Kölner Silvesternacht: Polizei verbreitete falsche Zahlen

Bereits zum zweiten Mal wird die Kölner Silvesternacht benutzt, um durch maßlose Übertreibungen und gezielte Lügen gegen Flüchtlinge zu hetzen und den Aufbau eines Polizeistaats zu rechtfertigen.

Vor einem Jahr wurden Taschendiebstähle und Pöbeleien massiv aufgebauscht und für eine Kampagne gegen Flüchtlinge und Muslime instrumentalisiert, obwohl es für den Vorwurf massenhafter sexueller Belästigungen bis heute keine stichhaltigen Beweise gibt.

An diesem Jahreswechsel führte die Polizei dann einen Großeinsatz durch. 1700 Landespolizisten, 300 Bundespolizisten und 600 Ordnungskräfte der Stadt Köln waren im Einsatz und überprüften und drangsalierten ausländisch aussehende Männer.

Die Polizei setzte Schreckensmeldungen über mehrere hundert „Nafri“ in Umlauf, die am Hauptbahnhof überprüft würden. In Köln-Deutz stoppte sie vier Züge und zwang Fahrgäste zum aussteigen, obwohl es nach Angaben der Deutschen Bahn zu keinen Übergriffen gekommen war.

Später entschuldigte sich Polizeipräsident Jürgen Mathies für den rassistischen Begriff „Nafri“. Meldungen, in Köln hätten sich über 2000 Nordafrikaner „zusammengerottet“, von denen viele bereits im Vorjahr am Hauptbahnhof waren, dementierte er dagegen nicht. Im Gegenteil, der Polizeipräsident sagte laut Spiegel Online, „die Männer seien aus dem gesamten Bundesgebiet angereist und nahezu zeitgleich eingetroffen. Man wolle prüfen, ob es Absprachen gegeben habe, und dazu die vorhandenen Personalien auswerten.“

Führende Politiker faselten darauf von einer „bewussten Machtprobe mit der Polizei“. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) fordert Aufklärung: „Sorge bereitet mir die Tatsache, dass es in mehreren Städten eine große Ansammlung von jungen Männern aus den Maghrebstaaten Marokko, Tunesien und Algerien gab.“ Hier müsse man tatsächlich die Frage stellen, „ob es sich dabei nur um spontane Treffen und Zufall handelt oder doch um organisierte Versammlungen“.

Der WDR-Hörfunk verkündete: „Da waren sie wieder, die gewaltgeilen Männerhorden.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warnte in Bild: „Wir dürfen nicht zulassen, dass blauäugige Multikulti-Duselei zum Sicherheitsrisiko für unsere Bevölkerung wird.“ Und auf der Website der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stellte Blogger „Don Alphonso“ dem „Nafri“ die Frage: „Warum geht von Dir und Deinen Freunden ‚Grundaggressivität‘ aus?“

Forderungen nach mehr Polizei, mehr Videoüberwachung und schnellerer Abschiebung abgelehnter nordafrikanischer Asylbewerber nahmen Orkanstärke an.

Doch nun haben sich die Informationen, auf denen diese Hetze beruhte, als schlichte Lügen entpuppt. Die Kölner Polizei „korrigierte“ am 13. Januar ihre Angaben zu den in der Silvesternacht kontrollierten Männer.

Hatte sie unmittelbar nach der Silvesternacht von 2000 „nordafrikanisch aussehenden jungen Männern“ gesprochen, die zum Kölner Hauptbahnhof und zum Bahnhof Köln-Deutz gekommen seien, gab sie nun bekannt, sie habe lediglich die Identität von 674 Personen festgestellt. Bei den insgesamt 2500 Überprüfungen, die die Polizei vorgenommen hatte, wurden offenbar dieselben Personen mehrfach kontrolliert.

Von den 425 Personen, deren Nationalität die Polizei bisher feststellen konnte, stammten gerade 30 aus Nordafrika – 17 aus Marokko und 13 aus Algerien. 99 waren Iraker, 94 Syrer, 48 Afghanen und 46 Deutsche. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler befindet sich unter den kontrollierten Personen kein einziger Tatverdächtiger aus der Silvesternacht des Vorjahres.

Von einer „Zusammenrottung“, einer „Machtprobe mit der Polizei“ oder der Verabredung zu Straftaten konnte also keine Rede sein. Laut einem Ermittler, den die Kölnische Rundschau zitiert, ist es derzeit am wahrscheinlichsten, dass sich viele Männer schlicht aus verschiedenen Flüchtlingsunterkünften im Bund oder im Land kannten und sich verabredet hatten, das diesjährige Silvester in der nächstgelegenen Großstadt zu feiern.

Die Medien, die ausführlich über die Polizeirazzien in der Silvesternacht berichteten, nahmen von der „Korrektur“ der Polizei nur kurz oder gar keine Notiz. Sie regen sich zwar eifrig über Fake-News im Internet auf, werden sie dagegen selbst beim Verbreiten von Fake-News ertappt, vertuschen sie es so schell wie möglich.

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