großbritannien relevant ist.

Sie zeigen die akuten sozialen Spannungen, die sich in allen Ländern aufbauen, und auch die drakonischen Mittel, mit denen die herrschende Elite darauf reagieren wird.

Der unmittelbare Auslöser für die Unruhen war die Ermordung von Mark Duggan durch Polizisten im Nord-Londoner Stadtteil Tottenham am 4. August. Die Polizei hielt das Taxi an, in dem der 29-jährige vierfache Familienvater saß, und schoss ihn zweimal an.

Duggan ist einer von etwa dreihundert Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren in Polizeigewahrsam gestorben sind. Viele von euch werden sich noch an den Fall von Jean Charles de Menezes erinnern.

Das war der unschuldige junge Brasilianer, der im Juli 2005 am helllichten Tag in der Londoner U-Bahn erschossen wurde. Das geschah im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror.“ De Menezes wurde ohne Vorwarnung getötet. Er wurde von Zivilpolizisten siebenmal aus nächster Nähe in den Kopf geschossen

Kein Polizist wurde für seinen Tod schuldig gesprochen, genauso wenig wie für einen der anderen mehr als dreihundert Fälle. Nach dem Tod von de Menezes kam heraus, dass die Polizei insgeheim angewiesen worden war, in der Londoner Innenstadt gezielte Todesschüsse anzuwenden. Diese Anweisung ist bis heute in Kraft.

Julie Hyland Julie Hyland

Genau wie im Falle von de Menezes versuchte die Polizei nach Duggans Tod falsche Informationen zu verbreiten: Sie behaupteten, Duggan hätte auf sie geschossen, und sie hätten ihn aus Selbstverteidigung erschießen müssen. Aber das war gelogen.

Viele zweifelten an der Darstellung der Polizei, und zwei Tage nach Duggans Tod gab es eine Protestveranstaltung vor der Polizeiwache von Tottenham. Die Demonstranten erhielten aber keine Antwort, sondern wurden von der Polizei angegriffen. Das führte zu einer Welle von Unruhen in der Hauptstadt und anderen britischen Städten.

Dass sich diese Unruhen so schnell ausbreiten konnten, zeigt, dass Polizeigewalt, Ungerechtigkeit und soziales Elend im Leben vieler Arbeiterjugendlicher Alltagserfahrungen sind.

Trotzdem beharren das politische Establishment und die Medien darauf, dass die Unruhen keine gesellschaftlichen Ursachen hatten.

Stattdessen verunglimpften sie die Jugendlichen als „verwilderte Ratten“, und als eine „kriminelle Unterschicht“, die „die britischen Innenstädte verpestet“. Keine einzige Stimme im politischen Establishment sprach das Offensichtliche aus: Wenn Großbritannien eine ganze Generation von Jungkriminellen hervorgebracht hat, muss etwas an der Gesellschaft grundlegend schief laufen.

Diese Propaganda diente in Wirklichkeit dazu, staatliche Unterdrückung zu legitimieren. Premierminister David Cameron stellte klar, dass er keine Option ausschließe – auch nicht den Einsatz von Wasserwerfern oder dem Militär. Labour-Chef Ed Miliband unterstützte ihn dabei. Gleichzeitig wurde die Polizeipräsenz in der Hauptstadt verdreifacht, und ganze Wohnviertel wurden förmlich abgeriegelt.

Innerhalb einer Woche wurden bei Polizeirazzien ungefähr dreitausend Menschen, hauptsächlich Jugendliche verhaftet. Die Gerichte waren teilweise 24 Stunden am Tag damit beschäftigt, sie in Schnellverfahren abzufertigen, um schnell für „Gerechtigkeit“ zu sorgen.

Rechtliche Normen – sogar die Unschuldsvermutung – wurden verworfen. Die meisten der Verhafteten wurden wegen Lappalien angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt. Manche kamen vor Gericht, weil sie ein Eis gestohlen hatten oder Mineralwasser im Wert von 3,50 Pfund, und wurden zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Zwei Jugendliche wurden wegen Postings auf Facebook zu vier Jahren verurteilt – sie hatten sich positiv über die Unruhen geäußert, allerdings hatte es durch die Postings keine weiteren Unruhen gegeben.

Auch Kollektivstrafen werden jetzt verhängt. Ganzen Familien droht die Kündigung ihrer Sozialwohnungen und die Kürzung von Sozialleistungen, wenn ein Angehöriger von ihnen an den Unruhen beteiligt war.

Es gab noch eine weitere bedrohliche Entwicklung: Die Polizei versuchte, sich Zugang zu sozialen Netzwerken und dem Instant-Message-Provider Blackberry zu verschaffen. Die gleiche herrschende Elite singt ansonsten das Hohelied auf soziale Medien, wenn sie dazu genutzt werden, in anderen Ländern die Regierungsgewalt zu untergraben, sofern dass ihren eigenen außenpolitischen Interessen dient – beispielsweise im Iran oder in Syrien.

Die ganze Zeit über äußerte sich keine einzige „linke“ oder „unabhängige“ Persönlichkeit gegen die staatliche Unterdrückung. Ken Livingstone von der Labour Party, der früher wegen seiner angeblich besonders linken Einstellung auch als „der rote Ken“ bekannt war, forderte den Einsatz von Wasserwerfern. Angeblich „Liberale“ forderten ein drastisches Vorgehen des Staates gegen alle Beteiligten.

Auch kleinbürgerliche ehemals linke Gruppierungen wie die stalinistische Kommunistische Partei und die Sozialistische Partei bliesen ins selbe Horn. Sie plapperten die rechten Medien und Politiker nach und stellten sich hinter die Polizeistaatsmethoden. Sie griffen die Regierung für Stellenabbau bei der Polizei an und beschuldigten sie, nicht mit ausreichender Härte für „Recht und Ordnung“ zu sorgen.

Die heuchlerische Art, mit der Cameron und seinesgleichen über die „Kriminalität“ der Arbeiterklasse herziehen, ist einfach widerlich.

Nur wenige Wochen vor den Unruhen steckten Regierung und Polizei in einer politischen Krise. Es ging um die kriminellen Praktiken von Rupert Murdochs Zeitung News of the World, die unter anderem Telefone abgehört hatte. Der Skandal hat gezeigt, dass Cameron und ein Großteil des politischen Establishments nichts anderes sind als die politischen Geldboten für diesen milliardenschweren Erzreaktionär.

Murdochs Konzern werden mafiaartige Verbrechen vorgeworfen – darunter die systematische Bestechung von Polizeibeamten und die Erpressung von Personen des öffentlichen Lebens. Aber im Gegensatz zu der Behandlung, die den Arbeiterjugendlichen in den letzten Wochen zuteil wurde, ist kein einziges Mitglied von Murdochs Medienimperium für irgendein Vergehen angezeigt, geschweige denn angeklagt worden, genauso wenig wie einer der beteiligten Polizeibeamten.

Der Gestank von Rechtlosigkeit und Korruption, der durch die herrschenden Kreise Großbritanniens weht, macht hier nicht Halt. Dieselben Politiker, die sich als die Hüter der Moral der Nation aufspielen, sind schuldig, Kriegsverbrechen in Auftrag gegeben und abgesegnet zu haben – angefangen bei den völkerrechtswidrigen Angriffskriegen in Afghanistan, dem Irak und Libyen bis hin zu außergerichtlichen Auslieferungen und Folter von Terrorverdächtigen.

In den letzten Monaten sind Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt, die belegen, dass es vor dem Irakkrieg lange Diskussionen zwischen der Labour-Regierung von Tony Blair und den Ölkonzernen gegeben hat. Dem Energiekonzern BP und weiteren Firmen wurde zugesagt, dass sie schon bald Zugang zu den riesigen Ölreserven des Irak erhalten würden.

Auch in Libyen sind sie wieder dabei. Geheimdokumente, die in Tripolis gefunden wurden, zeigen, dass es bei den Nato-Luftangriffen auf Libyen nicht im Geringsten um Menschenrechte oder demokratische Rechte ging. Sie zeigen, dass der britische Geheimdienst mit dem Gaddafi-Regime zusammengearbeitet hat, um Menschen zu verhören und zu foltern, die er für seine Gegner hielt.

Der britische Geheimdienst MI6 war direkt an der außerordentlichen Überstellung des Islamistenführers Abu Munthir beteiligt und half der CIA dabei, Abdelhakim Belhadj nach Libyen zu überstellen. Dort wurden sie mit britischer Zustimmung gefoltert.

Bei den gefundenen Dokumenten befand sich auch ein Brief von Sir Mark Allen, damals Direktor für Terrorabwehr beim MI6, an das Gaddafi-Regime aus dem Jahr 2004. Die Auslieferung von Belhadj war, laut ihm, „das Mindeste, was wir für Sie und für Libyen tun können, um zu zeigen, was für eine bewundernswerte Beziehung wir in den letzten Jahren aufgebaut haben.

Kurz nachdem er diesen Brief geschrieben hatte, verließ Sir Mark Allan den MI6 und fing bei BP an. Dieser Konzern will sich jetzt seine Position in Libyen sichern. Belhadj gehört zu denen, die die britische Regierung jetzt als libysche Freiheitskämpfer hinstellt. Die Nato betreibt eine Politik des gewaltsamen Regimewechsels, um Libyen und seine Ölreserven in die Hände zu bekommen.

Es ist sehr auffällig, dass die gleichen selbst ernannten „Liberalen“ und „Linken“, die die „Kriminalität“ der Londoner Arbeiterjugend beklagten, auch die größten Befürworter der imperialistischen Intervention gegen Libyen sind. Diese Kreise unterscheiden sich durch nichts von den offen rechten Reaktionären, mit denen sie früher angeblich verfeindet waren.

Der Grund für diese äußerst bedeutsame Entwicklung ist die gleiche Klassenpolarisierung, die auch zu den Unruhen geführt hat.

Die herrschende Klasse Großbritanniens führt seit mehr als dreißig Jahren Krieg gegen die Gesellschaft. Labour Party und Konservative haben beide das Loblied auf den freien Markt gesungen, dem sich die Gesellschaft in jeder Hinsicht unterzuordnen habe.

Deshalb wurde Großbritannien, und vor allem London, in einen Tummelplatz für die Finanzelite verwandelt, und in ein Zentrum des Betrugs und der Korruption. Privatisierung, Deregulierung und Sozialabbau verwandelten derweil ganze Landstriche in industrielles Brachland. Dadurch ist die soziale Ungleichheit in Großbritannien heute eine der größten der Welt.

Nicht nur die Superreichen profitierten von dieser Politik. In und um die Labour Party und die Gewerkschaften entwickelte sich eine ganze Branche von privilegierten Mittelschichtlern, deren Ziel es war, die soziale Ungleichheit politisch zu legitimieren. Dazu dienten die Lifestyle- und Identitätspolitik auf der Grundlage von Ethnie und Geschlecht. Diese wurden in der Vergangenheit in betrügerischer Absicht als „progressiv“ und sogar als links dargestellt.

Die Finanzkrise von 2008, die von den kriminellen, spekulativen Aktivitäten der Superreichen verursacht wurde, hat die Lügen der herrschenden Elite über die Überlegenheit des kapitalistischen Marktes entlarvt. Aber die Krise hat sie nicht zum Umdenken veranlasst. Kein einziger Banker, Spekulant oder Regulierer ist zur Verantwortung gezogen worden.

Stattdessen nahm die Labour-Regierung mehr als eine Billion Pfund aus den staatlichen Kassen und lieferte sie den großen Finanzinstitutionen aus. Das war Teil einer bewussten Entscheidung, die Wirtschaftskrise dazu zu nutzen, eine soziale Konterrevolution gegen die Errungenschaften und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse durchzusetzen.

Die gemeinsame Linie der stalinistischen und Ex-Radikalen Gruppen zu den Unruhen ist die, dass sie keinerlei politische Ursache oder Hintergrund haben. Weil die Jugendlichen keine Transparente und keine politischen Forderungen hatten, sagen sie, waren die Unruhen illegitim. So rechtfertigen diese Gruppen ihre Unterstützung für die polizeilichen Unterdrückungsmaßnahmen.

Sicher waren die Unruhen von unartikuliertem und elementarem sozialen Zorn getragen, ohne Ziel und Richtung. Aber warum war das so?

Es ist kaum, ein Jahr her, dass die Unterhauswahl für keine Partei eine absolute Mehrheit ergab – so groß ist die Entfremdung von dem ganzen politischen System. Labour verlor Stimmen, aber die Tories konnten nicht davon profitieren. Tausende Jugendliche stimmten für die Liberaldemokraten, weil diese sich gegen Ausgabenkürzungen, für die Abschaffung von Studiengebühren und gegen Krieg aussprachen.

Es wurde schnell klar, dass es niemanden interessierte, was die Bevölkerung wollte. Wie in Griechenland und anderswo wurde klar, dass die Regierungspolitik ausschließlich von den Forderungen der internationalen Märkte und Finanzinstitutionen bestimmt wird.

Also bildeten die Liberaldemokraten eine Koalition mit den Tories und begannen die größten Kürzungsmaßnahmen seit den 1930er Jahren umzusetzen. Sie verdreifachten die Studiengebühren, schafften die finanziellen Hilfen für höhere Bildung für Arbeiterjugendliche ab und brachen einen Krieg gegen Libyen vom Zaun.

Von November bis Februar kam es immer wieder zu Jugendprotesten gegen den Angriff auf die Bildung. Viele glaubten, dass ihre berechtigten Forderungen, d.h. das Recht auf eine gute Ausbildung, das Parlament zwingen würden nachzugeben. Ihre Hoffnungen wurden schnell zerstreut.

Stattdessen wurden Tausende von Polizisten geschickt. Sie kesselten die jungen Demonstranten teilweise stundenlang ein, verprügelten sie und zerstreuten sie mithilfe von berittenen Polizisten. Während der Proteste wurden etwa vierhundert Jugendlich verhaftetet, mehrere von ihnen zu Haftstrafen verurteilt. Derweil segnete das Parlament die Politik der Regierung ab.

In dieser ganzen Zeit verteidigte die Labour-Party die Regierung. Von den Gewerkschaften war nichts zu sehen. Sie hatten den Millionen Jugendlichen, deren Zukunft vor ihren Augen zerstört wurde, nichts zu sagen.

Diese Erfahrungen bewiesen, dass das politische System in Großbritannien, genauso wenig auf die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung reagiert, wie in Ägypten, Tunesien oder anderswo.

Weil alle offiziellen Kanäle für politische Opposition versperrt waren, war es kein Wunder, dass es unter Jugendlichen zu explosiven Ausbrüchen kam.

Vergegenwärtigt euch die Bedeutung der Tatsache, dass die Aufstände mit dem erneuten globalen Börsenkrach Anfang August zusammenfielen, die von der Krise der Eurozone und von der Entscheidung, das Kredit-Rating der USA herunterzusetzen, verursacht wurden.

Das bedeutet, dass die Krise des Kapitalismus ein neues, möglicherweise noch verheerenderes Stadium erreicht hat – ein Stadium, in dem die bisher beschlossenen Sparmaßnahmen blass wirken.

Trotz der drohenden wirtschaftlichen Katastrophe ist kein einziger Politiker willens oder fähig, wirklich ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um die sozialen Folgen abzufedern. Stattdessen verfolgen alle etablierten Parteien eine Politik, die die Krise verschlimmert, nationale Konflikte verschärft und zu Diktatur und Krieg führen wird.

Und jetzt kommen wir zu der wahren Tragödie der Jugendlichen – keine politische Organisation kämpft für ihre Interessen. Labour ist nichts weiter als eine rechte Wirtschaftspartei, und die Gewerkschaften haben die Hauptrolle darin gespielt, die Jugend zu isolieren.

Die Koalitionsregierung ist seit mehr als einem Jahr an der Macht. Offiziell sind 2,5 Millionen Menschen Arbeitslos, jeder Fünfte Jugendliche zwischen sechzehn und vierundzwanzig Jahren ist weder in Beschäftigung, Schule oder Ausbildung. Mehr als Hunderttausend Stellen im öffentlichen Dienst wurden in den letzten drei Monaten gestrichen. Die Arbeitsverträge von Zehntausenden Arbeitern wurden durch neue mit schlechterer Bezahlung ersetzt.

Die Gewerkschaften haben gegen das Vorgehen der Regierung keinen Finger gerührt. Selbst jetzt wollen die Gewerkschaftsführer nur einen alibihaften „Aktionstag“ durchführen. Lasst euch nicht täuschen – diese Organisationen haben nichts mit der Arbeiterklasse zu tun. Sie lehnen alle Eingriffe in den kapitalistischen Markt ab, denn so etwas würde ihre großen Privilegien bedrohen.

Der soziale und politische Widerstand gegen das Profitsystem, der sich entwickeln wird und muss, kann nur erfolgreich sein, wenn er sich auch gegen diese Organisationen und Parteien richtet.

In dem Aufruf zu dieser Versammlung wird eine Parallele gezogen zu den Bedingungen im späten 18. Jahrhundert. Es heißt: „In der Wirtschaft, den Medien und der Politik hat die Finanzaristokratie das Sagen. Sie ist genauso wenig gewillt, ihren Reichtum und ihre Privilegien aufzugeben, wie die französische Aristokratie vor der Revolution im Jahr 1789.“

Nicht nur wir stellen Vergleiche mit dem späten 18. Jahrhundert an. Während der Unruhen wiesen beispielsweise mehrere Kommentatoren auf Ähnlichkeiten zwischen dieser Zeit und der heutigen Situation in Großbritannien hin. Damals wie heute, stellten sie fest, hatte England den Ruf eines Landes, in dem soziale Wut regelmäßig zu Unruhen führt. Und sie zogen Parallelen von der brutalen Reaktion des Staates damals zu der heutigen Reaktion.

Der Vergleich ist jedoch viel vorausschauender als es sich diese Kommentatoren vorstellen. Niemand fürchtete und verabscheute die revolutionären Ereignisse in Europa im späten 18. Jahrhundert mehr als die britische Bourgeoisie.

Vor allem fürchtete sie eine “revolutionäre Ansteckung.” Diese Angst war berechtigt. Große Teile der britischen Arbeiterklasse begriffen die revolutionären Bewegungen in Europa als Teil eines gemeinsamen Klassenkampfes. Die Unterdrückungsmethoden, die die Bourgeoisie damals anwandte, sollten vor allem eine solche Entwicklung verhindern.

Wie sieht die Lage heute aus? In den letzten Tagen kam heraus, dass Großbritannien für den wahrscheinlichen Fall, dass der Euro scheitert, Pläne entwirft, die man als „Überlebenspläne“ bezeichnet. Berichten zufolge rechnen diese Notfallpläne damit, dass im Fall eines Scheiterns des Euro die Volkswirtschaften von Ländern wie Deutschland um 25 Prozent sinken werden, die von schwächeren Wirtschaftsmächten wie Griechenland und Spanien um mehr als 50 Prozent.

Ein Ökonom erklärte, das würde „einhergehen mit einer Rezession von solchem Ausmaß, wie man sie in der modernen Zeit noch nicht gesehen hat, zu groß, als das eine westliche Demokratie sie begreifen könnte.“ Ed Balls von der Labour Party sagte, das würde zu einer noch massiveren wirtschaftlichen Katastrophe führen, als der Bankencrash 2008.

Das steckt hinter den Rufen nach einer „starken Regierung“ in ganz Europa – das heißt, nach einer Diktatur – und der harten Linie gegen die Arbeiterjugend in Großbritannien.

Ein letzter Vergleich muss noch zwischen dem späten 18. Jahrhundert und heute gezogen werden. Damals steckte die Arbeiterbewegung noch in den Kinderschuhen, und erlebte später ein explosionsartiges Wachstum. Heute sind diese alten Organisationen am Auseinanderfallen und Zusammenbrechen. Alles hängt vom Aufbau einer neuen sozialistischen Massenbewegung der Arbeiterklasse ab.

 

Alle Beiträge der Europäischen Arbeiterversammlung 2001:

 

Das historische Programm der PSG

Von Ulrich Rippert, 28. September 2011

Die ägyptische Revolution und ihre politischen Aufgaben

Von Johannes Stern, 27. September 2011

Soziale Konterrevolution durch Sturz des Profitsystems beenden

Von Wladimir Wolkow, 24. September 2011

„Die wichtigste Aufgabe ist der Aufbau einer neuen revolutionären Führung“

Von Joseph Kishore (USA) und Kumaran Ira (Frankreich), 23. September 2011

„PSG stellte Jugendunruhen in GB ins Zentrum ihres Wahlkampfs“

Von Julie Hyland, 22. September 2011

Die Bedeutung des Wahlkampfs der PSG

Von Christoph Vandreier, 21. September 2011

Die Krise des Kapitalismus

Von Peter Schwarz, 20. September 2011

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