Perspektive

Schreibt die WSWS über Leo Trotzki? Nicht, wenn es nach Google geht.

Die World Socialist Web Site wird vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) veröffentlicht, der trotzkistischen Weltbewegung. Seit die WSWS im Februar 1998 online ging, wurden auf ihr tausende Artikel veröffentlicht, in denen Leo Trotzki, einer der Führer der Oktoberrevolution und Gründer der Vierten Internationale, erwähnt wird.

Der Vorsitzende der Internationalen Redaktion der WSWS, David North, ist Autor des Buches Verteidigung Leo Trotzkis. Weitere wichtige Mitglieder der Internationalen Redaktion der WSWS – Nick Beams und James Cogan aus Australien, Chris Marsden aus Großbritannien, Peter Schwarz und Ulrich Rippert aus Deutschland, Keith Jones aus Kanada und Wije Dias aus Sri Lanka – sind seit Jahrzehnten in der trotzkistischen Bewegung aktiv. Sie alle sind bekannte Experten für trotzkistische Geschichte und Politik.

Dieses Jahr feiert das IKVI den 100. Jahrestag der russischen Revolution. Dazu veröffentlicht es eine historische Chronologie mit dem Titel „Diese Woche in der Russischen Revolution“, in der Leo Trotzki in jedem Artikel erwähnt wird. Die Serie findet bei Lesern außerordentlich großen Anklang. So wurde laut Facebook das Video für die Chronologie vom 29. Mai bis zum 4. Juni mehr als 21.000-mal aufgerufen. Die WSWS hat damit Tausende von Lesern gewonnen.

Von März bis Mai veranstaltete das IKVI eine Reihe von Onlinevorträgen über die Geschichte der Revolution. Einer der Schwerpunkte war dabei die Rolle Leo Trotzkis. Die Vorträge stießen auf Facebook und YouTube auf große Resonanz. Laut den Zahlen von Facebook wurde der erste Vortrag von David North am 13. März 6.300-mal gesehen. Ein weiteres Video, das ursprünglich Anfang März veröffentlicht wurde, in dem North die Vortragsreihe des IKVI ankündigte, wurde mehr als 120.000-mal aufgerufen.

Wir könnten noch viele ähnliche Zahlen nennen. Wir tun es nicht, um anzugeben, sondern um die Tatsache zu belegen, dass die Reden und Artikel des IKVI auf der World Socialist Web Site auf großen Anklang stoßen. Für ein politisch gebildetes Publikum ist die World Socialist Web Site gleichbedeutend mit dem Trotzkismus.

Doch seit Google durch seinen neuen Suchalgorithmus Zensur betreibt, verschwindet die World Socialist Web Site zunehmend aus den Suchergebnissen, selbst wenn die User nach Informationen über Trotzki suchen.

Im Mai betrug die Zahl der Impressionen der WSWS, die man bei einer Google-Suche nach „Leo Trotzki“ erhielt, 5.893. Im Juli waren es... null.

Als Vorbereitung für diesen Artikel gaben wir bei Google den Suchbegriff „Wer ist Leo Trotzki“ ein. Dazu benutzten wir Googles Webbrowser Chrome im „Inkognito-Modus“, d.h. unsere Ergebnisse wurden nicht von früheren Suchbegriffen beeinflusst. Wir gaben den Suchbegriff ohne Anführungszeichen ein.

Unter den Ergebnissen befinden sich alle Arten von rechten Essays und Artikeln. Auf der ersten Seite der Ergebnisse findet sich ein Essay von der Seite rbth.com (Russia Beyond the Headlines), die von der russischen Regierung betrieben wird. Der Titel lautet: „Leo Trotzki: 6 Fakten über den diskreditierten russischen Revolutionär.“

Auf Seite 3 findet sich ein Eintrag von Edgar's Mission Farm Sanctuary über Leo Trotzki... das Ferkel, das im April 2014 von den Betreibern der Farm in Australien gerettet wurde. Über dieses Tier erfährt man, es sei „mutiger als viele, die zehnmal so groß sind.“ Ferner findet sich ein Artikel des Online-Magazins Slate von 2007 mit dem warnenden Titel „Keine Idealisierung Leo Trotzkis“ (des Revolutionärs), und ein Eintrag in der rechten Wiki Conservapedia.

Auf Seite 4 findet sich eine Karteikarte von Quizlet, ein Eintrag auf TVTropes.com und ein reaktionärer, ignoranter Eintrag auf dem Satire-Wiki Uncyclopedia, laut dem Trotzkis größtes Vermächtnis seine „Philosophie permanenter Fraktionskämpfe und haarspalterischer revolutionärer Dialektik“ ist.

Auf Seite 6 finden sich Seiten, auf denen „Leo Trotzki-GIFs“ gesammelt sind, sowie ein Essay auf der obskuren Seite Lisa's History Room mit dem Titel „Fridas rotglühender Liebhaber.“ Auf der globalen Rangordnung von Alexa liegt diese Seite auf Platz 1.078.957 (die WSWS liegt auf der gleichen Liste auf Platz 40.677). Ferner findet sich auf Seite 6 ein Essay über Trotzki und George Orwells Farm der Tiere, geschrieben von einem Highschool-Schüler und veröffentlicht auf Prezi.com.

Auf Seite 10 findet sich ein Rezept für einen Cocktail namens „Leo Trotzki“ und eine Seite auf Lyrics.com für Songs, die den Begriff „Leo Trotzki“ enthalten. Auf Seite 12 findet man eine Rezension der Trotzki-Biografie des Historikers Joshua Rubinstein, verfasst von dem reaktionären Historiker Richard Pipes, die 2011 unter dem Titel „Trotzki der Jude“ in dem Magazin Tablet erschien. Pipes beklagt darin, dass Rubinstein den „gewaltbereiten Extremismus des russischen Revolutionärs verheimlicht.“ Außerdem findet man ein Dokument von der Website der CIA mit dem Titel „Leo Trotzki, ein Werkzeug des NKWD.“

Erst auf Seite 13 erscheint mit der Neuveröffentlichung von Trotzkis Essay „Drei Konzeptionen der russischen Revolution“ ein Eintrag der WSWS. Mittlerweile haben die meisten Google-User bei all dem Unsinn ihre Suche vermutlich bereits aufgegeben.

Im April hatte Google seine neuen Richtlinien gegen „Fake News“ angekündigt. Damals hatte das Unternehmen behauptet, es gehe darum, „Menschen Zugang zu relevanten Informationen von den zuverlässigsten verfügbaren Quellen“ zu ermöglichen, „maßgebliche Seiten weiter oben anzuzeigen und qualitativ minderwertige Inhalte herabzustufen.“

Mit „maßgeblich“ meint Google, „maßgeblich und akzeptabel für die Autoritäten.“ Unsere eigene Probesuche zeigt eindeutig, dass Google-Suchen nach „Leo Trotzki“ zu vielen Seiten führen, die reaktionär, antikommunistisch, antisemitisch, verleumderisch oder unsinnig sind. Doch die World Socialist Web Site, die weitaus mehr „maßgebliches“ und relevantes Material zu dem Thema enthält als jede andere Seite im Internet, lässt sich nicht finden.

Die einzige Erklärung ist, dass Googles neue „Richtlinien“ die WSWS herabstufen und auf eine schwarze Liste setzen sollen. Man müsste naiv sein, um zu glauben, dies sei nur das Ergebnis eines unbeabsichtigten technischen Fehlers.

Unterstützt den Kampf gegen Googles Zensur. Setzt euch mit dem IKVI in Verbindung, um aktiv zu werden. Spendet für die WSWS, um uns im Kampf gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit zu helfen.

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