Fall Rauscher: Politik und Universitätsleitung verteidigen rechtsradikalen Professor

Obwohl an der Universität Leipzig in diesem Semester tausende Studierende gegen den rechtsradikalen Jura-Professor Thomas Rauscher protestiert und mehr als 18.000 eine Petition für seine Entlassung unterzeichnet haben, stärken Politik, Universitätsleitung und Medien dem Professor den Rücken.

Eine Prüfung habe ergeben, dass die über seinen privaten Twitter-Account verbreiteten Äußerungen vom grundgesetzlich geschützten Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt seien, erklärte der Sprecher des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) Andreas Friedrich. „Die dienstrechtlichen Bewertungen“ hätten ergeben, „dass eine Verletzung der Dienstpflichten durch Prof. Rauscher nicht gegeben ist“, hieß es in einer weiteren Stellungnahme des SPD-geführten Ministeriums.

Die Leitung der Universität Leipzig stellte klar, dass sie den Kurs der schwarz-roten Landesregierung unterstützt: „Meinungsfreiheit müssen wir als weltoffene Hochschule hochhalten, auch wenn uns die Meinungen nicht passen. Aber wo hört Meinungsfreiheit auf und wo fängt Menschenfeindlichkeit an? Diese Grenze ist schwer zu finden“, erklärte die Hochschulkanzlerin Birgit Dräger.

Das ist so zynisch wie provokativ. Rauschers Positionen haben nicht das Geringste mit Meinungsfreiheit und Weltoffenheit zu tun. Sie sind ganz eindeutig „menschenfeindlich“ und entsprechen der rechtsradikalen Hetze eines Rassisten. Er sei „dagegen, Kulturen durch Völkerwanderungen großen Ausmaßes zwangsweise zu vermengen und damit alle beteiligten Kulturen zu zerstören“, zitiert der Stern den Professor. Und die Neue Zürcher Zeitung hielt fest: Rauscher werde von seiner Meinungsfreiheit weiter 'Gebrauch machen'… Den Traum vom weissen Europa brüderlicher Nationen gibt er nicht auf“.

Die Verbreitung rechtsextremer Hetze unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ist die bekannte Masche der extremen Rechten. „Na bitte: keine dienstrechtlichen Schritte gegen Rauscher – Meinungsfreiheit geht vor linksradikale Gesinnungshatz an @Uni Leipzig“, jubelte der AfD-Politiker Jens Maier auf Twitter. Die rechtsradikale Postille Junge Freiheit wetterte in einem Hetzartikel gegen den „Mob“ an der Universität Leipzig, der mit seiner Kritik an Rauscher „den freien Geist“ schleifen würde.

Die Entwicklungen in Leipzig erinnern an die Ereignisse an der Humboldt-Universität in Berlin. Dort protestierten Studierende gegen den rechtsradikalen Professor Jörg Baberowski, der daraufhin von einer Allianz verteidigt wurde, die von der rot-rot-grünen Landesregierung bis zur Berliner AfD reichte. Obwohl in zwei Gerichtsverfahren festgestellt wurde, dass Baberowski „rechtsradikal“ und „rassistisch“ genannt und der „Geschichtsfälschung“ bezichtigt werden darf, drohte die sozialdemokratische Präsidentin der HU, Sabine Kunst, kritischen Studierenden in einem offiziellen Statement sogar mit strafrechtlicher Verfolgung. „Mediale Angriffe“ auf Baberowski seien schlicht „inakzeptabel“.

Die IYSSE haben die Proteste gegen die rechten Professoren von Anfang an unterstützt und erklärt, dass sie nur deshalb so dreist auftreten können, weil sie im politischen Establishment Unterstützung finden. Das hat sich in den letzten Wochen bestätigt. Um ihre unpopuläre Politik des Militarismus, der Polizeistaatsaufrüstung und der sozialen Konterrevolution gegen den wachsenden Widerstand durchzusetzen, arbeitet die herrschende Klasse zunehmend offen mit der extremen Rechten zusammen und übernimmt deren Programm.

Jüngst wurde bei der Verlängerung der Auslandseinsätze der Bundeswehr sichtbar, wie eng alle Parteien im Bundestag mit der AfD zusammenarbeiten. Neben dem Einsatz zur Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer wurden auch die Missionen der Bundeswehr im Sudan und Südsudan mit den Stimmen der Rechtsextremen verlängert. Die jeweiligen Beschlussempfehlungen waren dabei von allen Bundestagsparteien im Hauptausschuss des Bundestags ausgearbeitet worden und tragen die Unterschrift von Mitgliedern aller Fraktionen. Für Januar erwägen Abgeordnete der CDU/CSU und FDP eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen, um das Verbot für den Familiennachzug für Geflüchtete zu verlängern.

In Österreich ist die herrschende Klasse bereits dazu übergegangen, die rechtsextreme FPÖ direkt in die Regierung einzubinden und ihr dort die Verantwortung über Polizei, das Militär und die Geheimdienste zu übertragen. Sie genießt dabei die volle Unterstützung Berlins. Mit Sebastian Kurz stellt die österreichische Schwesterpartei der CDU/CSU den Kanzler der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung in Wien. Im Wahlkampf hatte sich auch die SPÖ bereit erklärt, mit der FPÖ auf Bundesebene zu koalieren.

Die deutsche Sozialdemokratie befindet sich auf dem gleichen Rechtskurs. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen forderte der amtierende Außenminister und frühere SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, seine Partei im Spiegel auf, die rechte, nationalistische Politik der AfD zu übernehmen. Begriffe wie „Identität“, „Leitkultur“ und „Heimat“ würden nicht nur Rechte und Konservative bewegen, sondern müssten von der SPD übernommen werden, schreibt er in einem programmatischen Kommentar mit der Überschrift „Sehnsucht nach Heimat“.

In Sachsen ist die Zusammenarbeit zwischen den etablierten Parteien und der extremen Rechten besonders stark ausgeprägt. Der neue sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer tritt noch offener als sein Vorgänger Stanislav Tillich dafür ein, das Programm der AfD zu übernehmen. „Wir müssen deutlich sagen, dass wir mehr Rückführungsabkommen mit den Herkunftsstaaten brauchen, als wir sie bisher haben“, erklärte er jüngst in einem Interview mit der Rheinischen Post. Polizei und Justiz müssten nötige Abschiebungen konsequent durchsetzen.

In Freiberg veröffentlichte der CDU-Ortsverband Ende November ein Thesenpapier, das sich offen für eine Koalition mit der AfD ausspricht. „Wenn sich die AfD stabilisiert und zu einer Politik kommt, die dem Bürger auch wirklich Wege zeigt“, halte er „eine Koalition mit der AfD für möglich“, erklärte der Freiberger Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bauwesen, Holger Reuter. Auch mit der von Rauscher unterstützten Pegida-Bewegung arbeitet die rot-schwarze Landesregierung eng zusammen. Bereits 2015 veranstaltete der damalige sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) ein geheimes Treffen mit der Spitze der rechtsradikalen Gruppierung.

Die allgemeine Rechtsentwicklung des Establishments in Sachsen, Deutschland und ganz Europa zeigt, dass der Kampf gegen rechte Professoren eine unabhängige politische Perspektive erfordert und nicht losgelöst von der Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus geführt werden kann. Bereits in der Einladung zu unserer letzten erfolgreichen Veranstaltung zum Thema „Wie weiter im Kampf gegen Rauscher und die Rechtswende an den Unis?“ schrieben wir:

„Nur eine revolutionäre sozialistische Bewegung kann den Aufstieg rechter Kräfte und einen erneuten Rückfall in die Barbarei stoppen. Einhundert Jahre nach der russischen Oktoberrevolution muss die Perspektive, die dieses historische Ereignis angeleitet hat, wiederbelebt werden. Die Bolschewiki bestanden darauf, dass die einzige Antwort auf den imperialistischen Krieg und die soziale Krise der Kampf gegen den Kapitalismus sei.“

Für diese Perspektive werden die IYSSE und ihre Hochschulgruppe in Leipzig im neuen Jahr verstärkt kämpfen. Nehmt Kontakt mit uns auf, werdet Mitglied und beteiligt euch am Aufbau einer neuen marxistischen Bewegung gegen Nationalismus und Krieg!

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