Wahlen in den Niederlanden: Rechtsruck bedroht EU

Die Parlamentswahl am 15. März in den Niederlanden ist weit über das 17 Millionen Einwohner zählende Land hinaus von Bedeutung. Wie in den USA reagiert die herrschende Klasse auch in Europa auf die kapitalistische Krise und die wachsenden sozialen Spannungen, indem sie demokratische Herrschaftsformen aufgibt und zu Nationalismus und Krieg zurückkehrt.

Die Niederlande-Wahl gilt als Auftakt für die französische Präsidentenwahl. Der rechte Kandidat Geert Wilders mit seiner Partei für die Freiheit (PVV), die aktuell in Umfragen fast gleichauf mit der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Ministerpräsident Mark Rutte liegt, lenkt die wachsende soziale Unzufriedenheit in nationalistische, antimuslimische Kanäle.

Ein Wahlerfolg Wilders würde Marine Le Pen, die Führerin des Front National (FN) in den Präsidentschaftswahlen im April und Mai Auftrieb geben. Sollte sie siegen, wäre dies das Ende der Europäischen Union und des Rahmens, in dem sich die europäischen Politik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bewegt hat. Sowohl Le Pen als auch Wilders treten für den Austritt aus der EU und der europäischen Währungsunion ein.

Am 21. Januar trafen sich Wilders und Le Pen in Koblenz mit anderen rechtsextremen Parteien, die im Europaparlament die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) bilden, um Trumps Einzug ins Weiße Haus zu feiern. „Make The Netherlands Great Again” twitterte Wilders nach Trumps Wahl. Zu den Teilnehmern in Koblenz gehörte auch Frauke Petry, die Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD). Sie erhofft sich durch Trump, Wilders und Le Pen Rückenwind für die Bundestagswahlen im September dieses Jahres.

Während die Opposition gegen Donald Trump in der Arbeiterklasse und der Jugend weltweit wächst, zeigt sich in Europa, dass seine Wahl zum US-Präsidenten weder ein amerikanisches noch ein individuelles Phänomen ist. Genauso wie Trump ist Wilders nicht vom Himmel gefallen.

Wilders begann seine politische Karriere bereits in den 1980er Jahren als Wirtschaftsliberaler in der VVD. 1998 zog der Bewunderer der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher ins Parlament. Er brach 2005 mit der VVD über die Frage des EU-Beitritts der Türkei und gründete die PVV, die er wie ein Unternehmen führt. Wilders ist das einzige Mitglied, Wahlkandidaten und Fraktions-Abgeordnete sucht er per Anzeigen und wählt sie persönlich aus, ohne dass sie Mitglied der Partei werden.

Seine Zeit begann mit der Finanzkrise 2008. Wie in jedem europäischen Land stützte der Staat auch in den Niederlanden den Finanzmarkt. Der damalige christdemokratische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende (CDA) und sein sozialdemokratischer Finanzminister Wouter Bos (PvdA) stellten niederländischen Banken mehr als 85 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld ist anschließend durch soziale Kürzungen aus der Bevölkerung herausgepresst worden. Wilders spielt sich seitdem als Vertreter „der kleinen Leute“ auf und lenkt die soziale Wut in nationalistische und antimuslimische Kanäle.

Die Kürzungsorgien und die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme wurden von allen Regierungen, ob sozialdemokratisch, christdemokratisch oder rechtsliberal geführt, von einer Hetze gegen Migranten und Flüchtlinge flankiert. Sie wurden zu Sündenböcken des wirtschaftlichen und sozialen Niedergangs erklärt. In dem vormals toleranten Land wurden das Asyl- und Ausländerrecht massiv verschärft. Auch im aktuellen Wahlkampf stimmen VVD und Sozialdemokraten in die Ausländerfeindlichkeit mit ein.

In den seit 2008 zunehmenden nationalen Konflikten innerhalb der EU stehen die Niederlande eng an der Seite Deutschlands. Das traditionelle Handelsland ist von Exporten abhängig, von denen über 70 Prozent in die EU gehen. Auch bei den Importen stammen mehr als 60 Prozent aller Einfuhren aus EU-Ländern. Deutschland ist schon seit Jahren mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Niederlande. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern ist mit etwa 167 Milliarden Euro (2015) eines der größten weltweit. Der Hochseehafen in Rotterdam ist der größte Tiefseehafen Europas. Die direkte Anbindung an den Rhein und an Europas größten Binnenhafen im nordrhein-westfälischen Duisburg hat die Niederlande zur europäischen Drehscheibe im internationalen Warenaustausch gemacht.

Deutschland und die Niederlande sind es auch, die ständig weitere Sozialkürzungen von Griechenland fordern, um die griechische Bevölkerung für die Bankenrettung bluten zu lassen.

Auch militärisch arbeiten Deutschland und die Niederlande eng zusammen. Als Nato-Mitglied beteiligen sich die Niederlande seit 1998 an den Kriegseinsätzen des Bündnisses in Jugoslawien, Afrika (Äthiopien/Eritrea), Afghanistan und im Irak. Aktuell beteiligt sich niederländisches Militär an der Truppenstationierung und Aufrüstung in Osteuropa. Zurzeit werden mehrere Hundert Soldaten nach Litauen an die russischen Grenze verlegt, wo sie Teil der von der Bundeswehr geführten ersten Nato-Battlegroup sind. Niederländische U-Boote patrouillieren derweil im Mittelmeer.

Wie in jedem Land reagiert auch die niederländische herrschende Klasse auf die wachsenden politischen, nationalen und sozialen Spannungen mit Militarismus, Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus. Die Wahlen in dem Benelux-Land tragen daher das Potenzial in sich, das Ende der EU einzuleiten.

Konzentrierten sich die zentrifugalen Tendenzen innerhalb der EU bislang auf Großbritannien, das immer eine Sonderrolle spielte, und Länder im Süden und Osten der EU wie Ungarn oder Polen, sind nun mit den Niederlanden und Frankreich auch zwei Gründungstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) betroffen, dem Vorläufer der EU.

Bereits der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der EU, hatte den Zerfall der EU eingeleitet. Ursprünglich von der rechten UK Independence Party (Ukip) gefordert, ist der Austritt inzwischen die offizielle Politik der regierenden Tory-Party unter Theresa May sowie eines Teils der Labour-Party.

Die Niederlage des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi im Verfassungsreferendum im Dezember letzten Jahres versetzte der EU dann den nächsten Schlag. Banken- und EU-Vertreter hatten das Referendum als letzte Chance gesehen, die italienische Bankenkrise im Rahmen der Union und des Euro zu lösen.

Am 1. März veröffentlichte der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker das sogenannte „Weißbuch zur Zukunft Europas“. Die darin entworfenen Szenarien gehen alle davon aus, dass sich die Spannungen verschärfen und sich die politische Uneinigkeit in den heutigen Grenzen verschärft. Das Dokument empfiehlt eine massive militärische Aufrüstung, um diese Probleme zu übertünchen.

Am Wochenende plädierten dann die amtierenden Präsidenten und Regierungschefs aus Deutschland (Angela Merkel), Frankreich (François Hollande), Italien (Paolo Gentiloni) und Spanien (Mariano Rajoy) in Versailles für ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, d.h. für einen Alleingang der größten Nationen. Im Vordergrund stand die militärische Zusammenarbeit. Diese leiteten am Montag die EU-Außen- und -Verteidigungsminister in Brüssel ein. Sie beschlossen ein gemeinsames Hauptquartier, das demnächst Militäreinsätze der EU im Ausland führen soll.

In Deutschland wird bereits seit dem Brexit-Referendum offen diskutiert, die Krise der EU und die Wahl Trumps zu nutzen, um gestützt auf das wirtschaftliche Gewicht auch zur politischen und militärischen Hegemonialmacht aufzusteigen – auch gegenüber Russland und den USA.

Austerität und Militarismus, das ist die Politik der EU-Verteidiger. Um dies aber gegen den Willen der arbeitenden Bevölkerung durchzusetzen, sind autoritäre Herrschaftsstrukturen notwendig. Deshalb erhalten die rechten EU-Gegner von führenden Teilen des Establishments in Politik und Medien eine Plattform, um mit ihrer Ausländerfeindlichkeit die Arbeiterklasse zu spalten und Sozialabbau und Krieg durchzusetzen.

Am 15. März hat die Arbeiterklasse in den Niederlanden daher keine Wahl. Die einzige Alternative zu einem balkanisierten Europa und einer militarisierten europäischen Großmacht sind Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa. Nur die Errichtung von Arbeiterregierungen in jedem Land und die Vereinigung Europas auf sozialistischer Grundlage kann den Rückfall des Kontinents in Nationalismus und Krieg verhindern und die Voraussetzungen dafür schaffen, seine reichhaltigen Ressourcen und Produktivkräfte im Interesse der gesamten Gesellschaft zu nutzen und weiterzuentwickeln.

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