Neue Sammelabschiebung nach Afghanistan

Am gestrigen Dienstagabend wurden trotz verschlechterter Sicherheitslage wieder mehrere junge Afghanen aus Deutschland nach Kabul ausgeflogen. Kurz vor der Bundestagswahl will die Regierung unter Beweis stellen, dass sie gegen Flüchtlinge „hart durchgreift“. Aber auch Grüne und Linkspartei vertreten dieselbe flüchtlingsfeindliche Politik.

Frankfurter Kundgebung gegen Abschiebungen am 12. September 2017

In der Maschine, die am frühen Abend vom Düsseldorfer Flughafen startete, saßen nach Angabe des Flüchtlingsrats von Nordrhein-Westfalen vermutlich mindestens zwölf abgelehnte Asylbewerber aus den vier Bundesländern NRW, Bayern, Hessen und Hamburg. Die genaue Zahl sei bisher nicht bekannt, so der Flüchtlingsrat.

Neben dem Flug nach Afghanistan fand am selben Tag auch eine Sammelabschiebung aus Nordrhein-Westfalen nach Albanien und den Kosovo statt. Heute soll ein weiterer Flug nach Serbien stattfinden. Mit diesen beiden Flügen werden vor allem Angehörige der verfolgten Minderheit der Roma abgeschoben.

Der Flug nach Afghanistan ist die erste Sammelabschiebung in dieses Land seit dem Bombenanschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul im vergangenen Mai. Der Abschiebestopp, der darauf folgte, wurde wieder aufgehoben, nachdem das Auswärtige Amt unter Führung von Sigmar Gabriel (SPD) in einem neuen Lagebericht angeblich sichere Zonen in Afghanistan nachgewiesen hatte.

In Wirklichkeit hat sich die Lage in dem von Krieg zerrissenen Land weiter verschlechtert. Erst vor kurzem haben die USA angekündigt, ihr Truppenkontingent von derzeit 11.000 Soldaten drastisch auszuweiten, was den Bürgerkrieg zwangsläufig weiter eskalieren wird. Das Auswärtige Amt hat in seinem Bericht sogar eingeräumt, dass es praktisch keine Informationen über die von den Taliban kontrollierten Gebiete hat, und dass es „kaum Möglichkeiten zur Gewinnung eigener Erkenntnisse vor Ort“ gebe.

Auch in der Hauptstadt Kabul ist die Lage derart unsicher, dass die Polizisten, die die Abschiebung begleiten, die Weisung haben, den Flughafen auf keinen Fall zu verlassen, um sich nicht in Gefahr zu begeben. Für die Regierung ist dies alles kein Grund, auf die Abschiebung junger Menschen nach Afghanistan zu verzichten.

Dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan enorm verschlechtert hat, betonte auch der Sprecher von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Den jüngsten Abschiebeflug nach Afghanistan bezeichnete er als perfides Wahlkampfmanöver: „Man will ein Signal der Härte setzen, um kurz vor der Bundestagswahl im flüchtlingsfeindlichen Milieu nach Stimmen zu fischen“, so Burkhardt.

Innenminister Thomas de Maizière hat im Wahlkampf zuletzt den Ton bewusst verschärft. Er hat angekündigt, das Asylrecht weiter auszuhöhlen, die Sozialleistungen für Flüchtlinge drastisch zu kürzen und auch den Rechtsschutz für Asylbewerber frontal anzugreifen, obwohl dies ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt.

Darauf erklärte Martin Schulz, der SPD-Herausforderer in der Bundestagswahl, er hätte dasselbe schon viel früher durchgesetzt. „Ich war seit jeher dafür“, kommentierte Schulz den Vorschlag de Maizières, die Leistungen europaweit anzugleichen und sie auf diese Weise in Deutschland massiv zu verschlechtern. Schulz stimmte der CDU auch zu, dass „Gefährder und Kriminelle“ abgeschoben werden müssen. Er widersprach damit dem eigenen Wahlprogramm, das einen Abschiebestopp für Flüchtlinge nach Afghanistan vorsieht.

Niemand tritt dem reaktionären Kurs der großen Parteien entgegen, und auch die Linkspartei unterstützt den flüchtlingsfeindlichen Kurs. Im sogenannten Fünfkampf kleinerer Parteien in der ARD betonte Sahra Wagenknecht vergangene Woche, dass auch die Linke für eine konsequentere Abschiebung von so genannten „straffälligen Ausländern“ sei.

Gegen den brutalen Akt der Sammelabschiebung demonstrierten am Dienstagabend mehrere hundert Menschen. Am Düsseldorfer Flughafen versammelten sich über 180 Menschen der Initiative Nedaje Afghan (Afghanischer Aufschrei), die in der Abflughalle Schilder „Abschiebung stoppen“ und „Keine Abschiebungen in den Tod“ hochhielten.

Auch in andern Städten kam es zu Kundgebungen und Demonstrationen. In Frankfurt gingen etwa hundert, meist junge Menschen auf die Straße und demonstrierten vom Hauptbahnhof in die Innenstadt. Aufgerufen hatte das Afghan Refugees Movement, eine Initiative zur Verteidigung afghanischer Flüchtlinge im Rhein-Main-Gebiet. An der Frankfurter Hauptwache wiesen junge Afghanen darauf hin, dass die Abschiebung in ein Kriegsgebiet nicht zu rechtfertigen sei, auch wenn es sich um Straftäter handle: „Abschiebungen nach Afghanistan sind Abschiebungen in den Tod – und deshalb nichts anderes als die Wiedereinführung der Todesstrafe in Deutschland!“

Marianne Arens

Auch die Frankfurter Kandidatin der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), Marianne Arens, sprach zu der Demonstration. Sie erklärte, wer Flüchtlinge verteidigen wolle, dürfe seine Hoffnungen weder in die deutsche Regierung, noch in die Oppositionsparteien setzen. „SPD und CDU überbieten sich in Ausländer- und Flüchtlingshetze und wetteifern mit der AfD in rechter Law-and-order-Politik“, sagte Arens, „und es ist auch eine Illusion, auf die Linkspartei zu hoffen.“

Was auch immer für eine Regierung aus der Bundestagswahl hervorgehen werde, sie werde die Angriffe auf die Flüchtlinge verschärfen, fuhr sie fort. „Darum setzt die Sozialistische Gleichheitspartei auf die internationale Arbeiterklasse. Sie allein ist in der Lage, die Kriege zu stoppen und die Grundrechte zu verteidigen.“ Sie rief dazu auf, den Kampf für ein sozialistisches Programm aufzunehmen: „Jeder Mensch hat das Recht, im Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten.“

Die SGP verteidigt prinzipiell das Recht auf Asyl und lehnt jede Form von Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ab, wie es im Wahlaufruf der Sozialistischen Gleichheitspartei zur Bundestagswahl heißt. Weiter steht dort: „Die Angriffe auf Flüchtlinge richten sich gegen alle Arbeiter. Notwendig ist ein gemeinsamer Kampf aller hier lebenden Menschen gegen den Kapitalismus.“

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