De Maizières neue Polizeizentrale in Berlin

Am Dienstag hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine zentrale Bundespolizeibehörde in Berlin eingeweiht. Sie soll die Einsätze von Spezialeinheiten der Bundespolizei im In- und Ausland koordinieren.

In einem Gebäude am Schöneberger Ufer mitten in Berlin, in dem bis vor wenigen Wochen die Zentrale des deutschen Bombardier-Konzerns residierte, befinden sich künftig laut Bundesinnenministerium (BMI) die Leitung der paramilitärischen GSG 9 und der Bundespolizei-Fliegergruppe, sowie die Abteilungen „Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland“, „Besondere Schutzaufgaben Luftverkehr“ und „Einsatz- und Ermittlungsunterstützung“.

Zunächst seien hier hundert Mitarbeiter beschäftigt, erklärte de Maizière am Dienstag vor Pressevertretern. Das Ziel seien jedoch dreihundert. Der Sicherheitsapparat solle „unter einer zentralen Führungs- und Einsatzstruktur gebündelt werden“, so das BMI. Geplant seien neben der Koordinierung auch gemeinsame Übungen mit anderen Einheiten der Bundespolizei, mit der Polizei in den Ländern und ausländischen Partnern.

Innenminister de Maizière hat bereits Anfang des Jahres eigenmächtig, vorbei an politischen Gremien, ein Papier in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) lanciert, mit dem er für den Aufbau eines Polizeistaats wirbt. In diesen „Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten“ tritt er für eine weitgehende Aufhebung der föderalen Struktur von Polizei und Geheimdiensten, eine Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei und eine engere Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ein.

Mit der jetzt installierten „Direktion 11“ setzt er mitten im Bundestagswahlkampf einige seiner Forderungen um. Damit sich niemand Illusionen hinsichtlich der Zielrichtung macht, ließ er bei der Presseführung martialisch uniformierte und schwer bewaffnete Elitepolizisten der GSG9 Spalier stehen, denen er mit freundlichem Handschlag für ihre wichtige Arbeit dankte.

Leiter der neuen Behörde ist bezeichnenderweise der frühere langjährige Kommandeur der GSG 9, Olaf Lindner, der zuletzt im Bundeskriminalamt (BKA) die Sicherungsgruppe für den Personenschutz von Politikern und Staatsgästen leitete. Er steht persönlich für die Zusammenarbeit von Bundespolizei, Bundeswehr und Bundeskriminalamt.

Bevor Lindner zum BKA wechselte, brüstete er sich mit der „tatkräftigen“ Unterstützung der GSG9 für das „Bundeswehr-Kommando Spezialkräfte in Calw“. Er sagte der Rheinischen Post, eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, „ist absolut notwendig und funktioniert. Alles andere sind Gerüchte. … Selbstverständlich tauschen wir uns mit militärischen Spezialeinheiten, aber auch mit den Nachrichtendiensten aus …“

Bundesinnenminister de Maizière, der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann, und der stellvertretende Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ernst Walter, lobten am Dienstag die neue „Bundespolizeidirektion 11“ als Schritt vorwärts im „Antiterrorkampf“. Der stellvertretende Chef der zum DGB gehörenden Polizeigewerkschaft GdP, Jörg Radek, bemängelte lediglich, dass durch die Zentralisierung die Zuständigkeiten zwischen Land und Bund „unklarer“ würden und „Kompetenzlücken“ zur Folge hätten.

Deutschland müsse für „neue Bedrohungen“ gewappnet sein, sagte de Maizière, und „die Krisen- und Reaktionsfähigkeit der Bundespolizei in komplexen Lagen stärken“. Als Beispiel nannte er islamistische Anschläge in mehreren Bundesländern gleichzeitig, ein Szenario, das bisher kaum als wahrscheinlich gegolten hat. Entsprechend kryptisch verwies de Maizière auf „das Ergebnis einer Analyse, die auf eine Bedrohungslage für Deutschland hindeutet, die es so bisher noch nicht gegeben“ habe.

Eher drängt sich dabei ein Bürgerkriegsszenario wie beim Hamburger G20-Gipfel auf. Die massiven und lange vorbereiteten Polizeieinsätze gegen weitgehend friedliche Demonstranten, bei denen demokratische Grundrechte wie die Versammlungs- und Pressefreiheit außer Kraft gesetzt wurden, glichen einem Probelauf für eine künftigen Bürgerkrieg.

In Hamburg arbeiteten die unterschiedlichen Teile des Sicherheitsapparats, ungeachtet der gesetzlich getrennten Zuständigkeiten von Bundespolizei, Landespolizei, Bundeskriminalamt und Geheimdiensten, Hand in Hand zusammen. An der brutalen Erstürmung eines Hauses im Schanzenviertel durch SEK-Scharfschützen beteiligte sich sogar die berüchtigte Wiener Spezialeinheit Cobra.

Die zentrale Stabsstelle in Berlin soll diese enge Zusammenarbeit im Sicherheitsapparat institutionalisieren und ausdehnen. Die herrschende Klasse ist sich bewusst, wie sehr die Opposition und der Hass auf die Kriegspolitik und die sozialen Angriffe in der Bevölkerung zunehmen, und befürchtet Aufstände und soziale Unruhen in naher Zukunft.

Um diese zu unterdrücken, lässt die Regierung nicht nur ein Planungs- und Koordinierungszentrum errichten, sondern bereitet auch die Stationierung einer Antiterror-Einheit in Berlin vor. Im Juli berichteten mehrere Medien, dass die Vorbereitungen für die Stationierung einer solchen Einheit weit fortgeschritten sind. Als Standort sei die alte, im Ersten Weltkrieg gebaute Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne im Gespräch. Anfang 2018 soll das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie des Bundesbauamtes vorliegen. Momentan sind auf dem Kasernengelände noch über tausend Flüchtlinge untergebracht.

Die neue Bundespolizeizentrale und die Stationierung einer Antiterroreinheit werden von der SPD ausdrücklich unterstützt. Die stellvertretende Fraktionschefin der SPD, Eva Högl, sprach sich am 2. Juli in der Berliner Morgenpost für die Nutzung der Kaserne aus, auch wenn damit die Pläne des Spandauer Bezirks, dort Wohnungen zu bauen, zunichte gemacht werden. Der Spandauer SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz begrüßte ebenfalls, dass die Bundespolizei für „mehr Sicherheit sorgen“ soll. Dafür habe der Haushaltsausschuss einen deutlichen Personalaufbau beschlossen, sagte er.

Auch von der rot-rot-grünen Landesregierung in Berlin ist kein Widerstand zu erwarten. Im Gegenteil, sie begleitet die Maßnahmen des Bundesinnenministeriums mit eigenen Schritten zur Zentralisierung von Sicherheitsbehörden. Im Juni beschloss die Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei, ein „gemeinsames Lagezentrum“ zu errichten, das die „Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und den Betreibern kritischer Infrastrukturen“ gewährleisten soll. Außerdem soll ein „gemeinsames Einsatztrainingszentrum von Berlin und Brandenburg“ geschaffen werden.

Die schnelle Aufrüstung und Zentralisierung des Staatsapparats muss für alle Arbeiter und Jugendlichen eine Warnung sein. Die politische und wirtschaftliche Krise hat sich seit der Wahl des US-Präsidenten Trump auch in Deutschland extrem verschärft. Die deutsche herrschende Klasse reagiert darauf mit der Rückkehr zu Militarismus, Handelskrieg und Diktaturvorbereitung und knüpft dabei an die dunklen Kapitel ihrer Geschichte an.

Neben der neuen Polizeibehörde gibt es bereits seit 2004 ein Gemeinsames Terrorabwehrzentrum in Berlin-Treptow, GTAZ, in dem laut eigener Website „40 nationale Behörden aus dem Bereich der Inneren Sicherheit“ kooperieren. Die Bundespolizei arbeitet dort längst mit den verschiedenen Geheimdiensten, dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern zusammen.

Die strikte Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär, die nach den Erfahrungen der Nazi-Diktatur im Grundgesetz verankert wurde, wird zunehmend aufgehoben. Formal arbeiten beispielsweise das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei noch nach unterschiedlichen Gesetzen, dem Bundeskriminalamtsgesetz und dem Bundespolizeigesetz. In der Praxis verschwimmen diese Grenzen jedoch immer mehr.

Die Deutsche Hochschule der Polizei, die sich im Jahr 2011 an der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin „Ordnung und Vernichtung – Polizei im NS-Staat“ beteiligte, beschreibt auf ihrer Website, wie ähnliche Strukturveränderungen unter dem Nazi-Regime ab 1933 stattfanden. „Unter einem Dach werden Ordnungspolizei (Schutzpolizei, Gendarmerie) und Sicherheitspolizei (Kriminalpolizei, Politische Polizei bzw. Gestapo) vereint.“ Die „Grenze zwischen ‚Ordnungspolizei‘ und ‚Sicherheitspolizei‘“ sei bewusst zugunsten der SS verwischt worden.

Am Ende dieses Prozesses stand bekanntlich 1939 die Errichtung des Reichssicherheitshauptamts, von dem aus die grausamsten Verbrechen der SS und der Sonderkommandos der Wehrmacht organisiert wurden – und das sich im Übrigen ganz in der Nähe des roten Backsteinbaus der neuen „Direktion 11“ befand.

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