Kampf gegen Isis deckt amerikanischen Ölraub ab

Vor sieben Jahren sagte der amerikanische Senator Chuck Hagel, der jetzige Verteidigungsminister von Obama, über den Irakkrieg: “Die Leute sagen, wir kämpften nicht um Öl. Natürlich tun wir das. Sie sprechen von Amerikas nationalen Interessen. Wovon, zum Teufel, glauben Sie, ist die Rede? Wir sind nicht wegen der Feigen dort.“

Die Absicht von Präsident Obama und Hagel, sich mit dem Islamischen Staat im Irak und Syrien (Isis) auseinanderzusetzen, den ihre regionalen Verbündeten als Stellvertretertruppen zum Sturz des syrischen Regimes von Präsident Baschar al-Assad finanziert haben, ist ein Deckmantel für ihre Pläne zur Entmachtung Assads. Zusätzlich aber geht es um die Kontrolle der umfassenden irakischen Energieressourcen und der Zulieferwege durch dieses Gebiet.

Der Irak besitzt die nachweislich fünftgrößten Ölreserven in der Welt und Washington sowie seine Verbündeten haben nicht die Absicht, die Ölverträge aufzugeben, die jetzt in der Hand von westlichen Firmen sind. Die Vereinigten Staaten versuchen, ihren ungehinderten Zugang zu Öl und Gas sicherzustellen und gleichzeitig wollen sie festlegen, wie viel von diesen lebenswichtigen Energieressourcen anderen Ländern zugänglich sein darf, insbesondere ihren Konkurrenten China und Russland.

Isis hat die Kontrolle weiter Teile des östlichen Syriens und des irakischen Nordwestens übernommen, darunter Iraks zweitgrößter Stadt Mossul und ihrer Ölinfrastruktur. Jetzt bedroht Isis Erbil, die Hauptstadt der autonomen kurdischen Regionalregierung (KRG) und die irakische Hauptstadt Bagdad. Die Energiereserven, über die die KRG verfügt, würden ein selbständiges Kurdistan sofort zum zehntölreichsten Land der Welt befördern.

Der Vorstoß von Isis in den westlichen Irak und in das sunnitische Dreieck führte zu seiner Teilkontrolle über zwei Hauptpipelines. Die eine, die 500-Meilen-Verbindung zwischen Kirkuk und Banyas (ein Hafen in Syrien), wurde bei amerikanischen Luftschlägen während des Kriegs im Jahr 2003 weitgehend zerstört, wobei der Abschnitt zwischen Ain Zalah und Suweidiva funktionsfähig verblieben ist. Die zweite Pipeline verläuft von Kirkuk nach Ceyhan in der Türkei. Isis stoppte den Pipelinetransport nach Syrien, gestattete aber den Durchlauf in die Türkei.

Amerikanische Luftschläge gegen Isis und die mit ihm verbündeten sunnitischen Stämme, daneben der Einsatz von Peschmergaeinheiten der kurdischen Regionalregierung sowie kurdischer Bodentruppen aus Syrien und der Türkei, hindern Isis daran, die Kontrolle über eines der größten irakischen Ölfelder in Kirkuk zu übernehmen, welches die kurdische Regionalregierung zuvor dem irakischen Militär abgenommen hatte. Die irakische Armee vertrieb Isis aus Baidschi, einer Industriestadt, die die größte Ölraffinerie und das größte Kraftwerk des Iraks beherbergt. Außerdem boten die Vereinigten Staaten den irakischen Sicherheitskräften Luftunterstützung, um die Kontrolle über die K3-Raffinerie in Haditha (nordwestlich von Ramadi in der Provinz Anbar) sowie über eine wichtige Talsperre stromabwärts von der kürzlich zurückeroberten Mossul-Talsperre wiederzuerlangen.

Energieunternehmen wie Genel, ein vom ehemaligen BP-Vorstand Tony Hayward geführter britisch-türkischer Konzern, und Oryx Petroleum, ein kanadischer Betrieb, sagten, dass ihre Ölfelder Taq Taq, Tawke und Hawler jetzt gesichert seien und ihre Belegschaften zurückkehren könnten.

Bis jetzt wurden die gigantischen Ölfelder des Südiraks, ein überwiegend schiitisches Gebiet, die von BP, Exxon-Mobil, Shell, dem russischen Lukoil, dem angolanischen Sonangol, der italienischen ENI und dem norwegischen Statoil sowie einigen kleineren Firmen kontrolliert werden, von den Kämpfen nicht in Mitleidenschaft gezogen, obwohl es Angriffe auf Pipelines gegeben hatte. Dies brachte einige Firmen und ihre Auftragnehmer dazu, zumindest einen Teil ihrer Aktien zu verkaufen, während einige andere ihre Aufmerksamkeit den Ölfeldern der KRG zuwandten.

Nachdem das Regime von Saddam Hussein im Jahr 2003 besiegt worden war, waren die amerikanischen Ölbosse zur Stelle, um die irakische Ölindustrie zu übernehmen. Es gelang ihnen zwar nicht, das Gesetz über Kohlenwasserstoffe durchzusetzen, mit dem sie die komplette Kontrolle über das irakische Öl erhalten hätten, aber sie waren in der Lage, den westlichen Unternehmen den Zugang zum Öl des Iraks zu eröffnen. Nach drei Jahrzehnten, in denen sie ausgeschlossen waren, fielen ihnen höchst lukrative Konditionen in die Hände.

Zu diesen Konditionen gehören langfristige Konzessionen und umfassende Anteilskäufe. Keine Restriktionen behindern den Ölexport oder die Repatriierung der Profite ins Ausland, ebenso wenig finden sich Auflagen für die Unternehmen, überwiegend irakische Arbeiter zu beschäftigen oder Investitionen in die lokale Wirtschaft zu tätigen.

Die Industrie wurde jetzt von internationalen Konzernen wie Exxon-Mobil, Shell, Chevron, dem französischen Konzern Total sowie russischen, chinesischen, malaysischen und einer Reihe kleinerer Unternehmen übernommen.

Zu Beginn des Jahres hat der russische Ölgigant Lukoil seine Produktion auf dem riesigen Ölfeld West-Kurna 2, südlich von Basra, begonnen. Dies ist möglicherweise das größte noch unberührte Feld der Welt mit geschätzten über zwanzig Milliarden Barrel Ölreserven. Die für den Anfang auf 120.000 Barrel pro Tag (bpd) angesetzte Produktion soll nächstes Jahr auf 400.000 bpd und wenn möglich auf 1,2 Millionen bpd in den nächsten Jahren ansteigen.

Die Ausbeutung des Ölfeldes, das von den Russen in den 1980er Jahren entdeckt worden war, wurde zunächst in den 1990er Jahren von amerikanischen Sanktionen, dann von den Okkupationstruppen unterbunden, obwohl 2004 ein Vereinbarung getroffen wurde, dass Russland sich im Gegenzug bereiterklärte, auf 13 Milliarden Dollar irakischer Schulden zu verzichten. Nachdem die irakische Regierung unter Druck aus Washington gezwungen war, den ursprünglichen Deal rückgängig zu machen, überbot Lukoil im Jahr 2007 BP bei der Ersteigerung der Erschließungsrechte. Der Vorstand von Lukoil, Wagit Alekperow, der ein enger Weggenosse von Präsident Putin ist, wurde bislang von den amerikanischen Sanktionen aufgrund der Ukrainekrise verschont.

Die Ölfelder in der kurdischen autonomen Region, die im Jahr 2003 überwiegend keine Rolle gespielt hatten, sind jetzt in den Fokus gerückt. Die korrupte Regionalregierung, die von den beiden miteinander rivalisierenden Familien Barzani und Talabani dominiert wird, die die beiden großen kurdischen Parteien kontrollieren, hat Aufträge vergeben, die es ihr gestatten, unter Nichtbeachtung der Regierung bis zu 25 Prozent ihrer Anteile an den Ölprojekten an Privatunternehmen zu verkaufen. Außer Genel und Oryx Petroleum haben vier große Ölkonzerne – Chevron, Exxon-Mobil, Hess und Total – sowie 30 kleinere Unternehmen Abkommen mit der kurdischen Regionalregierung unterzeichnet. Die Produktion in der kurdischen autonomen Region, die erweitert werden soll, kommt für zehn Prozent des geförderten und verarbeiteten irakischen Öls auf.

Die kurdische Regionalregierung versuchte, eine neueröffnete Pipeline auf ihrem Territorium als Verbindungsstück mit der schon vorhandenen Pipeline nach Ceyhan zu nutzen und Öl direkt zu exportieren. Bagdad schritt dazwischen und bezeichnete dies als ungesetzlich. In Folge dessen wird das kurdische Öl zwar in der Türkei verbraucht, aber nicht auf den Weltmarkt gebracht, da Befürchtungen bestehen, dass die irakische Regierung Gerichtsprozesse anstreben würde. Die kurdische Regionalregierung erlaubte Genel außerdem täglich 700 Tanklastwagenladungen in die Türkei, um die Pipeline zu umgehen, deren Durchfluss in Mossul beaufsichtigt wird. Die Vereinigten Staaten sind gegen den von Bagdad unabhängigen Verkauf des Öls durch die kurdische Regionalregierung, benutzen diese aber als Pfand, um die irakische Regierung zum Einlenken in die Washingtoner Diktate zu zwingen.

Die Ölindustrie hat sich inzwischen weitestgehend von dem Krieg des Jahres 2003 und der bewussten Zerstörung während der amerikanischen Okkupation erholt. Die Ölproduktion erreichte über 3,3 Millionen bpd und steht damit fast wieder bei den 3,5 Millionen bpd, die die damals staatseigenen Betriebe 1979 erreicht hatten. Der Irak ist heute der siebtgrößte Ölproduzent der Welt.

Etwa die Hälfte allen irakischen Öls wird nach China exportiert, das kürzlich zum weltgrößten Ölimporteur geworden ist. Im vergangenen Jahr kaufte PetroChina, einer der vier staatlichen Energiekonzerne, Exxon einen Anteil an dem südirakischen Ölfeld West-Kurna ab und kaufte sich außerdem in drei weitere Felder ein. Auch Sinopec und CNOOC besitzen Konzessionen im Irak. Typischerweise arbeiten die Chinesen als Partner mit den großen westlichen Ölkonzernen zusammen oder gehen auf Verträge mit geringen Gewinnspannen ein. China hat im Süden, nahe der Grenze zum Iran, einen eigenen Flughafen errichtet, um 10.000 Arbeiter zu den Ölfeldern transportieren zu können.

Der irakischen Bevölkerung ist von dem Ölboom kaum ein Nutzen entstanden. Die irakische Öl- und Gasindustrie beschäftigt weniger als zwei Prozent der gesamten Arbeiterschaft, weil die internationalen Unternehmen ihre eigene Belegschaft mitbringen. Achtzig Prozent des Öls (2,7 Millionen bpd) werden exportiert, sodass wenig für den heimischen Markt verbleibt. Benzin- und Energieknappheit sind keine Seltenheit. Laut der Weltbank ist Armut auf dem Vormarsch. 28 Prozent der Familien (über 9,5 Millionen Iraker) leben unterhalb der Armutsgrenze. Tausende Familien suchen in Abfällen nach Nahrung und leben auf Müllhalden und in Slums.

Die Regierung war nicht in der Lage, Sozialversicherungsgesetze zu verabschieden und eine Arbeitslosenunterstützung einzuführen, obwohl ihre Einnahmen von 50 Milliarden im Jahr 2010 auf über 100 Milliarden Dollar im Jahr 2013 gestiegen waren. Würde diese Zunahme von 50 Milliarden Dollar zum Nutzen der irakischen Bevölkerung aufgewendet werden, dann erhielte jede der fünf Millionen Familien Leistungen und Dienste im Wert von 10.000 Dollar. Wenn Verbesserungen der Infrastruktur und Dienstleistungen stattfanden, dann in schiitisch, aber nicht in sunnitisch besiedelten Gebieten. Dies war einer der treibenden Faktoren, der seit Dezember 2012 zu einer Zunahme sunnitischer Militanz führte, als Einrichtungen der Ölindustrie sowohl in lokalen schiitischen als auch in sunnitischen Gebieten zur Zielscheibe wurden, um die Kontrolle über einige der irakischen Öleinkünfte zu erlangen.

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