Dokumentarfilm über Edward Snowden

”Citizenfour” in Großbritannien und den USA angelaufen

Vergangenen Freitag fand die britische Premiere von „Citizenfour“ in London statt. Der Dokumentarfilm über Edward Snowden zeigt, wie dieser die flächendeckende Überwachung der amerikanischen, britischen und anderer Regierungen enthüllte. Der 114 Minuten dauernde Film hatte auf dem New York Film Festival am 10. Oktober seine Weltpremiere.

Regie führte die preisgekrönte amerikanische Dokumentarfilmerin Laura Poitras. Sie war die erste Person, die Snowden kontaktiert hatte, um ihr die verheerenden Enthüllungen mitzuteilen. Ihr stellte er auch seine Dokumente über die National Security Agency (NSA) zur Verfügung. Poitras drehte den Film zusammen mit Kirsten Johnson, Katy Scoggin und Trevor Paglen. Filmemacher Steven Soderbergh ist einer der drei Produzenten.

Die Premiere in Großbritannien fand auf dem 58. London Film Festival des British Film Institute (BFI) statt. „Citizenfour“ wurde als Sonderdokumentarfilm präsentiert und vor vollem Haus im Londoner Curzon Chelsea vorgeführt. Am Samstag, 18. Oktober, wurde er noch einmal in der Hauptstadt im Hackney Picturehouse gezeigt. Der ersten Vorführung folgte eine Fragestunde, bei der Poitras via Skype aus Berlin, wo sie wohnt, zugeschaltet war. Außerdem wurden „Citizenfour“ und die Fragerunde landesweit in siebzig Kinos der wichtigsten Städte Großbritanniens übertragen.

Wie Poitras erklärte, ist „Citizenfour“ der letzte Teil einer Trilogie über den 11. September. Die vorher gehenden Filme waren My Country, My Country und The Oath. Während Poitras im Januar 2013 gerade an einem Film über die Verletzung demokratischer Rechte nach dem 11. September 2001 in den USA arbeitete, erhielt sie von Snowden verschlüsselte E-Mails, die zunächst nur mit "Citizenfour" unterzeichnet waren.

Wie der Film berichtet, schrieb Snowden in einer seiner ersten E-Mails an Poitras: "Von jetzt an musst du wissen, dass jede Grenze, die du überquerst, jeder Kauf, den du tätigst, jede Nummer, die du wählst, jeder Mobilfunkmast, an dem du vorbeigehst, jeder Freund von dir, Website, die du besuchst, Betreffzeile, die du tippst, in Händen des Systems ist, dessen Reichweite unbegrenzt ist, nicht jedoch dessen öffentliche Kontrolle."

Er fügte hinzu: "Wenn du am Ende die Quelle deiner Daten veröffentlichst, werde ich wahrscheinlich sofort belangt. Ich verlange nur, dass du sicherstellst, dass die Informationen an die amerikanische Öffentlichkeit gelangen".

Ende Mai 2013 reisten Poitras, der damalige Guardian-Journalist Glenn Greenwald und Ewen MacAskill, ein weiterer Guardian-Reporter, nach Hongkong, um Snowden zu treffen. In einem Hongkonger Hotelzimmer zeichnete Poitras das Guardian-Interview auf, in dem sich Snowden zu erkennen gab.

Der Film dokumentiert diesen Prozess mit teilweise faszinierenden neuen Bildern und Interviews mit Snowden aus dem Hotelzimmer. Snowden, Poitras und die Guardian- Journalisten diskutieren über die Dokumente in seinem Besitz, und dass es dringend notwendig sei, diese der Weltbevölkerung zugänglich zu machen.

Auf brillante Art und Weise erfasst Citizenfour die Spannungen und Ängste der Beteiligten in den Stunden und Tagen nach der Veröffentlichung, als Snowdens Schicksal in der Schwebe hing, und die unmittelbare Gefahr bestand, dass Sicherheitskräfte und Geheimagenten der USA ihn ergreifen und ins Gefängnis werfen könnten. Bewegende Szenen zeigen, dass Snowden sich große Sorgen über die Auswirkungen seines Handelns auf seine Familie und Freundin machte, als er erfuhr, dass die amerikanische Regierung sie bereits verhörte.

An einer Stelle sagt Snowden: "Hier wird die größte Unterdrückungswaffe in der Geschichte der Menschheit aufgebaut".

Poitras eigenes Schicksal und das der anderen beteiligten Journalisten weist darauf hin, wie sehr die Angriffe auf bürgerliche Freiheiten in den letzten achtzehn Monaten seit der Veröffentlichung der Snowden-Dokumente verschärft wurden.

Auf die Frage nach dem Grund für ihre Abwesenheit bei der Londoner Vorführung antwortete die Dokumentarfilmerin, der Grund seien "die Gesetze in Großbritannien, der britische Terrorism Act und die Official Secrets Gesetze, die die Veröffentlichung dieser Art von Dokumenten so gefährlich machen. Wie im Film zu sehen ist, wurde Glenns Partner David Miranda mehrere Stunden lang festgehalten, und meine Anwälte haben mir geraten, bloß nicht nach Großbritannien zu fahren, deshalb bin ich nicht dabei."

Die Regisseurin bedankte sich persönlich bei den anderen Beteiligten, die auf Anraten ihrer Anwälte ebenfalls nicht anwesend sein konnten. Sie sagte: "In erster Linie möchte ich [WikiLeaks Anwältin] Sarah Harrison und Julian Assange danken, die nicht anwesend sein können. Wie ihr wisst, ist Edward Snowdens politisches Asyl ihren Bemühungen zu verdanken, und sie verdienen enorme Anerkennung dafür."

Das Londoner Publikum klatschte und ließ Harrison und Assange hochleben, und auch die WikiLeaks-Vertreter, die im Publikum anwesend waren.

Poitras dankte auch Trevor Paglen, der an der Veranstaltung teilnehmen konnte. Sie nahm auf Fragen Bezug und erklärte, er sei "der außergewöhnliche Fotograf, der die Bilder der Überwachungswebsites [der britischen Regierung] gemacht hat, die ihr an den Bahnhöfen Bude und Menwith Hill Station sehen könnt".

Sie erklärte, wie „Citizenfour“ entstanden war, und sagte: "Im Jahr 2004 habe ich einen Film über den Irakkrieg gemacht, ohne zu wissen, dass daraus eine ganze Filmreihe werden sollte. Ich dachte, vielleicht würden die USA ja noch einen anderen Weg einschlagen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass uns der gleiche Weg auch heute noch immer weiter abwärts führt. Später, als ich noch mit dem Schnitt beschäftigt war, war ich schockiert, dass Guantanamo immer noch in Betrieb war. Das war im Sommer 2005. Ich dachte, ich müsse einen Film über Guantanamo machen, denn es ist wirklich eine nationale Schande, dass das Gefangenenlager noch besteht. Deshalb machte ich den Film ‚The Oath’ [Der Eid].“

Sie fuhr fort: "Als ich an dem Film arbeitete, wusste ich schon, dass dies eine ganze Reihe von Filmen werden würde, und ich wollte, dass die Geschichte im letzten Film sich mit dem Inland beschäftigte. Innerstaatliche Überwachung war eines der ersten Dinge, die [Präsident George W.] Bush nach dem 11. September eingeführt hat. Erst kam die Zustimmung zum Militäreinsatz, und dann wurden die ganzen Server für die Inlandsüberwachung aufgestellt. (...) Als erstes waren unmittelbar nach dem 11. September amerikanische Muslime betroffen, aber dann wurde das ausgeweitet."

"Was mich betrifft", fügte sie hinzu, "so wurde ich im Jahr 2006 auf eine Überwachsungsliste gesetzt. Jedes Mal wenn ich in die USA einreise, wurde ich festgehalten und befragt. So wurde mir persönlich bewusst, welche Gefahr und Bedrohung das für jeden einzelnen darstellt, aber auch besonders für mich als Journalistin."

„Citizenfour“ wird in Großbritannien von Artificial Eye und der BRITDOC Foundation mitvertrieben und wird ab dem 31. Oktober von Film4 co-production in den Kinos gezeigt. Der terrestrische britische Sender Channel 4 wird den Film Anfang 2015 zeigen.

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